Vnd ich sahe die Todten beide gros vnd klein stehen für Gott, vnd die Bücher wurden auffgethan. Vnd ein ander Buch ward auffgethan, welchs ist des Lebens, vnd die Todten wurden gerichtet nach der Schrifft in den Büchern, nach jren wercken. Vnd das Meer gab die Todten die darinnen waren, vnd der Tod vnd die Helle gaben die Todten, die darinnen waren, vnd sie wurden gerichtet, ein jglicher nach seinen wercken.

Offenbarung, 20.12-14, Übersetzung Martin Luther

Die Vision vom Weltende erscheint in den frühen 90er Jahren als wackeliges, grobkörniges Video. Eine offenbar sehr aufgebrachte Frau in einer Zwangsjacke versucht, ihre Umgebung davon zu überzeugen, dass der Zeitpunkt der Entscheidung nahe ist. In schon baldiger Zukunft würden die Maschinen einen Krieg gegen die Menschen führen und diesen Krieg haushoch gewinnen. Die ersten Abgesandten aus der maschinellen Zukunft seien bereits in die Gegenwart gekommen, um diese bestimmte Zukunft zu sichern, in der die Menschheit verschwunden sein würde wie ein am Meeresufer in den Sand gezeichnetes Gesicht. Der diensthabende Psychiater versucht, beruhigend auf die Frau einzuwirken, die Situation halbwegs zu normalisieren. Er verweist auf die vermeintliche Alltgäglichkeit ihrer Verstörung. «Viele Leute träumen vom Ende der Welt», versichert er der Frau, als ob ihr mit der Erwähnung einer Allgemeingültigkeit ihres Symptoms allein bereits geholfen sei. Ist ihr denn zu helfen? Das Ende der Welt ist für sie schliesslich kein Traum, sondern Gewissheit. Sie warnt den Psychiater und das ihn begleitende Personal: «God, you think you’re safe and alive. You’re already dead. Everybody, him, you, you’re dead already! This whole place, everything you see is gone!»

Bei der Frau, die die Lebenden als bereits Gestorbene gesehen hat, handelt es sich um die Figur der Sarah Connor (Linda Hamilton), dem Ziel- und Liebesobjekt des Terminator (Arnold Schwarzenegger) aus der gleichnamigen Filmreihe. Der Sarah Connor behandelnde Psychiater wiederum trägt den Namen Dr. Silberman (Earl Boen). Ursprünglich stammt die Szene aus «Terminator 2 – Judgement Day» (James Cameron, 1991). Nun taucht sie als Prolog in «Terminator: Dark Fate» von «Deadpool» Regisseur Tim Miller wieder auf. Diesen Film sieht wiederum James Cameron, der Schöpfer des Terminators als den Abschluss einer von ihm vor 35 Jahren ins Leben gerufenen Trilogie an. Mit den restlichen dazwischenliegenden Fortsetzungen hatte er wenig bis nichts zu tun. «Terminator Dark Fate» ist der Film, der an die Ereignisse in «Terminator Judgement Day» anknüpfen soll. Der Prolog zitiert nun den älteren Film in «dokumentarischer» Form, so als wäre er wie ein von Würmern angefressenes historisches Papier aus dem Archiv gezaubert worden. Dem historisierenden Selbstzitat folgt im neuen Film eine merkwürdige, an einschlägige barocke Emblematik erinnernde Sequenz, in der menschliche Totenschädel an einem Meeresufer von sanften Wellen freigespült werden. Einmal mehr rückt «die trostlose Verworrenheit der Schädelstätte» (Walter Benjamin) ins Bild. Es ist konventionellerweise das Sinnbild der Vergänglichkeit, der «Öde aller Menschexistenz» als auch bereits das implizite Versprechen der Auferstehung. Selbst noch der fortgeschrittendste Cyborg muss als sinnbildlicher Totenschädel enden. Das ist die Pointe des «dunklen Schicksals». Zu Beginn mahnt das Freispülen der Schädelstätte, am Ende verschmelzen die Schädel der Terminator-Modelle zweier Generationen in einem zugleich strafenden und erlösenden Feuer.

«Vnd es fiel das fewr von Gott aus dem Himel, vnd verzeret sie.»
Offenbarung, 20.9.

Ironischerweise dreht sich die gesamte Terminator-Saga bekanntlich im Wesentlichen darum, ob der Jüngste Tag stattgefunden hat oder nicht. Das ominöse Datum, das in allen Filmen fällt, ist der 29. August 1997, der Tag an dem die unheilvolle Künstliche Intelligenz – das Computer-Netzwerk «Skynet» – «sich seiner selbst bewusst wird», um als entscheidende Handlung einen Nuklearkrieg zu provozieren, der einen Grossteil der Menschheit umkommen lässt. Der Nuklearkrieg ist für die KI eine Selbstverteidigungsstrategie, die ihr Abschalten durch ängstlich gewordene Programmierer verhindern soll. Für die beiden ersten Terminator-Filme ist dieses Datum zugleich unmittelbare Zukunft – sie sind 1984 bzw. 1991 erschienen – als auch bereits Vergangenheit; beide Filme projizieren sich in ein postapokalyptisches Los Angeles des Jahres 2029 als Ausgangspunkt (das Jahr des Terminators sozusagen). Die verschiedenen Time-Loops der Saga machen den Ablauf allerdings hoffnungslos unbersichtlich. Für den authentisch verrückten Apokalyptiker ist die Zeit bekanntlich stets «nah» (siehe Offenbarung, 22.10). Die Terminator-Apokalypse wiederum wird zwar wiederholt aufgeschoben, aber auch sie folgt der Idee einer messianischen Zeit(-maschine). Die Vergangenheit kommt aus der Zukunft. Die Geschichte wird von dem bestimmt, der da komme. So könnte man sich beispielsweise vorstellen, Luther und Calvin wären nie geboren worden (oder ein Terminator aus der Zukunft hätte sie erwischt) und der Kapitalismus strahlte in einem wesentlich mitfühlenderen Antlitz; Pietas und nicht Verdienst und Verdammnis wäre plötzlich die Leitlinie. Dem stände allerdings der realistische hegelianische Einwand entgegen, dass dank der Durchtriebenheit des Weltgeistes schon irgendein x-beliebiger anderer arbeitsloser Mönch, der in dunkler Zeit bereitstand, den schmutzigen Job der notwendigen ideologischen Neuorientierung erledigt hätte. Anders gesagt, so ein Terminator hätte mehr zu tun, als selbst ihm lieb wäre, seine Arbeit wäre unmöglich abzuschliessen.

In ihrem Buch «The Future of an Illusion: Film, Feminism and Psychoanalysis», (Minnesota UP 1989) hat die Filmwissenschaftlerin Constance Penley eine psychoanalyischen Interpretation der ersten «Terminator»-Phantasie von der rückwirkenden Veränderung der Vergangenheit geliefert: «Die Idee, in die Vergangenheit zurückzukehren, um für ein Ereignis zu sorgen, dass die eigene Identität bereits bestimmt hat, bildet das Zentrum der Phantasie von der Ur-Szene genauso wie das Paradoxon der Zeitschleife». In der Freudschen Ur-Szene imaginiert sich das Subjekt als Zeuge seiner eigenen Zeugung durch das Elternpaar (und in den diversen Terminator-Filmen geht es tatsächlich wiederholt um diese Nacht der Nächte, der Zeugung des Messias). Das Subjekt sucht sich seine Herkunft mehr oder weniger willkürlich aus und spinnt sie in einem «Familienroman» (die Connors und der Terminator) fort. Es ist dabei für die Phantasie völlig gleichgülig, ob die ensprechenden Ereignisse stattgefunden haben (können) oder nicht.

Analog verhält es sich mit der Apokalypse. Sie ereignet sich und ereignet sich nicht. Anders gesagt: Sie droht und wird als Drohung verkündet. Die drohende Verkündung macht den apokalyptischen Ton aus: «Weltende, komm». In den Terminator-Filmen verbindet sich die Furcht vor der Atomkriegsapokalypse der letzten Phase des Kalten Krieges mit einer apokalyptischen Technophobie, die in der Aussicht auf eine denkende Maschine (das Netzwerk «Skynet») und ihren ausführenden Organen – den Cyborgs, den Menschmaschinen, die durch die diversen Generationen der Terminator-Modelle verkörpert sind – das Weltende gekommen sieht.
In James Bridles viel gelesenem Buch «New Dark Age – Technology and the End of the Future» (Verso, 2018) ist es die Idee von «computation» an sich, die für die Unsicherheit, wenn nicht gar die Verfinsterung der Zukunft verantwortlich gemacht: «Die wachsende Unfähigkeit von Technologie, die Zukunft vorherzusehen – seien es die fluktuierenden Märkte der Börsentransaktionen, die Ergebnisse und Anwendungen wissenschaftlicher Forschung oder die sich beschleunigende Instabilität des Klimas – entstammt in direkter Weise den irrtümlichen Annahmen («misapprehensions») über die Neutralität und Intelligibilität («comprehensibility») der Computerisierung («computation»)», heisst es dort.

Im sechsten Kapitel der Offenbarung des Johannes reitet bekanntlich eine kleine Schwadron der Personifikationsallegorien ein – die vier Reiter der Apokalypse. Der erste Reiter auf dem weissen Pferd steht dabei für die «Macht» (des Gotteswortes), der schwertbewaffnete zweite Reiter des roten Pferdes ist die Personifikation des Krieges (der Massenvernichtung). In der Terminator-Phantasie spielen die ersten beiden Reiter in ihren gegenwärtigen Entsprechungen – die Künstliche Intelligenz und der Nuklearkrieg – eine offensichtlich gewichtige Rolle. Auch Bücher wie «New Dark Age» folgen diesem persuasiven Aufzählungsprinzip. Das Unheil beginnt mit Technik und Wissenschaft und bald schon ist die Zukunft abgeschafft. Gleichsam zur Komplettierung der apokalyptischen Phantasie lassen der dritte Reiter – Träger einer Waage, Personifikation der Hungers – sowie der vierte Reiter auf dem fahlen Pferd, der gute, alte Gevatter Tod, Personifikation von Seuche und Pestilenz selten auf sich warten.

Dem Hunger entspricht in gegenwärtigen Begriffen die Bank bzw. die Börse. Die mit diesen eng verbundene, popkulturell allgegenwärtige Figur ist wiederum der Zombie. Schon Gilles Deleuze hat in der Apokalypse des Johannes von Padmos eine Art Zombie-Literatur gesehen. Und zwar in expliziter Ablehnung eines «überhistorischen Gefühls vom Ende der Welt, mitsamt der atomaren, ökonomischen, ökologischen und Science-Fiction-Panik». Die Aufassung von Deleuze war dabei die eines zähen «survivalist»: «Wenn wir in der Apokalypse schwelgen, so eher deshalb, weil sie in jedem von uns Lebens- und Überlebens- und Urteilsweisen wachruft. Sie ist das Buch jener, die sich für Überlebende halten. Sie ist das Buch der Zombies.» Die Deleuzschen Zombies erschienen 1978 zunächst als Vorwort zur französischen Übersetzung des letzten Buches von D.H. Lawrence, einem elaborierten Kommentar der «Apokalypse». Damals waren Zombies noch ums Überleben fressende Bürger der Konsumgesellschaft und keine Synonyme für von Gratiskrediten am Leben gehaltene Banken und Börsenunternehmen.

So schreibt der durchaus apokalyptische Erziehungswissenschaftler Henry A. Giroux in der Einleitung seines Buches «Zombie Politics and Culture in the Age of Casino Capitalism» (2009): «Die Zombies des 21. Jahrhunderts entsteigen längst nicht mehr dem Grabe, sie bewohnen vielmehr die reichen Stätten der Wall Street und wandern in den Hallen güldener Monumente der Gier von Goldman Sachs.»

Der Platz von Seuche und Pestilenz schliesslich, der vierte und letzte apokalyptische Reiter, wird vom Klima, der Natur und dem Problem der Bevölkerung eingenommen. Die Menschheit ist in dieser Perspektive keine, die überlebt, sondern schlicht zu viel ist. Die zu viel konsumiert, zu viel Auto fährt und zu viel atmet. Die popkulturelle Entsprechung findet sich in den beiden letzten Avengers Filmen «Infinity War» und «Endgame», in denen die neomalthusianische Überzeugung von Begrenztheit der Ressourcen und Überbevölkerung im Universum dazu führt, zumindest zunächst eine Hälfte dieses Universums konsequent auszulöschen. «Infinity War» endet mit der Kontemplation eines von allem Lebenden leergeräumten milchig rosa Landschaftsbildes. In «Endgame» wird die Aulöschung, nachdem eine zwischenzeitlich geplante vollständige Befreiung des Universums von lebendigen Wesen gescheitert war, durch eine allgemeine Wiederauferstehung wenig überzeugend zurückgenommen. Die vier Reiter der Apokalypse heutzutage sind also: die Technik (die KI), die Bombe (das Atom), die Bank (die Börse, das Geld) und das Klima (die Bevölkerung). Im «Terminator»-Universum kämpft die Menschheit aber noch heute zäh wie die alten Zombies (die ohne Aktien) ums Überleben. Der neue Film «Dark Fate» spielt im Jahre 2022. Die inzwischen ergraute Sarah Connor/Linda Hamilton (offensichtlich ist seit den 90ern eine lineare «biologische» Zeit vergangen) kann sich nicht sicher sein, ob es eine Zukunft gab, in der sie die Welt gerettet hat.Trotzdem stellt sie sich ihren designierten Nachfolgern mit recht selbstbewusstem Lebenslauf vor: «My name is Sarah Connor. August 29th, 1997 was supposed to be Judgment Day. But I changed the future. Saved three billion lives. Enough of a résumé for you?» Zum Psychiater muss sie ob dieser Überzeugung nun nicht mehr, obwohl noch immer viele Leute vom Ende der Welt träumen.

Peer Schmitt ist Filmkritiker und Tenniskolumnist der Tageszeitung junge Welt. Er lebt und arbeitet in Berlin.

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