Herausforderung, was für ein Wort. Ein machtvolles Wort, wenn es darum geht, dass Frauen Männer herausfordern. Was für ein Kampf, was für eine Stärke wir haben müssen, um die Herausforderung anzunehmen, unseren rechtmässigen Platz in der Gesellschaft zu finden. Dass Frauen unterminiert und missverstanden werden, erleben wir in jedem Land und in jeder Kultur, in jeder Ethnie und in jeder Religion, wir leiden unter vielen verschiedenen Formen von Missbrauch. Wie viele Frauen von uns fühlen sich sicher, wenn sie allein im Wald spazieren gehen?

Ich muss oft daran denken, wie Männer mein Frau-Sein unterminierten, weil ich darum kämpfte, eine Frau zu sein, mich für mich zu behalten. Ich wollte mein eigenes Selbstvertrauen, ich wollte meinen eigenen Verstand, ich wollte meine eigenen Ansichten haben. Männer redeten uns ein schlechtes Gewissen ein, wenn wir Stärke zeigten. Stärke war für viele Männer maskulin, eine Frau sollte feminin sein. Du solltest sexy aussehen, du solltest süss und charmant sein und zu ihnen aufblicken. Sie sollten dein Held sein. Sie sollten der Mann sein, mit Verstand und Muskeln. Das ist nicht die Welt oder der Platz einer Frau. James Brown sang «this is a man’s world» und als Jugendliche habe ich das wirklich geglaubt. Ich dachte, ohne Mann bin ich ein Nobody, ohne Mann kann ich nicht überleben, ohne Mann bin ich keine Frau, ohne Mann bin ich schwach.

Wie also sah die Welt einer Frau aus? Meine Generation, meine Kultur, tat alles, ich meine wirklich al-les für die Männer. Es war unsere Pflicht, es war unser Leben und unsere Ehre, die Männer zu ehren. Meine Ausbildung war nicht wichtig. Ich wurde darauf getrimmt, das Eigentum eines Mannes zu sein. Uns wurde bewusst gemacht, dass Jungen eine bessere Zukunft haben als Mädchen, und Mädchen wurde gesagt: Dein Platz besteht darin, eine gute Ehefrau, eine Mutter zu sein, die kocht, putzt und dafür sorgt, dass sich der Mann wie ein Mann fühlt und seine Männlichkeit wahrt.

Diese Sicht in Frage zu stellen, einfach nur ein Mädchen, eine Frau zu sein, ist eine Herausforderung, die in vielen Ländern ein Tabu ist. Eine Herausforderung, die dazu führen kann, dass Frauen grün und blau geschlagen, gesteinigt, vergewaltigt, getötet oder ihnen Säure ins Gesicht geschüttet wird. Wenn sie es wagt, eine eigene Meinung zu haben, gerät sie in grosse Schwierigkeiten. Sie wird als Männerhasserin abgestempelt, als aggressive Frau, die zum Schweigen gebracht werden sollte.

Millionen junger Mädchen sind noch immer von Genitalverstümmelung betroffen, Millionen werden in die Hände missbräuchlicher Männer geraten. Das kleine, fünfjährige Mädchen hat ihren Ehemann bereits getroffen, das ist nicht richtig, das ist falsch, das ist Grausamkeit. Es sind Mädchen, es sind Frauen: Was haben sie getan, um eine solche Herabwürdigung zu verdienen? Das ist nicht in Ordnung. Wir müssen nicht nur für unsere Freiheit kämpfen, sondern für die Freiheit der vielen kleinen Mädchen, die noch geboren werden. Sie brauchen unsere Stimme. Lasst uns die Welt der Männer herausfordern und unseren rechtmässigen Platz als Frauen mit Macht, Stärke und gleichem Respekt einnehmen. Als Frauen, die die Freiheit haben, zu denken, zu sprechen, sich zu kleiden, zu singen und zu tanzen, wie wir wollen. Schluss mit der Gewalt, Schluss mit dem stillen Leiden. Wenn wir Nein zur Gewalt sagen, meinen wir auch Nein. Wir werden unseren Worten Taten folgen lassen, bis wir Frauenrechte für jede, die in Knechtschaft lebt, errungen haben, denn es ist unser Recht, uns von den Fesseln der Ideologie von Männern zu befreien.

Die Autorin Paula Charles ist 1956 in London geboren und auf der karibischen Insel St. Lucia sowie in London aufgewachsen. Als Aktivistin für Respekt, Toleranz und Kommunikation in der interkulturellen Diskussion engagiert sie sich seit gut zwei Jahren auch in der Roten Fabrik im Rahmen der Gruppe Auf.Brechen, die es sich zum Ziel gemacht hat, diskriminierende (Gesellschafts- und Veranstaltungs-)Strukturen, Praxen und Normen zu verändern. www.paula-charles.ch
Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Kotte.

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