Die Fronten verschieben sich. Der Druck steigt. Der Sommer kommt und kommt nicht. Wer sich die Miete noch leisten kann, weil die Pensionskassen noch nicht durch sein Viertel marodiert sind wie ein entfesselter Finanzgolem, verkriecht sich in seinem Loch, zieht die Decke bis zum Kinn und wartet stoisch ab, bis Netflix und die Grippeschwärme wieder vorbei gehen.

Alles geht vorbei, denkst du dir. Selbst Christoph Blocher wird eines Tages sterben – und natürlich dürfte der Tag schneller kommen, an dem er seinem Bruder in den Wassern des Phlegeton wieder begegnet («S’io credesse che mia risposta fosse/A persona che mai tornasse al mondo»), aber wenn du etwas gelernt hast, dann ist es Geduld.

Zugegeben, ADHS hilft. Wie wohlig es doch ist, die Dinge zu vergessen an die unendliche Stille, sobald sie nicht mehr in deinem Blickfeld herumwuseln. Gestern war Volksabstimmung? Was weiss ich denn? Keine 24 Stunden, nachdem der Aufstand der Senioren das Staatsfernsehen gerettet hat, werden JournalistInnen auf die Strasse gestellt. Unternehmenssteuerreform? War gestern. Heute ist Steuervorlage 17 – und auch wenn Ueli der Knecht erst gestern damit vor die Medien stand, wusste die PWC schon seit Januar, dass Sam nur wieder den gleichen Song spielt. Hauptsache 30 Franken Kinderzulage mehr. Wir feiern den Sieg des Volks über das Kapital, während Biggie Big Bumbaz Bigler die Korken knallen lässt.

Lasst sie uns Nazis nennen, warum denn nicht?

Wenigstens hält uns der orangene Kasper bei Laune. Man wird das Gefühl nicht los, dass er häufiger Menschen feiert, als er Scheissen geht, und wenn er nicht gerade öffentlich darüber fantasiert, seine Tochter zu vögeln, dann ist das höchstens die Ruhe vor dem Sturmtief Daniels. Doch wie beim Uran ist das halt so eine Sache mit den Abfallprodukten einer US-Administration. Irgendwo gehen sie immer hin.

Und dort strahlen sie dann um die Wette: Sean Spicer und sein Kuschelgebüsch, Mafiagoondarstelle Scaramuchi und natürlich dieser Herpesbefallene Tafelschwamm, der seinen Hass nur unter Kontrolle behalten kann, wenn er sich zwei Hemden gleichzeitig überstreift, der dann plötzlich mit Grinsekater Köppel auf einer Bühne steht und Sätze sagt wie: «Lasst sie uns Nazis nennen, warum denn nicht?»

Und natürlich: Das ist alles nur Ablenkung. Nebelgranaten. Ein Babymobile mit farbigem Plastik dran – Schau an, da bewegt sich was. Und wir starren verträumt drauf, während sie die Wohnung leerräumen. Schaut hin. Wenn wir sie ansehen, frieren sie ein wie Statuen. Doch sie warten nur darauf, dass ihr die Augen für einen Moment schliesst und das alles wieder vergessen habt. Oder in den Worten des Doktors: «Sie kommen dich zu holen. Blinzel nicht mal. Sie sind schneller, als du glauben kannst. Dreh ihnen nicht den Rücken zu, schau nicht weg und blinzel nicht. Viel Glück.»

 

 

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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