Um ein Jahr wie 2021 zu starten, gibt es nichts Besseres als eine Umfrage von Mädchen zwischen zwei und acht Jahren. Nach einem Jahr der Pandemie, in dem ausser den Kindern jeder Depp in diesem Land zu seiner Befindlichkeit befragt worden ist, sollen mal die ganz Jungen zu Wort kommen. Und da 2021 ebenfalls das Jahr ist, in dem es hierzulande erstmals einen Vaterschaftsurlaub von sagenhaften 14 Tagen gibt (boah) und das Jahr, da die Schweiz unglaubliche 50 Jahre Frauenstimmrecht feiert (potzblitz), hat das historisch einen enormen Wert (tatsächlich!). Aber helfen vielleicht Stimmrecht und Vaterschaftsurlaub gar nichts, weil Mädchen sowieso von Geburt an devot, faul und ohne Visionen sind? Oder sind sie spätestes nach einem Jahr Pandemie völlig gaga und bis an ihr Lebensende gestört?
Das scheint nicht der Fall zu sein. Auf ihre Ängste angesprochen, nannte keines der Mädchen Schutzmasken oder Lockdown. Die Antworten reichten vielmehr von «Verbrennendem Staub auf Heizungen. Dann habe ich Angst, dass es zu brennen beginnt.» (Nelly, 8) bis zu «Vielleicht ein böser Hai. Oder ein böser Papagei vielleicht. Oder ein böses Zebra vielleicht.» (Greta, 3)

Bei den Lieblingsbüchern reichten die Antworten von Altbekanntem wie Ronja Räubertochter, Pippi Langstrumpf und Tim&Struppi bis zu neueren Phänomenen wie Frozen oder Peppa Pig. Die musikalische Bandbreite reicht ebenfalls weit, von den Schlieremer Chind bis zum Enderman Rap aus Minecraft oder dem Pijamahelden-Lied von PJ Masks. Bei den Spielvorlieben wird es einheitlicher: Ganze 25% nennen Playmobil, dicht gefolgt vom Puppenhaus und LEGO.

Interessant: Ihre Stärken sehen die meisten Mädchen klar im physischen Bereich. 25% gaben an, sie könnten besser und höher schaukeln als andere Kinder, der Rest meinte, sie könnten höher klettern, schneller rennen oder Velo fahren, weiter springen oder lauter singen als andere Kinder. Mit rein kognitiven Fähigkeiten trumpfte einzig die Jüngste: «Puzzle» (Nida, 2). Als Beweise ihrer physischen Stärke nannten die Mädchen zu 33.3%, dass sie ihre Geschwister hochheben könnten. Ansonsten wurden Möbel «Ich kann sogar einen schweren Stuhl heben. Aber das mache ich nur in der Nacht» (Enid, 4), oder gar Bäume (Marta, 3) genannt. Ein Mädchen verwies ausserdem auf die optischen Auswirkungen ihrer Stärke: «Ich habe sogar ein Sixpack» (Obioma, 5).

Beruflich zieht es die grosse Mehrheit in dieselbe Richtung: Ganze 66.6% sehen sich in naturwissenschaftlichen Berufen. Das reicht von Kinderärztinnen, Tierärztinnen, Tierpflegerinnen und Baumpflegerinnen bis zu Astronautinnen. Auf dem zweiten Platz landen Berufe in der Lebensmittelindustrie (Bäckerinnen, Bäuerinnen und Marroni-Verkäuferinnen). Ein Mädchen zieht es in die Kultur «Band-Sängerin» (Enid, 4), ein Mädchen «in die Bibothek» (Nida, 2) und ein Mädchen möchte «Präsidentin aller Lehrerinnen und Lehrer werden, damit ich bestimmen kann, was die Kinder lernen müssen» (Obioma, 5). Karrieremässig sehen sich gut zwei Drittel der Befragten zukünftig in Kaderpositionen. Mit über 1000 Angestellten führt hier die zukünftige Baumpflegerin Lili, 7. Und Meral, 5 erklärte, dass sie einmal ein Tierkrankenhaus leiten wolle. Deshalb sei es gut, wenn sie möglichst viele Angestellte habe, «damit ich schauen kann, dass die wirklich gut zu den Tieren sind.» Wenn in fünfzig Jahren die Welt nicht eine bessere ist, dann liegt es sicher nicht an diesen Mädchen.

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern, studierte Filmwissenschaften, Drehbuch und Literarisches Schreiben in Zürich, Ludwigsburg und Biel. Gründete 2013 zusammen mit dem Künstler Simon Krebs das Büro für Problem.

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