Die US-Rockband The Melvins half einst Nirvana auf die Sprünge. Doch ihre Version von Rock’n’Roll kennt weder Halbwertszeit noch Vergleiche.

Mike Noble vor 3 Jahre
How many things catch on fire as The Melvins travel? This power should be harnessed! Please to upload more.

Poly Bun vor 3 Jahren
+Mike Noble fucking everything… last time I went to see them there was a damn earthquake mid show.

Mike Noble vor 3 Jahren
The Melvins definitely fuck shit up. 

(Youtube-Kommentare unter einem Ausschnitt ihres Films «Accross The USA In 51 Days: The Movie!»)

FGvO 1982
Hardest working band in the world. Unbelievable, never lost a watt in energy since the eighties

Coup sur Coup Records
The greatest and hardest working American rock & roll band since Cheap Trick. Constantly on the road and putting out records, for themselves first, and us if we want in. Gotta love this.

Grover Monster vor 11 Monaten
Melvins never disappoint.

(Youtube-Kommentare unter dem Clip von ihrem Auftritt im «House of Strombo», Juni 2018)

Oliver Brown vor 2 Jahren
i dont understand why they didn’t get massive. they had the name, the songs and the image.

Steve Shomo vor 1 Jahr
The Melvins are the past, the present and the future of music all at once.

Adhesive Boi vor 3 Jahren
My favorite thing about Melvins is the goofy personality.

Dexenation Gracey vor 2 Jahren
Grungtallica.

(Youtube-Kommentare unter dem Clip zum Song
«Revolve» vom Album «Stoner Witch»,1994)

«There’s enough bands in tune, there’s enough bands with messages. People shouldn’t look to us to do that. We don’t have a unifying message. We don’t have a unifying anything. We make records.»
(Buzz Osborne in einem Interview im Jahr 2015)

«Anything worth doing is worth overdoing»
(Buzz Osborne über seine 100 Konzerte umfassende Solotournee im Jahr 2014)

«Zeig mir deinen Ofen und ich sag dir, wer du bist», lautet ein Sprichwort unter Reinigungsfachleuten. Und jeder, der selber schon mal bei einer Endreinigung dabei war oder bei einer sonstigen Gelegenheit genauer in einen fremden Backofen geschaut hat, weiss: In diesem Sprichwort steckt mehr als ein Quäntchen Wahrheit. Da stecken sogar ganze Jahrzehnte von geschmolzenem Mozzarella an Wahrheit drin. So viel Wahrheit, dass dieses Sprichwort vor niemandem Halt macht – auch nicht vor Rockbands. Da man aber selten die Gelegenheit bekommt, deren Backöfen auf Rock’n’Roll-Faktor zu überprüfen, hat uns das Internet im Laufe seines fortschreitenden Wildwuchses zum Glück ein paar andere Methoden an die Hand gegeben, um ihre Persönlichkeitsstruktur zu erfassen. Zum Beispiel den Kanal von Little Punk People.

Das aufschlussreichste Video, um wirklich etwas über Buzz Osborne alias King Buzzo, den Sänger und Gitarristen der US-amerikanischen Rockband The Melvins zu erfahren, ist mit grosser Wahrscheinlichkeit jenes des kleinen Punks Elliott Fullam. Der hält ihm nämlich einfach sein iPhone hin und lässt ihn über seine Öfen plaudern: Gear, Gear, Gear. Gitarre, Effektpedale, Vorverstärker, Verstärker.

Und was lernt man da über den Mann, der aussieht wie eine Mischung aus Robert Smith von The Cure und Tingeltangel-Bob von den Simpsons, und der mit seiner Band The Melvins seit den frühen Achtzigern für Kompromisslosigkeit steht? Dass er eben ganz genau weiss, was er macht. Und dass er auch klanglich immer danach strebt, sich von allen anderen zu unterscheiden.

Da ist kein Durcheinander, da ist kein Übermass. Sein Waffenschrank ist gefüllt mit massgeschneiderten Präzisionswaffen: Kompressoren, Verzerrern (z.B. dem «Melvins Pessimiser»), speziell für ihn angefertigten Gitarren aus Aluminium («They sound really fierce.»). «Ich liebe die Vorstellung, auf der Bühne Material zu benutzen, das sonst kaum jemand benutzt», sagt er und lächelt.

Wer dem musikalischen Wahnsinn, den diese Truppe seit nunmehr 36 Jahren veranstaltet, schon mal länger als 30 Sekunden Gehör geschenkt hat, der wird die ungewöhnliche lange Lebenszeit und den Kultstatus dieser Band nachvollziehen können. Jeder scheppernde Ton, jede Dissonanz, jedes Gitarrenrattern, jeder beschwörerische Chorgesang, jedes Kreischen ist bei ihnen ein Statement. Oft hat man versucht, sie in eine Schublade zu stecken: Sei’s Stoner Rock, Doom Metal oder Grunge. Aber länger als ein paar Sekunden haben sie’s nie darin ausgehalten. Bei ihnen folgt auf ein bretterhartes Stück Rock eine Coverversion eines Hank Williams Songs. Oder eben noch mal ein bretterhartes Stück, irgendwo zwischen Grunge, Sludge, Doom und Metallica. Sie machen, wonach ihnen der Sinn steht, manchmal griffigen, vorwärtsgerichteten Rock, manchmal tiefes Brummeln – und das war schon immer so.

Auf ihrer ersten Tournee durch Kanada Mitte der Achtziger spielten sie oft nur vor einer Handvoll Zuschauer und wurden als «worst band ever» bezeichnet. Nach fünf zähen Jahren konnten sie ihre Jobs an den Nagel hängen. Und nachdem Nirvana den Durchbruch hatten, unterschrieben sie beim Majorlabel Atlantic Records und verkauften 1993 mit dem Album «Houdini» über 100’000 Alben (auf dem Cover eine Illustration von zwei blonden Kindern – Typ Heidi und Geissenpeter – die begeistert mit einem doppelköpfigen Hund spielen).

Als Jugendlicher ist man besonders affin für solche Freigeistigkeit. Der Schreibende kann sich noch gut daran erinnern, wie er in einer Skatehalle Mitte der Neunziger die Alben «Houdini» und «Stoner Witch» fand und beim Hören ein ähnliches Gefühl verspürte, wie wenn man in Brasilien einen Fruchtsaft bestellt und schon nach einem Schluck von den Vitaminen durchgeschüttelt wird. Da war kein bisschen Anbiederung zu spüren. Nur Energie, viel Energie. Ein Lebenselixier für einen Teenie.

Gemixt haben sie dieses Elixier aus der Musik, die sie sich in ihrer Jugend zuführten. Platten wie: «Axis Bold As Love» von Jimi Hendrix, «Revolver» von The Beatles, «Unleashed In The East» von Judas Priest, «Exile On Main Street» und «Sticky Fingers» von The Rolling Stones, aber auch der Musik von der Punkband Flipper, den Meat Puppets, MC5, The Stooges, den Butthole Surfers, Aerosmith und Kiss. Letzteren haben sie ihren vielleicht besten Song zu verdanken: Ihre Version von «Goin’ Blind» ist dem 1974 veröffentlichten Original in Sachen Crunch und Punch um Welten überlegen. Musik, die man einfach nicht leise hören kann.

Die Geschichte mit Nirvana geht übrigens so: Kurt Cobain war ein guter Freund von Schlagzeuger Dale Crover und zugleich ein grosser Melvins-Fan. Er half der Band ein paar Mal beim Transport ihrer Ausrüstung. Schliesslich versuchte er auch, sich der Band als Gitarrist anzuschliessen. Er scheiterte allerdings, weil er beim Vorspielen so nervös war, dass er alle Lieder vergass.

Crover half Nirvana während deren ersten Studio-Aufnahmen aus und spielte 1990 mit ihnen eine kurze Tour an der amerikanischen Westküste. Schliesslich vermittelte Osbourne seinen Kumpel Dave Grohl als neuen Schlagzeuger. Dieser war nach der Auflösung der Band Scream arbeitslos geworden.

Später sollte Kurt Cobain ein Melvins-Album produzieren, wurde aber von der Band nach wenigen Tagen geschasst, weil er nicht in der entsprechenden Verfassung war.

Ihre eigene Verfassung scheint sich nie geändert zu haben. Letztes Jahr veröffentlichten The Melvins mit «Pinkus Abortion Technician» auf Mike Pattons Label Ipecac ihr 27. Studioalbum.

Adrian Schräder ist freier Journalist und arbeitet regelmässig für die NZZ, Das Magazin oder das Bieler Tagblatt.
The Melvins treten am 26. Juni um 20.30 Uhr in der Aktionshalle auf.

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