Adelige Hundstage

Meyne Arbeyt erfordert durchaus Spitzengefühl. Die ersten Monate verbrachte ich in der Schweyz[1], wo man meine grosse Bestimmung gottellob früh genug erkannte, und mich beyleibe förderte. Eine kleinere nordalpine Odyssey führte mich von der Margarethe von Nassau zur Mechthild von Geldern[2], wo ich aber nicht bleyben konnte. Zu diplomatyschen Diensten versandt, ist dem hohen Zweybeyner leyder nicht immer deutlych, ob unsereyner als Mädyum oder als Mässage zu begreyfen ist.

Meyn Mänsch ist von den anderen verschyden, indem nähmlych die Wälder und Steyne und Mänschen die seynen sind.


Nun bin ich also seit mehreren Monaten hyr im Burgenland, wo ich, so Achill will, wird bleyben. Wir ergänzen uns und sind uns gegenseytig Stützen. Und eine Stütze braucht dieser Mänsch, beyleibe. In der Kammer ist ihm ungemach, am Hof ist er unrastig, im Feld fürchtet es yhn. Auch andere von seyner Gattung fürchtet er, und sie fürchten yhn. Die Art wie sie sich fürchten aber ist verschyden. Es fehlet yhm ein Tagewerk genauso wy ein Lydenschaft. Mänsch erlaubt es yhm nicht, und Mänsch erlaubt es sich nicht. Nycht den Mäusiggang und nycht die Kontemplatyon. Aber von pforne: Meyn Mänsch, Albrecht Achille gerufen, ist von den anderen verschyden, indem nähmlych die Wälder und Steyne und Mänschen die seynen sind, yhm also gehören. Das Korn, die Pfärd. Die Pfärd synd myr ein Dorn ym Aug. Sie sind vyl zu hoch über myr und selbst der Achill schaut oft ehrfyrchtig zu ihnen. Eynzig in der Jagd verstehen wir uns alle dreyen: Achill sieht auf das Land, besytzend, und sytzt dazu auf däm Lyblingspfärd August. August ist ausnähmsweyse ganz annähmlich zu mir. Wir ergänzen uns. Ich halte Nase und Öhr in den Wynd. Wir suchen an in den äussersten Wysen das schönste Wyld, erschöpfen es. Erst wenn dann der Archill wyll, erlegen wyr es. Ist alles zu seyner Zufrydenheyt, erhalte ich als oberster von allen edlen Wynden den Kopf vom Wyld, zum Auskau. Beyleibe und bey Fuss, hat so alles seyne Ordnung. 


[1] Vgl. «Und sie kummen mir all dry auß dem lannd Schwitz […] das doch die pesten sind, so man sie in allenn lannden finden mag.» Vgl. Georg Steinhausen (Hrsg.), Deutsche Privatbriefe des Mittelalters. Fürsten und Magnaten, Edle und Ritter. (I). Berlin 1899. S. 107

[2] Vgl. «[…] oych sendden ich uch dis huntgin, daz ist Myde genant […] unde bidden uch, daz ir is leyp hait unde guetlich doit […]» («Ich sende euch dieses Hündlein, das Myde genannt ist, und bitte euch, dass ihr es lieb habt und gütlich tut.») Ebenda, S. 6. 

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Franca Schaad hat Geschichte studiert und sich dabei oft gefragt, wie vergangene Gegenwart eigentlich zu Geschichte wird. Da das Modulbuchungstool sie nicht mochte, landete sie in teils abenteuerlichen Einführungsseminaren, darunter «Hunde und Adel im nordalpinen Spätmittelalter». Zu den Protagonist*innen selbiger Veranstaltung gehörte Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg (1414-1486), dessen Korrespondenzen über seinen Alltag, die Jagd und die edlen Wyndhunde an seiner Seite Auskunft geben. Nachdrücklicher als unbelebte Gaben, doch dressierbarer als Frauen im heiratsfähigen Alter, dienten Hunde als aktive diplomatische Geschenke. Idealerweise schön, nützlich und anschmiegsam zugleich, stärkten sie die Beziehung zwischen Sender*in und Empfänger*in, und damit ein transeuropäisches Handels- und Herrschaftsgeflecht.

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