Wahljahr ist, wenn man eh nichts mehr glauben kann. Alle überwerfen sich mit Versprechungen (FDP und Klimawandel), Dementis (SVP und Klimawandel), Neu-positionierungen, die keine sind (Chantal Galladé) und Papstaudienzen (Greta Turnheer). Pünktlich zu diesem Jahresereignis haben sich die Behörden entschieden, eine seit längerem gültige EU-Richtlinie auch in der Schweiz zu übernehmen und den Scherztag 1. April auf einen ganzen Monat auszudehnen, damit das Volch bis im Oktober auch auf den Mangel an überprüfbaren Fakten vorbereitet sei.

Als treuer Staatsdiener macht Roger Schawinksi den Anfang, indem er eine «Edelprostituierte» vor laufenden Kameras fragt, ob sie eigentlich auch von ihrem Vater missbraucht worden sei. Das sei ja bei allen Prostituierten so, schliesslich habe ihm das Alice Schwarzer gesagt. Sie reagiert ungeschmeidig (also die Talkgästin, nicht Alice Schwarzer, bei der ist ungeschmeidig Naturzustand), was Roger so sehr vor den Kopf stösst, dass er über sein Netzwerk der Medienilluminaten erwirkt, dass die gute Frau ihren Job verliert. Also den Job als Edelprostuierte bei der Zeitung, nicht als Escort-Girl. Und wieder einmal haben alle alles falsch verstanden. Seine Frage war gar nicht boshaft gemeint, sondern mitfühlend. Weil wer prostituiert sich professioneller als Roger Schawinski? (Gerüchte, er hätte den Zürcher Strassenstrich erfunden, sind jedoch höchstwahrscheinlich übertrieben, aber was wissen wir schon, wir waren ja nicht dabei).

Auch die frisch gebackene Bundesrätin macht locker-flockig mit beim Happening des Jahres. Anstatt darüber zu reden, ob in der Schweiz jeder militante Waffenfreak mit halbautomatischen Waffen ins Zuger Kantonsparlament rennen dürfen soll, warnt sie uns vor den Asylierenden, Asylosen, Asybillinen (?), welche ins Land strömen würden, wenn wir das neue Waffenrecht ablehnen. Was denn? Too soon? Vielleicht sollte man die Menschen in diesem Land wieder einmal daran erinnern, dass der einzige Terroranschlag der Neuzeit von Fritz Leibacher verübt wurde; ein «Tag des Zorns für die Zuger Mafia», wie er in seinem wirren Absschiedsbrief festhielt. Und den stoppte auch kein good guy with a gun.

Derweil auf der Metaebene – Die Republik sagt: «Magdalena Blocher lügt». Die Medienwoche sagt «Die Republik lügt». Die NZZ sagt, «Wer zur Hölle sind all diese neuen Medien und wo sind all unsere Journalisten hin? Papst, übernehmen sie!» Der Papst sagt: «Keine Zeit, muss mich um die Kinder kümmern.» Apropos Kinder. Die CVP sagt: «Also das mit den Schwulen haben wir gar nicht so gemeint. Können wir nochmal abstimmen?» Der Namensgeber der Partei sagt: «Könnt ihr mich jetzt endlich mal von dem blöden Kreuz runterholen? ich würd mich recht gern mal am Fuss kratzen.» Und der Rest von uns weiss nicht so recht, ob wir lachen oder uns mit ans Kreuz hängen sollen.

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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