Ob Fürstenroman, Netflixserie oder Klatschpresse: Geschichten über sogenannte Royals erfreuen sich grösster Beliebtheit. Aber worin liegt die Faszination für Prinzen, Fürstinnen, Gräfinnen, Könige und andere Hoheiten im Jahr 2022? In dieser Ausgabe umkreisen zehn Autor*innen diese Frage, rund um das Thema Adel. 

Die Sonne scheint, die Queen scheint

Ich weiss nicht, ob die Queen noch lebt, wenn diese Ausgabe erscheint. Ich rechne nicht damit. Aber ich rechne schon seit Jahren mit ihrem baldigen Ableben. Seit ebenso vielen Jahren arbeite ich an ihrem Nachruf. Ich habe noch nie so lange an einem Nachruf geschrieben. Nicht einmal an dem für H.R. Giger. Der war schon auch

Adern

Als sie die Tür öffnet, empfängt mich ein fragender Blick aus Augen, die mir früher mit Liebe begegneten. Heute erkennt sie mich nicht. Ich sage: Ich komme zum Putzen. Sie schlägt die Hände zusammen. Stimmt, ich sei ja die, die zum Putzen komme. Sie bleibt unsicher und trotzdem scheint sich etwas in ihr ehrlich zu

Die letzte Fürstin von Imst

Das Auge lag über ihnen, dunkel und drohend, es würde bald wieder hervorbrechen, Wasser, das sich seit Tagen in Kaskaden über ihnen ausgoss, denn hatte es sich einmal festgebissen, das Adriatief, dann liess  es erst wieder ab, wenn die kärntnerischen Hänge in Muren zerflossen und jeder Fetzen Stoff im Zelt den trägen Geruch von Schimmelsporen verströmte.

Die Verbringung des Schweizer Goldes durch Costalena Rauch

Eine Frau müht sich im Wald mit zwei braunen, schweren Ledertaschen ab, die sie an deren Lederriemen über die Schultern trägt. Zusätzlich hält sie die Lederriemen an den Schultern mit den um die Lederriemen geschlossenen Fäusten fest, damit diese nicht wegen der schlingernden Taschen abrutschen. Es ist ein mühseliges Fortkommen. Auf einmal taucht aus dem

Berns berufene Söhne

Im Jahr 2022 heisst der höchste Berner mit Nachnamen von Graffenried, so wie das schon ab 1590, 1623, 1651 und 1700 der Fall war. Bevor er von seinen Untertanen auf seinem Ross und auch sonst bewundert wurde, war er ein ganz normaler Patrizier. Denn ja, in Bern liebt und lebt man die Beständigkeit. Eines der

Arischtokratii u Wahnsinn

Si si Arischtokrate u Bluetsuger gsi. Das hätt ke grossi Roue gspiut, wäre si nid us däm Vampirfium trolet. Dass es sowit het müesse cho, isch nid iri Schuud gsi, sondern e grobe Fähler vom ene Nachwuchsregisseur. Wäge däm si di zwo dunkle Gstaute im Mittuland glandet u stüürchle itz i Samt u Side kleidet dür

Bey fuss, Volk!

Adelige Hundstage Meyne Arbeyt erfordert durchaus Spitzengefühl. Die ersten Monate verbrachte ich in der Schweyz[1], wo man meine grosse Bestimmung gottellob früh genug erkannte, und mich beyleibe förderte. Eine kleinere nordalpine Odyssey führte mich von der Margarethe von Nassau zur Mechthild von Geldern[2], wo ich aber nicht bleyben konnte. Zu diplomatyschen Diensten versandt, ist dem

Von Wegen

Am schönsten ist es eigentlich, wenn es nichts zu berichten gibt. Ausser man ist der, der berichten soll, dann hat man schon ein Problem. Vesper war den ganzen Vormittag über nervös, nichts brennt ihm so unter den Nägeln wie hiesige Ereignislosigkeit. Er hat sogar die Konferenz vorgezogen, was kein Problem ist, weil ja niemand an

Komplexe Komplexe

Da bekomme ich zum ersten Mal eine Anfrage aus der Roten Fabrik für einen Text. Und dann ist das Thema: Adel. Adel? Für die Fabrikzeitung. Seriously? Gleichzeitig stelle ich fest, dass ich mich durch einen Text in der Fabrikzeitung geadelt fühlen würde. Klingt verdächtig nach einem begrabenen Hund. Und eigentlich schreibe ich doch meistens wegen