Der fachliche Diskurs über Design wird beherrscht von Lobpreisungen der ästhetischen, kommerziellen und zuweilen evolutionären Erfolge von Design. Die Bedeutung des frei beweglichen Daumens für die Entwicklung der menschlichen Intelligenz, der Einfluss grafischer Benutzeroberflächen auf den Siegeszug des Computers oder die allgemeine Wertsteigerung von Produkten durch herausragendes Design verweisen immer wieder auf die Rolle von

Spieglein Spieglein in der Hand

Die Renaissance. Die Reformation. Die Ära des Indivi­duums. Der Dreissigjährige Krieg. Ohne den Buchdruck hätte es diese Errungenschaften und Katastrophen nicht gegeben. Dass die Gutenberg-Revolution einen derart ­tiefgreifenden Umbruch auslöste, hat allerdings auch mit ­einem anderen, viel banaler – und eitler – wirkenden ­Objekt zu tun: dem Handspiegel. Durch Fortschritte in der Glaserzeugung wurden ab dem 13. Jahrhundert kleine

Die Ästhetik der Vernichtung

Waffen sind Vorbild und Inbegriff des ­modernen funktionalen Designs – auch die Informationswaffen. Waffen und Waffensysteme wie Kampfflugzeuge, Panzer, Kriegsschiffe, Artillerie, Gewehre sowie deren Munition, also Kugeln, Raketen oder Bomben, sind hoch ästhetisch; zugleich schön und extrem funktional. Das macht ihre Attraktivität aus und lässt sie zu einem Fetisch werden. Waffen werden seit ihrer ersten

Gendergaga
design

Sie sagen «Hier gehörst du nicht rein». Sie fragen «Bin ich auf der falschen Toilette?». Sie versichern sich «ah nein, ich bin auf der richtigen Toilette… Äxgüsi, sind Sie e Frau oder e junge Maah?». Sie bedrohen «Hesch du e Schwanz oder was machsch du do?». Sie spotten «Hets bide Fraue wiedermau zweni WCs?». Sie

Die Stadtführerin

Ich habe gerade einen Stadtführer geschrieben. Für die Stadt, in der ich wohne. Die Idee für diesen Stadtführer kam nicht von mir. Das Konzept dafür gibt es schon lange. Der Guide ist Teil einer ganzen Reihe von Stadtführern, die alle nach demselben Prinzip funktionieren. Ich wurde nur dafür angefragt. Die Herausgeberin sucht sich für jede

Das 4-Stern-Hotel

«Wie scho gsäit bin ich de Peter», sagt Peter. Der Surprise-Stadtführer zeigt den Kreis 1, wie man ihn selten wahrnimmt: von unten. Statt auf Touristenshops und Boutiquen achtet man auf seiner Führung auf Anlaufstellen und Orte, wo man hinkann, wenn man wenig oder nichts hat. «Ein Züri, das die wenigsten kennen.» Als ich Peter sage,

Die Unwirtlichkeit der virtuellen Wirklichkeit

In den 2000ern war es en vogue sich mit Herman Melvilles Erzählung «Bartleby, The Scrivener» zu beschäftigen. Meistens ging damit ein dem postmodernen Denkstil geschuldetes Misreading einher. Bartleby wurde als eine widerständige Figur gelesen. Seine Widerständigkeit bestünde in dem hartnäckigen Nicht-Mitmachen. Dieses artikulierte sich auf der sprachlichen Ebene in der berühmten Formel «I would prefer

Die Kaltmamsell

Erst vor wenigen Wochen führte mich an einem späten Februarnachmittag eine Reihe von Zufälligkeiten zu einer von seinen Veranstaltern mit aller Nachdrücklichkeit als «sehr exklusiv» beworbener Soirée in der Stockholmer Innenstadt. Ich hatte gerade eine Arbeit abgeschlossen, die einiges an geistiger Musse einfordert hatte und deren Ergebnis dennoch völlig bescheiden ausfiel, und so erlaubte ich