1934 – Diane di Prima wird am 6. August in Brooklyn geboren. Ihre Eltern, italienische Einwanderer der zweiten Generation, sind geradezu ängstlich bemüht, ihr die gesellschaftlichen Werte – und vor allem die Geschlechterrollen ihres Umfelds – einzuprägen. Anders die Grosseltern: Der Grossvater mütterlicherseits ist aktiver Anarchist und hochgebildet, von der Grossmutter lernt sie früh, dass es die Frauen sind, die – obgleich sie genauso visionäre Denkerinnen sein können wie die Männer – das Leben im Alltag am Laufen halten und physische, emotionale und spirituelle Nahrung geben.

1948 – Besuch der Hunter High School in Manhattan, einer öffentlichen Eliteschule für Mädchen in New York. Dort sind spätere Dichterinnen wie Audre Lorde und Joyce Johnson ihre Klassenkameradinnen, mit denen sie durch die Bibliotheken und Coffee Bars streift und ihre Liebe zur Kunst weiter vertieft.

1951 – Auch mathematisch hochbegabt, geht sie nach Abschluss der Highschool ans Swarthmore College, um Physik zu studieren, wird jedoch enttäuscht von der Enge und Beschränktheit der Bildung, die ihr dort geboten wird.

1953 – Diane bricht das Studium ab, zieht nach Manhattan und widmet sich ganz dem Schreiben. Um diesen Schritt tun zu können, muss sie auf die Unterstützung ihrer Eltern verzichten. Die nächsten Jahre hält sie sich mit verschiedensten Jobs über Wasser und arbeitet nachts an ihren Gedichten. Sie saugt Wissen auf, wo immer sie es finden kann: in Museen, in den öffentlichen Bibliotheken und in Diskussionen mit einem rasch wachsenden Freundeskreis.

1955 – Sie besucht Ezra Pound zwei Wochen lang täglich im St. Elizabeth’s Hospital in Washington, D.C. Während sie in Greenwich Village lebt, wird di Prima Teil der intellektuellen Bohème. In dieser Phase löst sie sich endgültig von der beengten Welt ihrer Kindheit.

1956 – Sie korrespondiert mit Lawrence Ferlinghetti und Allen Ginsberg, trifft den Choreographen James Waring und beginnt, Zen-Buddhismus zu studieren.

1957 – Diane lernt Ginsberg, Kerouac, Orlovsky und andere Autoren der Beat Generation persönlich kennen; sie werden zu ihren engen Freunden. Zur selben Zeit beschliesst sie, dass sie ein Kind haben möchte – heiraten will sie jedoch nicht. Ihr Entschluss trifft auf heftigen Widerstand, nicht nur in ihrer Familie, sondern auch bei ihren Freunden, die befürchten, ein Kind werde das Ende ihrer dichterischen Laufbahn bedeuten. Sie lässt sich jedoch nicht beirren, und am 28. Oktober wird ihre erste Tochter Jeanne di Prima geboren; der Vater ist der spätere Philosophieprofessor Stefan Baumrin. In dem Entschluss, sowohl Künstlerin als auch Mutter zu sein, drückt sich Dianes lebenslange Einstellung aus, dass Kunst und Leben einander nicht ausschliessen müssen, ja niemals ausschliessen dürfen – dass Kunst niemals als Rechtfertigung oder Ausrede für den Mangel an menschlichen Qualitäten wie Liebe, Freundschaft, Fürsorglichkeit und Verantwortung dienen darf.

1958 – Dianes erster Gedichtband «This Kind of Bird Flies Backward» erscheint in LeRoi Jones’ Totem Press. Sie arbeitet mit Jones und seiner Frau Hettie zusammen an der Herausgabe der Zeitschrift Yugen, wird LeRoi Jones’ Geliebte und erfährt, dass diese Rolle auch in ihrem angeblich so freigeistigen Umfeld eine bittere ist: Donald Allen, Herausgeber der Anthologie New American Poetry, weigert sich, ihre Gedichte darin aufzunehmen, um einen Konflikt mit Hettie Jones und deren Freunden zu vermeiden.

1961 – Zusammen mit LeRoi Jones, Fred Herko, James Waring and Alan Marlowe organisiert sie das New York Poets Theatre. Gemeinsam mit LeRoi Jones gibt sie The Floating Bear heraus, ein hektographiertes Heft, das nur per Post vertrieben wird und von dem bis 1969 insgesamt 37 Nummern erscheinen. Nach dem Ausstieg von LeRoi Jones nach knapp zwei Jahren betreibt sie das Little Mag alleine weiter. Im gleichen Jahr erscheint ihr erstes Prosa-Buch mit dem Titel «Dinners and Nightmares». Diane wird gegen den Willen von LeRoi Jones schwanger, was der Beziehung ein Ende setzt.

1962 – Diane heiratet den Schriftsteller Alan Marlowe. Sie liebt ihn nicht, die Ehe wird aus praktischen Gründen geschlossen. Am 4. Juni wird Dominique di Prima (die gemeinsame Tochter mit LeRoi Jones) geboren. In ihrer Autobiographie beschönigt di Prima die Zeit mit Marlowe nicht, obwohl diese Jahre sie als Gefangene der Konventionen zeigen und nicht als den Freigeist, der sie sein will. Dennoch hört sie nie auf, an ihrem eigenen Werk zu arbeiten.

1963 – Geburt des Sohnes Alexander Marlowe am 12. August.

1964 – Diane und Alan gründen die Poets Press in New York City, die sie bis 1969 betreiben. In diesem kleinen Verlag drucken und publizieren sie die Werke vieler junger Zeitgenossen, darunter die ersten Bücher von Audre Lorde, Herbert Huncke, David Henderson und Clive Matson. Dianes enger Freund Fred Herko begeht Selbstmord.

1965 – Das Poets Theatre wird geschlossen. Diane und Alan ziehen in Rammurti Mishras Ashram in Monroe, NY.

1966 – Diane und Alan ziehen nach Kerhonkson, NY. In der ländlichen Einsamkeit, abgeschnitten von allen Freunden, wird der Dichterin bewusst, dass das Leben, das sie in der New Yorker Bohème gekannt hat, endgültig vorbei ist – ihre engen Freunde Freddie Herko und Frank O’Hara sind tot, andere haben geheiratet und sind in alle Winde verstreut. Im gleichen Jahr verbringen sie und Alan einige Zeit in Timothy Learys experimenteller psychedelischer Kommune in Millbrook, NY. Diane druckt und veröffentlicht die beiden ersten Ausgaben von Learys «Psychedelic Prayers».

1967 – Gemeinsam mit Alan, zweien ihrer Kinder, zwei Welpen und einem Ex-Marine namens Zen reist Diane in einem alten Volkswagenbus 20‘000 Meilen kreuz und quer durch Amerika, um Lesungen in Bars, Tanzlokalen, Ladeneingängen, Colleges und Galerien zu veranstalten. Diese Campingreise bringt Diane in Kontakt mit einer anderen Welt: Die vom harten Leben der Beats und von politischen Ideen geprägte Dichterin wandelt sich zu einer sanfteren Hippie-Poetin, die ihre Liebe zur Natur und zu den Menschen entdeckt. Am 23. Dezember wird ihre Tochter Tara Marlowe geboren.

1968 – Diane trennt sich von Marlowe und zieht nach San Francisco, wo sie mit der radikalen Theater- und Aktivistengruppe Diggers zusammenarbeitet, die im Haight-Ashbury-Viertel tätig ist und versucht, eine Gegengesellschaft ohne Geld und ohne Kapitalismus zu schaffen. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern wie Peter Coyote, Lenore Kandel und Emmet Grogan verteilt Diane im Golden Gate Park kostenloses Essen an Obdachlose und bringt improvisierte Theaterstücke auf die Bühne. Während dieser Zeit entsteht der stark von politischen Inhalten geprägte, Bob Dylan gewidmete Gedichtband «Revolutionary Letters» («Revolutionäre Briefe», dt. v. Rolf Thut, Eco, Zürich 1981). Gleichzeitig vertieft sie sich intensiv in das Studium des Zen-Buddhismus und beschäftigt sich mit Okkultismus, Sanskrit, Gnostizismus und Alchemie. Inzwischen ist die Mutter von mittlerweile fünf Kindern eine der führenden Stimmen der Hippie-Bewegung geworden. Während dieser hektischen und teilweise chaotischen Phase ihres Lebens hat sie es geschafft, mehrere Bücher zu schreiben, eine Offset-Presse zu kaufen, Bücher zu drucken, zahlreiche Zeitschriften (mit) herauszugeben, einen grossen Haushalt zu führen, ihre Kinder zu erziehen, komplizierte persönliche und literarische Beziehungen in der Waage zu halten, den Tod enger Freunde zu verkraften – und dabei nicht nur zu überleben, sondern sich künstlerisch wie persönlich zu entwickeln und zu gedeihen.

1969 – Die Ehe mit Alan Marlowe wird geschieden. Diane studiert am Tassajara Zen Mountain Center. In der Olympia Press, die neben der Avantgarde vor allem Pornos verlegt, erscheint das autobiografische Buch «Memoirs of a Beatnik» – es wird zum erotischen Porträt der Beat Generation und zu einem Underground- Klassiker. «Memoirs of a Beatnik» ist bis heute Diane di Primas berühmtestes Buch und wird in mehrere Sprachen übersetzt.

1970 – In Tassajara trifft sie den tibetischen Lehrer Chögyam Trungpa Rinpoche, der für sie und andere Beat Poeten zu einer zentralen Figur werden wird.

1971 – Am 17. September kommt ihr und Grant Fishers
gemeinsamer Sohn Rudra (Rudi) zur Welt. Sie beginnt die Arbeit an dem langen Gedicht «Loba». Von 1971 bis 1975 ist Diane häufig auf Reisen für das Programm «Poetry- in-the-Schools»-Programm. Sie durchquert den gesamten Westen, von Indianerreservaten in Arizona bis zu Besserungsanstalten in Minnesota, und bringt Literatur zu Menschen, die wenig oder gar keinen Zugang zu Büchern haben. Nach dem Grossstadtleben lernt sie hier eine andere Art von Zähigkeit kennen, die daraus resultiert, in einem harschen Land überleben zu müssen. Während dieser Zeit entdeckt sie auch ihre Begabung und ihre Liebe für das Lehren, die sie von da an konsequent weiterverfolgt.

1972 – Heirat mit Grant Fisher. Diane gründet den Verlag Eidolon Editions, in dem auch ihr Buch «The Calculus of Variation» erscheint.

1973 – Di Prima zieht nach Marshall, Kalifornien, nahe Point Reyes, wo sie die Eidolon Editions weiterführt.

1974 – Zusammen mit Anne Waldman und Allen Ginsberg gründet sie die Jack Kerouac School of Disembodied Poetics an der Naropa University in Boulder, Colorado. Sie lehrt dort jedoch nur im Eröffnungssemester.

1975 – Scheidung von Grant Fisher.

1978 – Di Primas Hauptwerk «Loba» erscheint zum ersten Mal (Buch 1, Teile 1 bis 8) und wird von einigen als feministisches Gegenstück zu Ginsbergs «Howl» bezeichnet. Diane ist Mitbegründerin des Gold Circle, einer Gruppe von Künstlern, die sich für Meditation, Visualisierungen und magische Praktiken interessieren. Sie lernt den Künstler und Heiler Sheppard Powell kennen.

1980 – Diane fährt fort, sich mit nicht-traditionellen Unterrichtsmethoden zu beschäftigen. Zusammen mit anderen Schriftstellerinnen und Schriftstellern gründet sie das «Masters in Poetics Program» am New College of California. Bis 1986 lehrt sie dort hermetische und esoterische Traditionen in der Dichtung. Ebenso unterrichtet sie eine Zeit lang am California College of Arts and Crafts und am San Franciso Art Institute.

1983 – Gemeinsam mit Janet Carter, Carl Grundberg und Sheppard Powell gründet sie das San Francisco Institute of Magical and Healing Arts, an dem sie bis 1992 Unterweisung im Tarot gibt, die Kunst des Heilens und westliche spirituelle Traditionen unterrichtet. Nach mehr als 20 Jahren Praxis des Zen-Buddhismus wendet sich Diane dem Tibetischen Buddhismus zu und wird Schülerin von Chögyam Trungpa Rinpoche.

1988 – Bei Eidolon Editions erscheinen die Gedichte der Wyoming Series mit Zeichnungen der Autorin.

1990 – «Pieces of a Song. Selected Poems» erscheint bei City Light Books (in der Stadtlichter Presse, Wenzendorf, erscheint «Fragmente eines Lieds» 2011 in Judith Pougets Übersetzung, mit einem Vorwort von Robert Creeley).

1993 – Diane erhält den Lifetime Service Award von der National Poetry Association.

1994 – Diane ist Artist in Residence am Atlantic Center for the Arts und erhält den Aniello Lauri Award für kreatives Schreiben.

1998 – Bei Penguin Books erscheint «Loba» zum ersten Mal in seiner Gesamtheit (Buch 1 und 2, Teile 1 bis 16).

1999 – Diane erhält das Ehrendoktorat für Literatur von der St. Lawrence University, Canton, NY.

2000 – Diane lebt mehrere Monate in Chicago, während sie ein Semester lang am Columbia College als Master Poet in Residence unterrichtet.

2001 – Der zweite Teil ihrer Lebenserinnerungen, «Recollections of My Life as a Woman», erscheint bei Viking Press. Zum ersten Mal wird eines ihrer Werke von einem grossen kommerziellen Verlag veröffentlicht.

2006 – Diane erhält den National Poetry Association’s Lifetime Service Award und den Fred Cody Award for Lifetime Achievement

2009 – Diane di Prima wird zum Poet Laureate von San Francisco ernannt.

2013 – Dianes Gesundheit ist schwer beeinträchtigt.
Nach Angaben ihrer Familie leidet sie an Parkinson und am Sjögren-Syndrom, einer Autoimmunerkrankung, die vor allem Speichel- und Tränendrüsen angreift und den ganzen Körper in Mitleidenschaft zieht, sowie an grünem Star, was ihre Sehkraft schwinden lässt.
Amber Tamblyn, eine ihrer Schülerinnen, gründet einen Unterstützungsfonds, um die Arztkosten tragen zu helfen. Auch das Center for the Humanities an der City University of New York trägt zu den Behandlungskosten bei.

2014 – Bei City Lights erscheint ihre letzte grössere Gedichtsammlung «The Poetry Deal».

2017 – Diane muss aufgrund ihrer schlechten Gesundheit in ein Pflegeheim ziehen. Sie schreibt bis zum Ende ihres Lebens Gedichte, auch wenn sie diese manchmal wegen ihrer Arthritis diktieren muss.

2020 – Am 25. Oktober stirbt Diane di Prima im Alter von 86 Jahren – nach einem langen und in jeder Hinsicht aussergewöhnlichen Leben abseits der Konventionen. Ihr Partner Sheppard Powell, mit dem sie über 40 Jahre lang zusammen war, ist an ihrer Seite. Weder die nationale und internationale Öffentlichkeit noch die akademische Welt nehmen von di Primas Tod viel Notiz. Sie habe ihre lange Krankheit mit der gleichen Diskretion und der gleichen Stille ertragen, mit der die Welt nun auf ihren Verlust reagiere, schreibt die spanische Autorin Luna Miguel in ihrem Nachruf. Doch Diane di Prima war für viele ihrer Zeitgenossinnen und -genossen eine grosse Inspiration, eine gute Freundin und Zuflucht in der Not. Sie veröffentlichte über vierzig Bücher, ihre Werke wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Laut Sheppard Powell hat sie zudem zahlreiche Werke in verschiedenen Stadien der Fertigstellung hinterlassen. Sie wird bewundert, geliebt und in Erinnerung bleiben.

Judith Pouget
(Übersetzung und Ergänzung der Chronologie aus
Diane di Prima: Pieces of a Song, City Lights, San Francisco 1990)

Judith Pouget lebt und arbeitet seit 1987 als Texterin, Übersetzerin und freie Lektorin in Linz. In der Reihe Heartbeats der Stadtlichter Presse, Wenzendorf, erschienen ihre Übersetzungen von Diane di Prima, LeRoi Jones, Herbert Huncke, Allen Ginsberg, Denise Levertov u.a.m. Derzeit hat Judith Pouget Michael McClures «Fragments of Perseus» in Arbeit.