Man nennt mich jetzt Debütantin. «Unschuldig», schimpfen sie mich und «unverdorben». Wahnsinnig «erfrischend» finden sie dies, die selbsternannten alten Säcke des Literaturzirkus, neben die ich bei Veranstaltungsnachtessen gesetzt werde. Und die Hausfrauenautorinnen, die sich von dem Haufen Liebesromane-Geld SUVs und Gin Tonics kaufen, lächeln süsslich: «Wie nett von den Veranstaltern, dass sie auch so junge Leute einladen.» Was sie eigentlich sagen: Dich kennt keine Sau. Und: Wir reissen dir den Kopf ab, wenn du versuchst, uns einzuholen. Ohne Umschweife wird sofort eruiert, wie nah oder weit entfernt meine Verkaufszahlen von den ihrigen sind. Und weil ich davon keine Ahnung habe, atmen sie auf und machen wieder einen auf Onkel.

So versuchen sie dich dann zu verderben, dich hineinzuziehen in ihre Misere der Amazon-Rankings. «Schau», sie zücken ihr Smartphone, «ich bin heute nur auf Platz 324. Und du? Wie heisst dein Buch? Och, Platz neunhunderttausendmillionen. Naja, lass dich davon nicht runterziehn.» Es macht ihnen grosse Freude. Dabei wissen sie nicht mal, welchem System sie da so ihre täglichen Launen unterwerfen. Als es eine junge Autorin, die Informatik studiert, erklärt, machen die alten Säcke erst «nein nein nein». Aber als für die Non-digital-natives geduldig wiederholt wird, werden sie ganz klein und leise: «Du weisst es ja wirklich mit dieser Informatik.»

Und klagen schnell weiter: Wir würden es schon noch merken, solche Festivals seien schrecklich, ein ständiges Spähen und Spionieren auf Büchertisch und Bestsellerlisten: Wer verkauft mehr? Und sie fangen an zu lästern über alle, die nicht da sind. Die hat der Erfolg verändert, früher waren sie noch lustig, aber heute… Alle Anwesenden mag man gern, ausser diejenigen, die bereits abgereist sind – die waren langweilig und haben bei der Lesung überzogen. «So schade, dass man sich bald verabschieden muss, wir bleiben in Kontakt, halt mich auf dem Laufenden, ja?»

Ich fahre nachhause und denke: Zum Glück ist unsere Generation da ganz anders. Wir arbeiten miteinander, kollaborieren, konferieren, vernetzen uns; wir liken gegenseitig unsere kleinen und grossen Erfolge.

– Wirklich? Ich ertappe mich selber, wie ich durch Buchhandlungen schleiche, mein Cover suche und seinen Platz evaluiere. Mich aufrege, dass der Roman von xy bei «Besonders lesenswert» steht und nicht meiner. An den Schweizer Literaturzirkustagen sitze ich auf der Bank und mustere argwöhnisch die, die im Gegensatz zu mir eingeladen wurden. Neben mir sitzt ein anderer Autor. Wir machen Konversation: «Hast du nicht auch ein neues Buch?» «Doch.» «Wurdest du nicht eingeladen?» «Nein.» «Scheisst es dich nicht auch mega an?» «Nein… Also eigentlich doch!» Wohltuend, gegenseitiges Wundenlecken. Dann trinken wir das Bier aus und schütteln den Kopf. Schon sind wir wie die Alten! Dabei wollten wir es doch anders tun.

Wir heben die frischen Gläser und prosten: Konkurrenz macht nur der Markt aus uns. Und solange wir keine SUVs brauchen, kann der uns recht egal sein.

Michelle Steinbeck ist Autorin und Redaktorin der Fabrikzeitung.

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