Liebes PJZ, als eine zukünftige Nachbarin möchte ich dich darüber informieren, dass die Stimmung hier nicht zu deinen Gunsten ist. Die Menschen, die in deinem zukünftigen Schatten leben werden, fürchten sich vor dir. Ich wollte herausfinden, warum das so ist und habe eine Umfrage durchgeführt. Ängste, die genannt wurden, betrafen etwa die grosse Verkehrsbelastung, die durch ein plötzliches Mehr von rund 1’800 täglich pendelnden Staatsbeamten unumgänglich sein wird. Die Luft wird schlechter und die Strassen werden gefährlicher werden. Viele befürchten auch mittägliches Littering in unserem Innenhof. Natürlich könnten die hier lebenden Kinder den Müll einsammeln und daraus mit flinken Fingern Gebrauchsgegenstände fertigen und verkaufen, aber ganz so arm sind wir nicht. Und da die Kinder hier nicht arbeiten müssen, schätzen sie nach einem anstrengenden Schultag einen sauberen Innenhof.

Oft wurde auch die Angst vor Überwachung genannt. Dass du, liebes PJZ, ganz besonders geschützt werden wirst, ist Tatsache. Dass dies auch durch eine Überwachung deines nahen Umfeldes geschehen wird, ist wohl ebenfalls Realität. Und dass das die Menschen hier nicht freut, ist nachvollziehbar.

Manche Nachbarn stimmt es nachdenklich, dass dein Bauplan derart geheimgehalten wird. Sie sagen, das sei ein Indiz dafür, dass du den Geheimdienst beherbergen wirst. Das finden sie gefährlich. Ich muss gestehen, dass ich mich darauf freue, wenn Kantonalgeheimdienstler nach heiklen Spionageeinsätzen im hinterlistigen Uri oder im bösartigen Bern in ihren blau-weissgespritzen Ferraris mit verdunkelten Scheiben im PJZ in die Geheimgarage fahren, um danach hinter einem zur Seite rollenden Büchergestell voller Bundesordner wieder zum Vorschein zu kommen.
Abschliessend wollte ich in meiner Umfrage wissen, was du, liebes PJZ, tun könntest, damit es zwischen dir und uns trotz allem eine schöne Nachbarschaft werden kann. Vor allem fand die Idee eines Tages der offenen Tür Anklang. Viele würden sich freuen, das gesamte Gelände besichtigen und eine Spritzfahrt im Polizeiauto mit Sirene machen zu können. Ein besonderes Highlight wären auch diverse Prominente in Uniform, etwa Lys Assia, Vujo Gavric oder auch Corine Mauch. Ein anderer, etwas speziellerer Wunsch waren offene Sitzkreise, in denen Polizisten sitzen, einander einen Wollknäuel weitergeben und erzählen, warum sie Polizist wurden. Jemand mit Flair für Paraden wünschte sich eine Vielzahl an solchen: Eine Parade der berittenen Polizei, eine der Inline-Skates-Polizei, eine der Velo-Polizei, eine der Segway-Polizei, natürlich die Parade der Polizeimusik, der Hundepolizei, der Hundepolizeimusik und des Kantonalen Geheimdienstes. Die bewaffnete Polizei darf auf eine Parade verzichten, das ist zu laut, zu gefährlich und macht niemandem hier Spass. Die Polizeischule sollte viele Menschenpyramiden machen und dabei lustig durcheinander purzeln. Ein spezifischer Wunsch richtet sich ausserdem an Staatsanwalt E.L., der in seinem jetzigen Büro einen Plüschbärenkopf an die Wand gehängt hat. Er soll am Tag der offenen Tür bitte selbst einen Plüschbärenkopf tragen, mit einer blinkenden Sirene oben drauf, und den Besucherinnen und Besuchern gegrillte Fische anbieten. Die Verpflegung darf allgemein gerne reichhaltig sein, wir bezahlen ja mit unseren Steuern dafür.

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern, studierte Filmwissenschaften, Drehbuch und Literarisches Schreiben in Zürich, Ludwigsburg und Biel. Gründete 2013 zusammen mit dem Künstler Simon Krebs das Büro für Problem.