Die mysteriöse Tessiner Band Peter Kernel ist nicht gekommen, um einen fröhlichen Ringelpiez zu veranstalten. Adrian Schräder über visionäre Schweizer Musikerinnen im Allgemeinen und das subversive Reingrätschen von Peter Kernel im Speziellen.

Hell, tell Marie she’s gotta be brave
Hell, tell Marie she’s gotta be brave
Hell, tell Marie she’s gotta be brave
Hell

I’m the one
I’m the one
I’m the one who never cared
I’m the one
I’m the one
I’m the one who never cared

Hell, tell yourself it’s gonna be fine
Hell, tell yourself it’s gonna be fine

Yeah it’s gonna be great
Tell the girls that it’s gonna be good
It’s gonna be great
Tell the jerks that they’re going to hell
(Hell) And it’s gonna be swell
We have a show and we’re gonna be late
(Hell) And it’s gonna be great
We’re in a rush and we’re wasting our time
(Hell) And it’s gonna be fine
We have a plan and we’re wasting time
(Hell) It’s gonna be great
Yeah it’s gonna be good
It’s gonna be great

(Hell) Tell yourself it’s gonna be fine
(Hell) Tell yourself it’s gonna be fine
(Hell) Tell yourself it’s gonna be fine
(Hell) Tell yourself it’s gonna be fine

We’re in a rush and we’re wasting our time
It’s gonna be great

(«It’s Gonna Be Great», 2015)

Peter Kernel gibt es nicht. Genauso wenig wie es Klaus Johann Grobe oder Tanya Morgan gibt. Und trotzdem gibt es Peter Kernel natürlich. Das Duo, bestehend aus der Kanadierin Barbara Lehnhoff und dem Tessiner Gitarristen Aris Bassetti, gräbt unter diesem Namen seit nunmehr rund 14 Jahren die Gewohnheiten aller geneigten Hörerinnen und Hörer um. Ihr Rock ist experimentell, expressiv und erbarmungslos im Sinne der Versuchsanordnung. Er sei cholerisch und unberechenbar, hiess es auch schon an anderer Stelle. Selten sieht oder hört man Bands, von denen man so stark das Gefühl hat, sie stellen sich nichts anderes als ihre Vision als Marschbefehl aus.

Zum Glück werden es in der Schweiz immer mehr – und gerade jetzt, an diesem feuchtherbstlichen Abend, nach vielen weniger feuchtfröhlichen Abenden, manifestiert sich im Kopf eine Liste. Eine Liste von Musikerinnen und Musikern, die sich voll ihrer Vision widmen. Nativ, Priya Ragu, die gerade bei Warner Music UK unterschrieben hat, gehören sicher auf diese Liste, auch die neuerdings mit Beats experimentierende Pamela Mendez aus Bern bzw. Brugg, Pronto, der junge Bündner Sänger Mattiu Defuns oder Dino Brandão, der vor einigen Wochen in der Roten Fabrik seine Kompagnons Faber und Sophie Hunger mit Songs voller Hin- und Beobachtungsgabe an die Wand spielte, kommen einem dazu spontan in den Sinn. Einige davon müssen sich und ihren Platz vielleicht noch etwas finden, andere haben ihren Weg gefunden und warten nun darauf, von der Welt zumindest kurz eingeholt zu werden.

Peter Kernel machen den Eindruck, als sei ihnen diese Aufholjagd in ihrem Rücken keinen Gedanken wert. Denn diese Gedanken kreisen mehrheitlich um das eigene Werk, um Videos, um Stücke, um Aufkleber mit den Songnamen drauf. Und vielleicht noch um einen Schluck Bier ab und zu. Oder um Konzerte: Schon weit über 600 soll das Duo und Liebespaar, live ergänzt um einen Schlagzeuger und hin und wieder sogar um eine Harfenistin, einen Geiger und einen Cellisten bereits gespielt haben. Treten sie in Grossformation auf, nennen sie sich Peter Kernel & Their Wicked Orchestra und irgendwie wirkt ihre Musik dann noch feinklingiger, elegischer, aber auch noch unsteter.

Post-Pop, Alternative, Indie, Punk, sagen die Schubladenaufschriften. Vier Alben, sagt die Statistik, zuletzt, 2018 «The Size Of The Night». Eigenes Plattenlabel namens On The Camper, sagt das Kleingedruckte. Mehrere Nebenprojekte wie Camilla Sparksss sagt das Internet. Und was sagt die Band zu ihrem seltsamen Namen? «Uns gefiel Peter weil es so ein hundskommuner Name ist und in Kernel steckt das Wort «Kern» und damit die Essenz von etwas und wir lieben das Spiel mit Gegensätzen.»

Immer wieder wird in Texten über die Band betont, wie unschweizerisch sie sei. Dabei meint der geneigte Kritiker, in fast jedem Ton und fast jedem Video eine Auseinandersetzung mit dem Wohn- und Schaffensort wahrzunehmen. Es ist ein Spiel, ein Reiben an, ein bewusster Ausbruch aus der Beschaulichkeit. In einfachen DIY-Videos grätschen sie quer in eine Welt, die unspektakulärer nicht sein könnte. In dem herrlich abgehangenen Song «It’s Gonna Be Great» sieht man etwa eine Dame, die in einem unschmucken Vorgarten einer unschmucken Wohnsiedlung auf der Liege fläzt und nach dem Sonnenbad auf ihrer Handfläche einen Reminder vorfindet: «Be Great». Irgendwo bei Agno im Tessin hat sich eine subversive Zelle breit gemacht.

We don’t care about
Having something fast
Making something last
Building up our past
We don’t care
We don’t care about
Parties
Drugs
Fashion
Girls
Power
People
Melody
We don’t care
All we want is uh uh, uh uh
All we need is uh uh, uh uh
Do you want to uh uh, uh uh
With me
….

Adrian Schräder ist freier Journalist und arbeitet regelmässig für die NZZ, Das Magazin oder das Bieler Tagblatt.

Comment is free

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert