Sie hat das Zeug zur Lieblingsband: Kurt Wagners Truppe Lambchop beweist gleichzeitig Stilsicherheit und Wandelbarkeit.

1. Verse
I wonder what would happen
if the world was in a wire
and the wire was in a spiral
round a burning ring of fire
and I wonder what would happen
if the fire was on the wind
and the wire was getting slower
and the ring was on a chain

Chorus:
Ooh yeah, ooh yeah
I’ll show your punk rock ass
Ooh yeah, ooh yeah
I’ll show your punk rock ass

2. Verse
and I wonder what would happen
if the chain was on your neck
and the ring was on your finger
and the pile was in Quebec
and i wonder what would happen
if the world was in a wire
and the wire was in a spiral
round a burning ring of fire

Chorus:
Ooh yeah, ooh yeah
I’ll show your punk rock ass
Ooh yeah, ooh yeah
I’ll show your punk rock ass

(«My Face Your Ass» vom Album «Thriller», 1997)

Es gibt Dinge, die sollte man sich ein bisschen aufsparen. So wie einen guten Wein oder vielleicht ein Buch. Nur um den Gedanken auszukosten, dass man da irgendwann voller Genuss in eine Welt abtauchen kann, die einen völlig einnimmt. Eine Welt, von der man schon weiss, dass sie einen fasziniert.
Gewisse Schriftstellerinnen und Regisseure bürgen dafür. Haben Sie etwa das Universum von Simenon schon betreten? Haben sie alles von Berlin gelesen? Von Murakami? Die Romane von Ferrante? Die Filme von Wong Kar-Wai? Alle stehen sie für eigene Universen, in denen man sich eine ganze Weile formidabel verlieren kann.

Das sind nun keine grossen Neuigkeiten. Auch Kurt Wagner, von dem hier bald die Rede sein soll, ist ein Mann von Format, von einer gewissen Berühmtheit. Der Name seiner Band Lambchop war dem Schreibenden seit längerem ein Begriff. Er wusste, wofür er musikalisch steht und wie viel Eigenständigkeit und Qualität da drinsteckt. Trotzdem hat er ihn sich aufgespart. Bis vor wenigen Tagen. Manchmal braucht es die Initialzündung, die Brücke, die Wegbereitung. Im Fall von Lambchop war es dieser Schreibauftrag.

Noch schöner ist es, wenn man Musik von jemandem erklärt bekommt. Wenn jemand seine Leidenschaft konkret formulieren kann und einem so einen Zugang vermittelt.

So hat Herbert Grönemeyer dem Schreibenden kürzlich den Weg zu Randy Newman gewiesen. Er schwärmte im Interview von Songs wie «Guilty», «Baltimore» oder «Marie», pries sein Klavierspiel und seine Texte und endete mit der Feststellung: «Alle reden von Cohen und Dylan, aber Newman ist für mich noch besser. Er ist der grösste Zyniker, er hat den grössten Humor und er hat die grössten Balladen geschrieben.» Eine grössere Empfehlung kann man ja gar nicht aussprechen.

Schlussendlich befand der Schreibende Grönemeyers Beschreibungen alle für zutreffend. «Baltimore» zum Beispiel ist tatsächlich eine formidable Ballade und Newman tatsächlich sträflich vernachlässigt.

Zu Lambchop könnten wohl verschiedene Künstler eine Brücke bauen. Der Hamburger Produzent DJ Koze etwa, der Wagner auf seiner aktuellen Platte «Knock Knock» als Gast aufgeboten hat. Oder die längst ins ätzende Popgeschäft abgedriftete Band Morcheeba, die einst ebenfalls mit ihm kooperierte. Vielleicht können aber auch seine hervorragenden Coverversionen von Songs wie «When You Were Mine» von Prince oder «Young Americans» von David Bowie den Weg weisen, den zu betreten man sich, wie im Falle des Schreibenden, jahrelang aufgespart hat.

Oft sieht man, wenn es um Lambchop geht, nur eine Person: Einen Mann mit Farmer-Schirmmütze und Hornbrille, ein Bier in der Hand, eine Zigarette zwischen den Lippen, wahrscheinlich eine Gitarre in Griffnähe.

Jedenfalls steht dieser Mann, bei dem es sich um den besagten Kurt Wagner, bald 60, Musiker aus Nashville, Tennessee handelt, definitiv auch für ein eigenes, funkelndes Universum. Seine Kompositionen, die er seit den frühen Neunzigern in wechselnder Formation unter dem Namen Lambchop veröffentlicht, leben von einem ganz eigenen Charakter, einem eigenen Groove, einer eigenen Erzählstimme. Von sanfter Eleganz. Und wer ein leeres Pflichtenheft und eine guten Schluck Grappa dabeihat, kann ganz entspannt in 15 Studioalben, frühen Aufnahmen, Livemitschnitten und Nebenprojekten versinken.

Neben Wagners Texten, vorgetragen in einer Art, die irgendwo zwischen Leonard Cohen, Johnny Cash und verschiedenen dunklen Soulstimmen anzusiedeln ist, bemühen sich darauf zwischen drei und siebzehn Mitmusiker um die Installierung der passenden Stimmung. Eigentlich ständig entheben sich ihre von Streichern, Klavier, Slide- und gezupfter Gitarre mitgetragenen und vom Schlagzeug sanft gestützten Songs der Country-Klassifizierung. Manches klingt wie die Titelmelodie einer von Dramatik und Tragik geprägten Fernsehserie, anderes leichter und romantischer – ohne sich jedoch jemals das abwertende Prädikat «Lounge Music» zu verdienen.

Seit einer Weile experimentiert Wagner mit der Elektronik, programmiert Beats, nutzt den aus dem Hip-Hop bekannten Autotune-Effekt. Bitte unbedingt auch auf die Texte achten, auf den Humor, auf die Ironie, auf die Anspielungen und die manchmal fast lähmende Offenheit und Ehrlichkeit. Man könnte jetzt sagen: Die besten Songs sind in den Neunzigern und um die Jahrtausendwende entstanden. Aber dann hätte man nicht berücksichtigt, was diese Band ausmacht: der stete Wandel. Lambchop ist eine Band, die man immer wieder neu entdecken, die man sich immer wieder neu aufsparen kann.

I desire to tumble
I walk through the garden
I don’t speak well I mumble
To life’s little tragedy
If you touch me I crumble
This song’s from the wishing you well
Not a boob or a bungle
Just another butt to sniff
Half our lives surmise
For only you to decipher
Our reasons are quite tame
One by one we die
And our secrets die within us
There’s no one left to blame

(Shame on me, Shame on you)
Scratchy cheeks and an earring
I scurry to find the camera
He’s not angry he’s seething
My pictures always turn out wrong
He’s not crying he’s teething
The pains of growing are going fine
There’s some spit on the ceiling
Pretty soon it’s going to drop
In the bed you lay
Praying for sleep and it never comes
It never works that way
All the rest is done
All you really can do is just sit up
And start a brand new day
(Shame on me, Shame on you)

(«Life’s Little Tragedy» vom Album
«How I Quit Smoking», 1995)

Adrian Schräder ist freier Journalist und arbeitet regelmässig für die NZZ, Das Magazin oder das Bieler Tagblatt.
Lambchop treten am Donnerstag, den 25. April um 20 Uhr in der Aktionshalle der Roten Fabrik auf.

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