Die Pille, das Kondom, die Kupferspirale oder die mit Hormonen, der Nuvaring, das Diaphragma, Verhütungspflaster oder -schaum – empfängnisverhütende Methoden gibt es mittlerweile viele. Dass das nicht immer so war, zeigt ein Ausflug ins Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien.
Das weltweit einzige Museum zu diesem Thema wurde 2003 vom Gynäkologen Dr. Christian Fiala gegründet. Im selben Gebäude, Tür an Tür, ist seine Klinik für Schwangerschaftsabbrüche und Familienplanung. Ich öffne die Tür daneben und trete in die Geschichte der Verhütung ein. Habt ihr gewusst, dass eine Frau natürlicherweise bis zu 15mal in ihrem Leben schwanger werden würde?

Die erste grosse Revolution in der Geschichte der Verhütung war die Entdeckung der fruchtbaren Tage im Zyklus durch den Österreicher Knaus und den Japaner Ogino. Davor – bis 1929! – ist man davon ausgegangen, eine Frau wäre ständig empfängnisbereit. Aufgrund der Entdeckung der Fruchtbarkeitsphase wurden unterschiedlichste Rechentabellen entwickelt, mit denen man den Eisprung und somit die fruchtbaren Tage berechnen konnte. Für die Frauen war dies ein Durchbruch, da sie erstmals ihre Lebens- und Familienplanung ansatzweise beinflussen konnten.

Schon im Altertum versuchten Frauen, sich mit diversen Mitteln und Praktiken vor einer ungewollten Schwangerschaft zu schützen. Ein ägyptisches Rezept aus der Zeit um 1525 v. Chr. lautet: «Man gebe zerriebene Akazienblätter mit Honig vermischt auf eine Mullbinde, die man sich in die Vagina einführe.» Diese Art von Tampon könnte durchaus eine Wirkung gehabt haben, da der Saft der Akazien Milchsäure enthält, die ein wirksames Spermizid ist. Auch der Philosoph Aristoteles berichtete, dass sich Frauen die Gebärmutter mit Weihrauch, Zedernöl oder Bleisalbe einrieben. Tatsächlich fand die Suffragette Maria Stopes in den 1930er Jahren heraus, dass Öl Spermien unbeweglich macht. Sicher waren diese Methoden trotzdem nicht und immer mit Zweifeln und Angst um eine folgende Schwangerschaft verbunden.

Das Kondom war früh relativ weit verbreitet. Als echtes Naturprodukt wurde es ursprünglich aus Fischblasen oder aus Schafsdärmen hergestellt. Das Schafsdarm-Kondom war etwas Wertvolles und wurde wiederverwendet. Ein Mann wusch sein Kondom aus, hing es auf zum Trocknen und puderte es danach. Dann rollte er es auf und war wieder bereit für den Verkehr. Auch der berüchtigte Casanova soll von diesem Naturprodukt Gebrauch gemacht haben. Heute werden Kondome grossindustriell aus Latex, der Milch des Gummibaumes hergestellt. In den USA bekommt man noch Kondome aus Schafsdärmen, in Europa entsprechen sie allerdings nicht mehr der EU-Norm.

Noch vor 100 Jahren war eine Scheidenspülung oder ein Schwämmchen, das in Essig oder Zitronensaft getränkt, in die Scheide eingeführt wurde, um die Spermien dort unbeweglich zu machen, Gang und Gäbe. Das damals günstigste und somit auch gängigste Mittel, war die sogenannte «Mutterspritze»: ein schwarzer Gummiball mit Ansatzrohr. Er wurde benutzt, in dem sich die Frau nach dem Verkehr über eine Schüssel hockte und mit diesem Gummiball die Scheide ausspülte, in der Hoffnung, dies würde genügen, um die Spermien auszuspülen.
Es gibt noch etliche andere solche Apparate, die mehr oder weniger als Verhütungsmethoden galten. Im Museum wird ausserdem davon berichtet, wie sich Frauen Coca-Cola in die Scheide spritzten, indem sie die Dose oder Flasche vorher schüttelten und dann in die Scheide hielten. Heute ist klar, dass in Coca-Cola keinerlei Stoffe vorhanden sind, die Spermien unfähig zur Befruchtung machen.
Dass Frauen noch im 19. und 20. Jahrhundert eine grosse Fantasie in Verhütungsfragen bewiesen, zeigen zahllose weitere absurde, leider meist vergebliche Methoden. Frauen sprangen, sobald der Geschlechtsakt beendet war, auf, machten Kniebeuge oder liefen im Kreis, um so die Befruchtung zu verhindern.

Heute ist klar, dass in Coca-Cola keinerlei Stoffe vorhanden sind, die Spermien unfähig zur Befruchtung machen.

Die Vorstellung solcher Praktiken kann uns heute zum Lachen bringen. Beim Rundgang durch das Museum wird aber sehr deutlich, dass Verzweiflung über ständige Schwangerschaften lange ein Grundbestandteil im Leben vieler Frauen war. Der Frau wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein eine soziale Rolle zugeteilt, die ihr die Pflicht auferlegte, eine möglichst große Schar von Kindern zu gebären und aufzuziehen. Diese Ansichten werden, wenn auch nicht mehr ganz so radikal, doch im Kern heute noch von der katholischen Kirche verfolgt. Nach der offiziellen Position der römisch-katholischen Kirche sei der Gebrauch von Verhütungsmitteln in der Ehe abzulehnen, da er wegen der künstlichen Verhinderung der Kindszeugung nicht der Würde des Menschen entspreche. Dass eine ständige Nachfahrenproduktion vor allem auch wirtschaftlichen und militärischen Gründen zunutze war, zeigt ein Schreiben von 1916. Das kaiserlich und königlichen Kriegsministerium fordert vom Innenministerium, dass jegliche Verhütungsmittel und der Schwangerschaftsabbruch zu verbieten seien, weil, so die Formulierung «Menschenmaterial» gebraucht werde. Die Frau diente dabei als Gebärapparat. Sigmund Freud stand noch 1898 ziemlich allein da, als er die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung forderten. Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis diese Idee auch in der Gesellschaft ankam – mit der Einführung der Anti-Baby-Pille.

Bevor 1960 in den USA erstmals die Pille auf den Markt kam – die bahnbrechende Revolution in der Verhütungs- und Familienplanungsgeschichte – musste erst Grundlegendes über den menschlichen Organismus in Erfahrung gebracht werden. Zum Beispiel, dass Hormone im weiblichen Körper Signale aussenden, welche den Eisprung verursachen und die Frau erst fruchtbar machen. Auf Grundlage dieser Erkenntnis konnte man nun Hormone dafür einsetzen, den Eisprung zu verhindern, damit keine Befruchtung stattfinden kann. Man nennt dies auch Ovulationshemmung. Noch nie war Verhütung so bequem: Täglich eine Pille, und schon ist frau wirksam und sicher vor einer Schwangerschaft geschützt. (Es sei denn, man ist wie ich eher chaotisch veranlagt…) Die heutige Mikropille funktioniert im Prinzip noch gleich wie zu ihrer Entstehung, die Hormondosierung konnte jedoch verringert und somit verträglicher gemacht werden. Auf die Pille folgte das unter die Haut implantierte Stäbchen, der Ring, das Pflaster, die 3-Monatsspritze – sie alle geben Hormone ab: über die Blutbahn, die Haut oder die Schleimhäute.

In den letzten Jahrzehnten hat es einige Fälle von Thrombose und Schlaganfällen aufgrund von Nebenwirkungen der Pille gegeben. Dies hat dazu geführt, dass die allgemeine Popularität von Hormonen abgenommen hat und viele Frauen Angst davor haben, hormonelle Verhütungsmethoden in Anspruch zu nehmen. Dr. Fiala beobachtet einen Trend hin zu einer natürlichen Verhütung, geradezu ein Verlangen nach einer «natürlichen Lebensweise». Dabei seien sich die wenigsten bewusst, was «natürlich» tatsächlich bedeuten würde: eine Frau hätte durchschnittlich sieben Kinder. Dr. Fiala zeigt sich besorgt, dass die «mediale Angstmacherei» lang erkämpfte Errungenschaften wie die Selbstbestimmung der Frau über ihre Fruchtbarkeit und der Fokus auf die individuellen Wünsche und Ansprüche an das Leben in den Schatten stellen würden. Denn Frauen müssen sich entscheiden: Entweder sie kontrollieren ihre Fruchtbarkeit oder ihre Fruchtbarkeit kontrolliert ihr Leben.

Ich erzähle, dass ich mir vor kurzem die Kupferspirale einsetzen lassen habe, weil ich keine hormonelle Einwirkung auf meinen Körper haben wollte. Seither plagen mich unheimlich starke Regelschmerzen und eine viel stärkere Blutung. Ich verhüte also natürlich und erschwere mir damit meinen Alltag – das kommt mir ungerecht vor. Dr. Fiala ist der Meinung, Frauen sollten ein Leben führen dürfen, in dem durch die Periode ausgelöste körperliche Unbefindlichkeiten nicht zu viel Platz einnehmen müssen. Vielleicht hat er Recht?

Melody Pasanideh lebt in Wien.

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