Es ist kalt geworden in diesem Land und in unseren Herzen. Die Vorbereitungen liegen im Argen, die Heizkörper sind noch voll mit warmer Luft, die schützenden Mauern noch nicht fertig gebaut und die Gerichtsurteile laufen im Zickzack. Die Städte sind trüb geworden mit Nebel (oder ist es die Asche unserer Hoffnung auf eine bessere Zukunft?) und wir streicheln fast zärtlich über die kalten Flecken neben uns in unseren harten Betten aus unverkäuflichem Zahngold und fragen uns, ob wir jetzt gut geschützt oder doch nur einsam sind. Gold und Stille – ob wir der Liebe jemals wieder näher kommen werden mit unseren unelastischen Herzen, in diesen Zeiten, in denen wir den Mauerfall feiern, indem wir neue Mauern bauen? Ein Toast auf die Freiheit Europas, die am Hindukusch und in Lampedusa verteidigt wird. Und in Strassburg.

«Pfui», wird da eingeworfen. Ein Pfui auf den Rechtsstaat, der es nicht zulässt, dass wir unsere Sklaven so uneingewickelt halten wie uns das passt. Ein wacher Kopf ist ein unbetuchter. Pfui, spucken sie. In den Kommentarspalten und auf den Gemeindeversammlungen und in den Erstsemestervorlesungen. Pfui, wenn sie ihren Kopf aus dieser ungesunden 60-Grad-Halltung klemmen und ganz kurz wieder einmal den Blick geradeaus richten. Pfui.

Wie perfektioniert wir das doch haben, diese Kunst, die Empörung zu einem Baseballschläger zu formen, mit dem wir die Köpfe der Uninteressierten und Unentschiedenen solange zu Mus schlagen, bis auch sie in den grossen Chor der angeblich Unterdrückten einstimmen. Jene mit Jobs gerade über dem Mindestlohnniveau, die wir auf Sozialhilfebezüger hetzen. Jene, die ihren Glauben an Gott verloren haben und nun danach schreien, den Islam auszurotten. Jene, deren Perspektive am Schlüsselloch endet, weil wir ihnen den Gedanken ausgetrieben haben, das Informationen frei sind und das Informationszeitalter also jenes wäre, indem wir endlich frei wären und wie Hoffmannsche Elfen den Nationen, Völkern und anderen Vorurteilen davonschweben. Pfui.

Wir haben uns das nur selber zuzuschreiben. Zuviel haben wir kampflos aufgegeben, unsere Plätze frei geräumt und in Gartenbeizen verwandelt, unsere Kunst in die Schulhäuser getrieben, verwaltet von Mutlosigkeit, Kleingeistertum und Häusern am Waldrand, haben unsere Worte und Melodien in farblose Uniformen pressen lassen, die Türen, die sie geöffnet haben, mit Warnschildern versehen und sie in strukturierte, nährstoffarme Produkte verpackt, die wir unseren Kindern mit dem Morgenmüsli löffelweise die wehrlosen Kehlen herab zwingen. Pfui. Ein Pfui auf Spiro Agnew und das Zeitalter des Ekels, das uns doch noch eingeholt hat, vierzig Jahre, nachdem er seinen Hass wie Napalm über eine ganze Generation ausgeschüttet hat. Zeit, endlich mit dem Rauchen aufzuhören. Bald brennen wir wieder. Und wir brauchen das Benzin.

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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