Dirty Diaries ist eine feministische Porno-Kurzfilmsammlung, herausgegeben von Mia Engberg. Die schwedische Regisseurin forderte feministische Künstlerinnen, Akteurinnen und Aktivistinnen dazu auf, feministische Pornos zu drehen. Dass alle Akteure über 18 Jahre alt sind und freiwillig mitspielen, waren die einzigen Bedingungen. Was feministische Pornos sind, lässt sich anhand dieser zwölf Filme nicht definieren, aber ebendiese Frage hat die Filmemacher und Darsteller vor eine interessante Aufgabe gestellt. So kamen die unterschiedlichsten Filme heraus und zusammen. Pornos, die mich geil gemacht haben und mich über Sexualität haben nachdenken lassen: Ist Pornoschauen blosse Selbstbefriedigung oder auch Selbstbestätigung? Was ist, wenn Leute die Gesellschaft bewusst mit ihren sexuellen Vorlieben konfrontieren? Wird anal Mainstream? Welche Rolle haben Dominanz und Unterwürfigkeit und wie viel Vertrauen steckt darin? Wie viel Hirn fickt? – Ich habe ganz eindeutig Brainshots bekommen. Die Herausgeberin Mia Engberg selbst schreibt: «So what is feminist porn? There is not one simple answer to that question, but you are about to see twelve amazing shortfilms that are challenging our gaze upon ourselves and our notion of pornography. I proudly present to you: Dirty Diaries.» Folgende Gedichte sind zu den 12 Kurzfilmen entstanden und sollen weder Antwort auf sie, noch ihre lyrische Abbildung sein. Das bin ich nach den feministischen Pornos. Eine klare Filmempfehlung.

Skin

Ich will dich in mir spürn.
Sich so sehr wollen,
dass Haut behindert.
Ich will deine Gedanken über mich
in mir; aber ich kann mich nicht
selbst eröffnen;
wohl nur im Gegenzug
dir meine Denke bieten.

Wir wissen doch beide, dass Vögeln
Keine reunion darstellt.
Doch versuchen wir weiter
Nerven im anderen
zu verlegen;
konsequent spielen
und nichts
ist gespielt.

… ich will dich
unter der Haut.
Und denke mich dir;
und denke dich mir;
wie zärtliche Schnitte.
Ich habe dich nie gefickt. Ich habe
immer mit dir gefickt.
Und mir war nie
mein Glück selbstbewusster.

Night Time

Ich freue mich, wenn mich etwas Fremdes berührt,
solang es nicht allzu fremd ist
wie ein Gedicht, wie eine dritte Hand an meinem Penis,
weil ich nicht weiß, wohin es mich führt,
etwas Vaghalsiges, bar Ungehemmtes
wie einen doppelten Wunsch, den es

in eine Gemeinsamkeit verschlägt,
die vorher schon bestand und nachher nicht verreckt.

Der Wunsch ist nur das Spielzeug.
Und Poesie und Pornos müssen sagen dürfen: Fick mich!
Das scheint so Freiheit, so Leidenschaft. So wichtig,
das keinem ein Zwang auf Ziel dräut
denn Lust ist ausweglos, sie ist Bang.
Das Gefühl hauteng gesprengt,

denn wenn ich geil bin, dann–dann weiß ich nicht zu recht,
was soll ich mit uns anfangen, vertrackt im Schoß?

Lust und Vorsicht, beide längst satt, bloß
die Nacktheit verfährt sich am Geschlecht.
Drum ficken wir zwei Hard Rock
um kurz nur durch das Ego zu vergessen,
dass wir Parzellen sind, zusammengerissen
erfahren wir Orgasmus ad hoc.
Body Contact

Ich bin: im Internet
Ich suche: Fickvermittlung
Ich habe schon öfter gesucht
Und jünger war ich naiver
Als ich jetzt naiv bin
Die freizügigsten Profile besitzen nicht
Die verschlossenen Menschen
Kontaktaufnahme fällt mir schwer
Die Angst des Ichversagens
Verschämt als zwänge ich mich
Bauen wir Rahmen mit Profilen?
Um uns besser zu verkuppeln?
Um uns besser aussehen zu lassen?
Was unterscheidet
Auf Singlebörsen Sehnsucht
Von Geilheit? Und was offline?
Was erwarten wir
Von der Verschlüsselung
Unseres Profils?
Viele von uns haben sich schon
Zum Ficken verabredet
Es wurde immer mehr getan
Vielleicht gibt es bloßen Sex nicht
Und Pornos brauchen die Geschichten
Damit der Code geknackt wird

Denn am Ende fick ich nicht
Im Internet und wir
Müssen uns immer noch kennenlernen
Was bringt also
Die Angst vor uns selbst?
Würdest du
Dein eigenes Profil daten?

Red Like Cherry

Nippelkirschen – rot, so rot, Matador
ist das die Narbe der Liebe?
Vielleicht sind wir
Teile geworden? Ins Rot geteilt
so streichle mich mit deinen Augen
und lass mich rinnen sanft wie Sand
durch deine Finger
die Gezeiten der Nippelkirschen
sie blühen – sie blühen, sie stöhnen
und wie Fieber strahlen
bereiten wir uns hitzige Gemüter
hitzige Saaten, die röter, Matador,
nicht wabern könnten, wie vor uns
wie wir uns freuen an Beführung
teilzuhaben und nichts ist bitter
an unseren Körpern. Matador
vagende Früchte der Röte,
auf uns spielt sie die Schau.
Überschäume mich mit Infrarot;
o bitte überschäume mich und
kurz sind wir ein Stück Licht,
ein Stück lautes, lautes Licht.

For the Liberation of Men

Als müssten wir uns crossdressen
Um einander zu verstehen
Man braucht niemanden
Für Toleranz – Sexus Futurus
Bei Geschlechtern
Ist es wie mit der Zukunft
Durch Ungewisses
Schleicht sich Angst ein
Der Schwanz ist kein Prospekt
Und die Fotze niemals Katalog
Sonst enden wir noch
Bei windschiefen Genitalien
Geschlechter sollen uns verbinden
– nicht trennen
Sie sind nie konkret
Gewürfelt: Zufall oder Wahrscheinlichkeit
Wir brechen gegen
Wir preschen gegen Versteinerungen
Wir brauchen kein Achat
Weder Patri noch Matri
Matrix ist keine Lösung
Ich habe keine, nur eine Losung
Ohne Lossage
An Geschlechter, an sich selbst
Niemand braucht das Gegenteil
Um sich zu identifizieren
Niemals Nemesis.

Martin Piekar ist Student der Philosophie und der Geschichte an der Goethe-Uni in Frankfurt am Main. Sein erster Gedichtband «Bastard Echo» erschien 2014, 2016 folgte gemeinsam mit Jan Kuhlbrodt «Überschreibungen» und 2018 «AmokperVers».

Comment is free

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert