Wer die Entwicklung der Stadt Zürich der letzten 30 Jahre betrachtet, kann sich dem Eindruck nicht verwehren, dass hier alles unternommen wurde, um jeder Leerstelle, jeder Brache eine Aufgabe zuzuordnen. Von Selbstorganisation und Freiheit von Konsumzwang, wie sie in den den 80ern und frühen 90ern zelebriert wurden, ist heute verschwindend wenig zu spüren. Damals liess die Stadtregierung Bewohnerinnen, Besetzerinnen und Alternative lange gewähren. Schliesslich lieferten diese den Stadtentwickler*innen viele lehrreiche Einsichten und Anschauungsbeispiele. Noch heute wird ein neues Quartierzentrum oder eine neue Einkaufsmeile gerne mit einem Hauch Autonomie aufgehübscht.
Dass ein Projekt wie das der Stadionbrache auf der einen Seite sehr viel Unterstützung durch die Bevölkerung erfährt, ist wenig überraschend. Ebenso klar sind aber auch die geringen Chancen, dass diese Brache, wie sie aktuell existiert, gegen die grossen wirtschaftlichen Begehrlichkeiten Bestand haben wird. Gerade wenn der gesetzliche Rahmen hinterherhinkt und die Nachhaltigkeit dem Markt überlassen wird, bekommen in vielen Fällen die wirtschaftlich interessanteren Lösungen den Vorrang. Denn ein «Brachliegen» von Raum widerspricht der kapitalistischen «Vernunft». Momente des Nicht-Nutzens, der Untätigkeit, die einst geschätzt waren, wurden ersetzt durch ein Paradigma der fortwährenden Aktivität. Die Brache steht damit auch subjektiv für ein Entkommen vor wirtschaftlichen Zwängen.

Dass dieser Look einer «Brache» eine gewisse Ausstrahlung hat, hat auch die Eventwirtschaft gemerkt. Verkaufsorte wie etwa der Geroldsgarten geben sich ein betont alternatives und improvisiertes Aussehen. Tatsächlich muss hier nichts mehr verhandelt werden; die Allgemeinen Geschäftsbedingungen liegen bereits vor. Doch wie bei Pflanzen, die sich stur durch den Asphalt kämpfen, gibt es auch im Stadtleben Orte und Figuren, die immer wieder neue Triebe bilden und unerwartet auftauchen.
Wir fragen in dieser Ausgabe, wie Städte mit ihrem Raum umgehen sollen, was dieser für uns Menschen bedeutet, und wie es um Auswege aus der zerstörerischen Wachstumslogik steht.

Ivan Sterzinger ist ein ehemaliges Redaktionsmitglied der Fabrikzeitung.

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