Female Rap! Von Roxanne Shanté über Cardi B und Nicki Minaj bis Sa-Roc: Eine kleine Geschichte von Ermutigungssongs aus verschiedenen Ecken und Epochen des Hip-Hop-Kosmos.

Said, «Lil bitch, you can’t fuck with me if you wanted to» (ooh)
These expensive, these is red bottoms, these is bloody shoes (ooh)
Hit the store, I can get ‚em both, I don’t wanna choose (bah)
And I’m quick, cut a nigga off, so don’t get comfortable, look (ooh)

I don’t dance now, I make money moves (wave, ayy)
Say I don’t gotta dance, I make money move (ooh, ooh)
If I see you and I don’t speak, that means I don’t fuck with you (ah)
I’m a boss, you a worker, bitch, I make bloody moves (bags)

Now she say she gon‘ do what to who? Let’s find out and see
Cardi B, you know where I’m at, you know where I be (ooh, ooh)
You in the club just to party, I’m there, I get paid a fee (bah)
I be in and out them banks so much, I know they’re tired of me
Honestly, don’t give a fuck ‚bout who ain’t fond of me (who)
Dropped two mixtapes in six months, what bitch working as hard as me? (yeah)

(Cardi B, «Bodak Yellow», 2017, Auszug)

In den meisten journalistischen Formaten ist es völlig unangebracht, wenn sich Urheber selber in den Vordergrund drängen. Im Rap hingegen ist es quasi eine Notwendigkeit. Ganz sicher gilt das für die weiblichen Rapper. Wer da nicht markiert, ist inexistent. Lolita Shanté Gooden, ein Mädel von gerade mal 14 Jahren aus Queens, sah ihre Chance gekommen, als sie den Song «Roxanne Roxanne» von der Gruppe U.T.F.O. aus Brooklyn hörte. Sie konnte Produzent Marley Marl überzeugen, mit ihr eine Antwort aufzunehmen, in der sie sich als jene Roxanne aus dem Song ausgab. Der Track hiess «Roxanne’s Revenge», das Jahr war 1984 und die Karriere von Roxanne Shanté von der Juice Crew war lanciert.

Im Jahr 2018 liegen sich gerade die zwei derzeit wohl erfolgreichsten Hip-Hop-Künstlerinnen in den Haaren: Cardi B und Nicki Minaj. Es geht um Neid und Missgunst, verletzte Ehre, und als Wurfgegenstand eingesetzte High Heels – und erinnert damit an zwei Grössen der Neunzigerjahre: Foxy Brown und Lil Kim. Derzeit sieht so aus, als würde Cardi B, bürgerlich Belcalis Marlenis Almánzar, 25, dominikanischer Abstammung, aufgewachsen in der Bronx, gegen ihre wesentlich erfahrenere Kollegin die Überhand behalten.

Rein imagetechnisch liegen die beiden nicht sehr weit auseinander: Beide lieben die Überzeichnung, beide lieben die sexuellen Anspielungen, beide wollen alles erreichen. Ihre Musik ist eine popkulturelle Zuckerbombe. Latin-Versatzstücke, Dance-Pop, schrille Samples, talentfreie Kollaborateure aus der Popwelt – alles darf ausprobiert werden, alles ist erlaubt.

Trotzdem verteidigen sie beide mit Händen und Füssen ihre Hip-Hop-Integrität. Auf jedem Nicki-Minaj-Album sind ein paar klassische Rapstücke. Aktuell lebt sie mit der Single «Barbie Dreams» – eine Hommage an «Just Playin’ (Dreams)» von Notorious B.I.G. – ihre Battle-Rap-Fantasien aus. Ihre Selbstermutigungsstrategie sieht immer wieder die Reibung mit allen männlichen Kollegen vor.

Cardi B ist als Stripperin bekannt geworden. Heute ist sie eine respektierte Rapperin, die genau wegen ihrer Mischung aus Laszivität, Unbekümmertheit und Schlagfertigkeit geliebt wird. Sie gibt sich in Interviews wie die überzeichnete Version einer coolen Nagelstudio-Tusse, die immer genau weiss, was zu sagen ist. Sie kann gurren wie eine Taube, sie kann schnurren wie eine Katze – und sie kann rappen. Rappen mit Nachdruck. Dass sie eine der bekanntesten Striptease-Tänzerinnen New Yorks war, hat sie mit völliger Transparenz zu ihrem Vorteil umgemünzt. Während ihrem diesjährigen Auftritt am Coachella Festival war sie von einem Stangengerüst umgeben, auf dem permanent Pole Dance betrieben wurde.

Ihr Song «Bodak Yellow» ist einer der grössten Hits der Hip-Hop-Geschichte der letzten Jahre. Alleine in den USA verkaufte er sich über sechs Millionen Mal. Seiner Urheberin bescherte er den ersten Nr. 1 Erfolg einer Rapperin seit den grossen Tagen von Lauryn Hill in den Neunzigern. (Einzig die breite Schweizer Öffentlichkeit hat den Song – oh Wunder – nicht wirklich gewürdigt. Er erreichte nur Platz 74 in der Schweizer Hitparade.) Seine Form: Battle Rap. Sein Inhalt: ein Manifest der Überlegenheit. Seine Wirkung: Ermutigung par excellence. Das ultimative Statement ihr Ding durchzuziehen. Dass ihre Kontrahentin Nicki Minaj die weitaus bessere Rapperin ist, spielt da keine Rolle mehr.

Alles schön und gut. Nicki Minaj und Cardi B sind spannende Phänomene. Man sollte auch unbedingt ein paar Talkshow-Auftritte von Letzterer gesehen haben, um den ganzen Hype zu verstehen. Die sind fast noch besser als die Musik. Aber ist es auch im Jahr 2018 noch möglich, zu ermutigen, ohne immer gleich eine dicke Glasur Materialismus und sexuelle Überdeutlichkeit aufzutragen? Gibt es Nachfolgerinnen von Monie Love, von Queen Latifah, von Lauryn Hill, von Bahamadia, von Jean Grae?

Die Antwort lautet: Ja, klar! Zum Beispiel: Sa-Roc und Dynasty. Zwei US-amerikanische Rapperinnen aus Washington D.C. und Queens.

When I wake up, no makeup, half naked, I feel like I’m the shit
Pardon my language, but hang ups do not define the kid
No, I’m not flawless, I’m scarred up and I’m fine with it
My body art a laundry list of all of life’s unkindnesses
But – I still sip tea and chant om, and live free, cuz
hardships and heartbreaks, turn to rap epiphanies
And mom told me stay woke cuz all gold ain’t glistening
Choose your words wisely cuz the all knowing’s listening
But, no worries. I’m Gucci
My thighs a lil juicy, my dialogue lil awkward,
my idols still move me
My life is a movie, like Raheem and Mookie, I’m just trying to do the right thing, hope that it improves me
My bamboos are costume, sue me
You’ll be soon accustomed to me
This the moral, I got royal hemoglobin coursing thru me
And my strength is now inhuman, I get that straight from my umi
Signed and sealed from out the grill of yours and truly
You betta shine on em baby, you a star. You betta
Be exactly who you are – Forever
Cuz they gon‘ try and change your heart. Don’t let up
Cuz You so damn fine, just the way you are

(Sa-Roc, «Forever», 2018, Auszug)

Sa-Roc, 36, bürgerlich Assata Perkins, macht mit ihren Raps kleine Sozialstudien. Von ihrer Heimatstadt Washington D.C., von ihrem Wohnort Atlanta, von den USA. Sie tappt dabei nur sehr selten in die breiten Klischee-Fallen, die der Conscious Rap bereithält. In vielen Fällen klingt Rap mit guten Vorsätzen und wichtigen Messages ja so ausgelutscht und langweilig wie wenn Europäer jamaikanischen Reggae nachspielen. Nicht so bei Sa-Roc.

Von einem Song wie «Forever», ihrer aktuellen Single – oben ein Textauszug – muss man nur zwei, drei Zeilen hören, um dessen Qualität und die von seiner Urheberin zu erkennen. Der Song ist kein Riesenhit, der Beat von Produzent und Langzeitkollaborateur Sol Messiah kein Wunderwerk. Er wird getragen von den Reimen und dem gesungenen Refrain. Vor allem aber von der Persönlichkeit der Rapperin und der Aussage ihrer Texte. Ihr ganzes Schaffen ist davon geprägt, ihren Zuhörerinnen und Zuhörern zu bedeuten, dass es keinen Grund gibt, die Augen zu verschliessen. Weder vor dem Blick in den Spiegel, noch vor dem, was um uns herum geschieht.

Interessanterweise sind sowohl Sa-Roc wie auch ihre Berufs- und Gesinnungskollegin Dynasty immer dann am stärksten, wenn sie ihren Raps die Schärfe nehmen, Gesang einbauen, sanfter werden. Ihre soulige Seite hat die besseren Argumente. Auch deswegen ist «Forever», im Gegensatz zu vielen nichtssagenden, schematisch aufgebauten Conscious-Rap-Songs, ein guter Track, ein Lichtblick gar. Ermutigung kennt auch im Rap noch immer ganz verschiedene Tonlagen.

Adrian Schräder ist freier Journalist und arbeitet regelmässig für die NZZ, Das Magazin oder das Bieler Tagblatt.
Sa-Roc und Dynasty treten am 19. Oktober um 21 Uhr im Clubraum der Roten Fabrik auf.