Schon kurz nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine fordern die bürgerlichen Parteien eine Aufstockung des Schweizer Militärbudgets von 5 auf 7 Milliarden Franken. Ähnlich klingt es aus Deutschland: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte bereits kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine an, dass die Bundeswehr ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen und Rüstungsvorhaben erhalten soll. Zugleich sagte er zu, Deutschland werde «von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren». Dieser gegenwärtige «Aufrüstungs-Reflex» erinnert stark an militärische Grossmachtfantasien der Schweizer Militärs während des Kalten Krieges.

Aus aktuellem Anlass schauen wir deshalb zurück in die Mitte des finsteren 20. Jahrhunderts – als man glaubte, dass sich die Welt einzig in Dichotomien erklären lässt: Ost gegen West, Kapitalismus gegen Kommunismus, Gut gegen Böse. Eine Zeit in welcher jeder gute Schweizer Haushalt mit einem Luftschutzkeller, Jodtabletten und einem Vorrat an Ravioli Konserven ausgestattet war. Der Notfall wurde dauerhaft antizipiert und prägte die Schweizer Nachkriegsgesellschaft mindestens bis zum Fall der Mauer und der Auflösung der Sowjetunion. 

Doch manchen Schweizer*innen war das «Einbunkern» allein zu wenig – man träumte von der eigenen Atombombe und Flugzeugen, welche nicht nur defensiv, sondern auch offensiv eingesetzt werden konnten. Als 1946 von Bundesrat Karl Kobelt die Studienkommission für Atomenergie (SKA) ins Leben gerufen wurde, ging es nicht nur um Kernenergie; Ziel war die «Schaffung einer schweizerischen Uran-Bombe oder anderer geeigneter Kriegsmittel, die auf dem Prinzip der Atomenergie-Verwendung beruhen». 1947 gewährte das schweizerische Parlament einen Kredit in Höhe von 18 Millionen Schweizer Franken, ohne von den militärischen Absichten Bundesrat Kobelts und somit auch der Kommission zu wissen. In der Fabrikzeitung Nr. 377 porträtieren wir das Schweizer Kernwaffenprogramm von 1945–1988 als Teil der geistigen Landesverteidigung und der paranoiden Selbstdefinition einer wehrhaften Schweiz im 20. Jahrhundert.

Gregor Huber ist leitender Redaktor der Fabrikzeitung.

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