Wenn ich aufwache, will ich als erstes Putin töten. Beim Zähneputzen will ich ihn töten, beim Kaffee trinken will ich ihn töten, beim Postfach leeren will ich ihn umbringen, beim Pflanzen giessen will ich ihn ermorden und so weiter geht das den ganzen Tag lang. Dass er ein Arschloch ist, war ja schon länger bekannt und mit seinem Krieg in der Ukraine, wo tausende Menschen sterben, nur weil er Probleme mit seinem Selbstbewusstsein hat, hat er sein Arschloch-sein nochmals nachhaltig zementiert. Da ich Putin nicht umbringen kann, hoffe ich jeden Tag, dass es jemand anderes tut oder am besten er selbst. Aber das tut er nicht. Die wenigen Menschen auf dieser Welt, die sich wirklich umbringen sollten, tun es nämlich meistens nicht oder wenn, dann viel zu spät. Das hat mit ihrer Persönlichkeit zu tun.

Um den Gefühlen der Ohnmacht beizukommen, die ich verspüre, weil ich Putin nicht umbringen kann, gelobe ich hiermit, dass ich mich aktiv und mit grosser Vehemenz für die Verkleinerung des Einflussbereichs von Arschlöchern einsetze. Weil es gibt sie ja überall und eigentlich sind sie auch immer gefährlich. Ihre Existenz ist zwar schwierig zu verhindern, aber was wir tun können, ist, uns zu wehren. Viel zu oft lässt man ihnen zu viel durchgehen, weil man vielleicht von ihrer Dreistigkeit gelähmt ist oder, verständlicherweise, möglichst nichts mit ihnen zu tun haben möchte. Aber eine Gesellschaft kann nur eine gute Gesellschaft sein, wenn sie Arschlöcher daran hindert, in irgendwelche höheren Positionen zu gelangen. Das kann beispielsweise auch bedeuten, dass man ein Arschloch daran hindert, sich in einer Schlange nach vorne zu drängeln. Oder dass man ein Arschloch zurechtweist, das unfair ist zu Kindern. Auch im Kleinen muss solchem Verhalten Einhalt geboten werden. Ich meine das wirklich ernst. Es bringt all die Menschen, die gestorben sind, nur weil ein Arschloch einen schlechten Tag hatte, nicht zurück. Natürlich muss man der Ukraine und allen anderen Ländern in Not praktisch und pragmatisch helfen. Aber zusätzlich gibt es eben die Arschlöcher und die sind überall.

Während Putin den Krieg begann, war ich zufälligerweise einige Tage im Spital (ein Ort, an dem ich überdurchschnittlich viele Arschlöcher traf). Und während ich mit den dort jeweils üblichen Gefühlen von Ausgeliefertsein und Ohnmacht (besonders akut bei Vollnarkose, haha) beschäftigt war, sah ich die schrecklichen Bilder zerbombter Krankenhäuser. Bilder, die nicht entstanden wären, wenn Arschlöchern jeglicher Aufstieg verunmöglicht werden würde. Auf wie viel Widerstand sie in Russland treffen, weiss ich nicht, aber ich weiss, dass er in der Schweiz minimal bis inexistent ist. Im Spital war mein Eindruck also wieder mal, dass ich dankbar sein sollte, wenn ich von einem Arschloch behandelt werde, weil ich immerhin behandelt werde. Sich gegen Arschlöcher aufzulehnen schien als Luxusproblem, aber ist es nicht eigentlich die Wurzel des Problems? Jeder Mensch (ausser Arschlöcher natürlich!) verdient es, mit Würde und Respekt behandelt zu werden. Doch wir geben jenen, die dies nicht tun, viel zu viel Raum und weil die eben sehr gerne auf Menschen herumtrampeln, machen sie immer weiter. Wohin das führt, das sehen wir, seit es Arschlöcher gibt. Wir können sie vielleicht nicht töten, aber wir können die Putins von morgen oder die Putins im Kleinen, all die Quartierputins, Firmenputins, Lehrerputins, Klassenputins, … all denen können wir gemeinsam Steine in den Weg legen.

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern, studierte Filmwissenschaften, Drehbuch und Literarisches Schreiben in Zürich, Ludwigsburg und Biel. Gründete 2013 zusammen mit dem Künstler Simon Krebs das Büro für Problem.

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