Und irgendwie ist er plötzlich wieder angekommen in diesen Nächten, in denen er ein weiteres Mal seine verschenkte Jugend am inneren Auge vorbei ziehen lässt, verschwommene Schattenbilder, getrieben von diesem unbändigen Drang, an Dinge zu denken, an denen er nichts mehr ändern kann. Als ob wir die Erde wirklich flach machen könnten, wenn nur genügend von uns daran glauben. Schliesslich ist eben doch alles nur eine Frage der Perspektive. Fake News sind auch bloss ein Argument, dem niemand mehr zuhört, weil die Meinungen schon längst gemacht sind. Oder anders gesagt: Das Bauchgefühl scheisst wieder mal auf alles. So lief das eigentlich schon immer.

«So you say you want a revolution?» – Aber vielleicht wäre es besser abzuwarten, bis wir wenigstens endlich unsere eigenen Windeln wechseln können. Denn wenn Weltverbessern so einfach wäre, würden doch dauernd die Geigen eingespielt, cues gibt’s genug, und dann kollektives Bäume- und alles Umarmen. Stattdessen verharren wir an Ort und Stelle, schüchterner als ungoutete Schwule im Klub oder die letzte echte Christin, wenn du sie nach ihren Werten fragst.

Den letzten CVPler beisst der Papst

«Das ist doch nicht mehr lustig», wirft sie völlig zu Recht ein. Denn Gott ist nicht tot. Er ist einfach so gottverdammt müde, dass er nicht mehr von diesem Sofa hochkommt, jedenfalls solange Netflix immer gleich die nächste Folge ausspuckt. Im Zimmer nebenan warten Stapel ungeöffneter Post: Betreibungen, Fahndungsaufrufe und Reaktionssmileys auf die Facebook-Kommentare, die er geschrieben hatte, als er noch irgendetwas fühlte und den Unterschied zwischen Realpolitik und Stand-Up Comedy noch kannte: «Jeder nur ein Kreuz» oder «den letzten CVPler beisst der Papst».

«Who wants to live forever when Jazz must die?», fragt er und denkt sich aus, wenn er noch einmal ganz von vorne anfangen könnte: Er würde die Welt nicht mehr formen wie Ton, sondern zurecht hacken wie Eiswürfel, damit die stummen Skulpturen, die jeden Tag zu Tausenden in diese immer gleichen Städte pendeln, wenigstens ein bisschen Glanz verstömten. Wer braucht schon Tränen, wenn die nächste Eiszeit kommt?

Plötzlich piepst sein Handy. Da fragt ihn jemand, was er sich zu seinem 5000. Geburtstag wünscht. Jetzt, wo er endlich erwachsen sei. Und er antwortet kurz, aber bestimmt: «Atomwaffen. Eine Weltenseuche, die nur alte weisse Männer dahinrafft. Und ein einziges Feuer, das eintausend Jahre brennt.»

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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