Die 1948 verabschiedete Erklärung der Menschenrechte garantiert uns, dass Alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Und doch wissen wir alle, Menschen waren noch nie gleich. Und viele wollen es auch nicht sein. Die evolutionäre Entwicklung der Menschheit gegenüber anderen Arten war nicht zuletzt darum so erfolgreich, weil sie immer auch auf einem gegenseitigen Wettbewerb innerhalb der Menschheit basierte. Der britische Naturforscher Sir David Attenborough behauptete zwar kürzlich, dass wir die Evolution des menschlichen Körpers gestoppt haben, weil wir die natürliche Auslese überwunden haben. Er meinte damit aber keineswegs, dass die Evolution an sich nicht mehr stattfindet; vielmehr findet der evolutionäre Prozess auf kultureller, kognitiver und technologischer Ebene statt. Die für die Evolution des Menschen so wichtige Anpassungsfähigkeit ist auch hier gleichermassen Fluch und Segen. Denn wo immer man versucht, Gleichheit zu vermessen, entsteht Ungleichheit. Standardisierte Tests, begonnen mit dem IQ-Test bis zu den Pisa-Studien zielen darauf ab, eine Eigenschaft oder einen Zustand objektiv vergleichen zu können. Während die Tests damit oft unberührtes Neuland beschreiten, folgen ihnen hinterher fast zwingend die Bemühungen, von ihren Erkentnissen zu profitieren. Pharmakologische Neuroenhancer, angepasste Lehrpläne, regelmässige Schönheitsbehandlungen oder Fitnessarmbänder sind dabei die Mittel zum quantifizierten Selbst; und während sie den einen dabei helfen, etwas gleicher zu werden, dienen sie den anderen dabei, aus der Gleicheit auszubrechen. Nachdem Oscar Pistorius mit seinen Karbon-Prothesen bereits an der sogenannt «normalen» Olympiade gelaufen ist, ist es lediglich noch eine Frage der Zeit, bis ein Paralympics-Athlet einem gewöhnlichen Athleten überlegen sein wird. Folgt man dieser Konsequenz aus Leistungssport und Selbstoptimierung, dann verwundert es auch nicht, wenn sich die britische Paralympics Sportlerin Danielle Bradshaw ihr zweites Bein amputieren lassen möchte, damit sie an den Paralympics 2016 als Doppel-Amputierte eine bessere Leistung erreichen kann. Die Grenzen zwischen Selbstoptimierung und –ausbeutung lassen sich selten klar ziehen. Die Autoren der vorliegenden Ausgabe beleuchten den Transhumanismus und Quantified Self und aus unterschiedlichen Blickwinkeln und zeigen dabei auf, welche gesellschaftlichen und politischen Fragen durch die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Technologie entstehen.

Ivan Sterzinger ist ein ehemaliges Redaktionsmitglied der Fabrikzeitung.

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