Wo ist sie schon wieder, die Taste «any» beim Dialogfenster «Press any key to continue»? Täglich stolpern wir über einzelne Dialoge mit dem Personal Computer. Wir verstehen den Computer nicht. Der Computer versteht uns nicht. Die Geschichte des Personal Computers ist auch eine Geschichte der Gestaltung der Schnittstelle zwischen Menschen und Maschinen. Es ist eine fragile Beziehung, die mit Fluchwörtern beim Nicht-Finden der richtigen Funktion, blauen Bildschirmen beim Abstürzen des Computers und Heureka schreien bei Erfolgserlebnissen gespickt ist.

In diesem Beitrag möchten wir die Entwicklung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine über doch schon bald ein halbes Jahrhundert aufzeigen. Wie veränderte sich die Interaktion zwischen Mensch und Computer? Was blieb von Technikgeneration? Was gibt es nicht mehr? Und was kommt wieder?

Am Anfang war das Terminal und der Cursor, der b l i n k t e. Er wartete auf eine Texteingabe in der Form eines Befehls. Die Art der Kommunikation veränderte sich weg von Maschinencode durch Experten für die Maschine hin zum einfachen Steuern der Maschine mit einer Tastatur und Röhrenmonitor. Befehle wurden mit der Enter-Taste, der Nachfolgerin der Return-Taste der Schreibmaschine, übergeben. Die Nutzung einer Kommandozeile war eine grosse Vereinfachung. Befehle mussten nicht mehr in Maschinensprache geschrieben werden. Einfache englische Befehle, wie LOAD, SAVE & RUN wurden möglich. Auch wenn es für uns heute banal erscheint: die Möglichkeit, eine Maschine mit «Geschäftsenglisch» bedienen zu können, war zumindest ein Werbeargument für einen der ersten Allzweckcomputer mit dem Namen UNIVAC. Ein Lernaufwand war weiterhin nötig und der Bedarf an Menschen, die Computer bedienen konnten, stieg. Die Kommandozeile wurde zunehmend zur dominanten Form der Interaktion zwischen Mensch und Computer und die Verbreitung von Computern für die Arbeit nahm zu.

Interaktion über Kommandozeilen beschränkten die breite Nutzung von Computern und neue Ansätze wurden gesucht. Eine revolutionär andere Art der Interaktion wurde 1968 erstmals einer kleinen Expertenöffentlichkeit im Rahmen einer Demo gezeigt. Doug Engelbart führte bei der heute als «Mutter aller Demos» genannten Show in die Potentiale eines graphischen Interfaces mit Maus, Tastatur und Bildschirm ein. Plötzlich ist nicht mehr der blinkende Cursor das Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern ein kleiner Pointer, der mit einem aus Holz geschnitten Kästchen mit einem Rädchen bewegt werden konnte. Befehle mussten nicht mehr eingetippt werden, sondern konnten durch Mausbewegung und Klicken auf ein Symbol ausgelöst werden. Für uns heute Selbstverständlichkeit. Damals jedoch war die Vorstellung, dass die Bewegung eines Objektes auf einem Tisch dazu führt, einen Zeiger auf einer virtuellen Fläche zu bewegen, neu und erstaunenswert. Es dauerte durchaus fast zwei Jahrzehnte, viele Experimente im XEROX Lab, bis graphische Interfaces für Endnutzer einfach verfügbar wurden. Für die Entwicklung der grafischen Oberfläche und des Personal Computers arbeiteten Ethnologen mit Ingenieuren zusammen. Sie schufen ein virtuelles Abbild der beobachteten Realität der amerikanischen Büros in den 70er Jahren und trieben die Idee eines kleineren Computers für Büro, Schule und Zuhause voran.

Die ersten Personal Computer nutzten noch keine grafische Oberfläche. Trotzdem gewannen sie an Beliebtheit, da sie gerade im Büroumfeld den Zugang zu Anwendungen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation vereinfachten. Gerade die Tabellenkalkulation wird mit dem Apple II zur ersten sogenannten «Killerapp» und bedrohte die grossen Rechenmaschinen unter anderem von IBM. IBM reagierte mit dem billigeren standardisierten PC mit Microsoft DOS. Dies wiederum zwang Apple zu reagieren und führte zum ersten Befreiungsschlag von Apple mit dem Apple Macintosh. Mit einer pompösen Werbung, die auf den Big Brother aus George Orwells Roman «1984» anspielte, kündigte Apple eine neue Ära des Computers an und wurde zum Pionier bei der Verbreitung von neuen grafischen Interfaces. Das Potential der innovativen Bedienungsart war jedoch zu Beginn nicht offensichtlich. So finden sich kritische Expertenstimmen, wie beispielsweise der Computerjournalist John C. Dvorak, der über den 1984 erschienen Macintosh sagte: «The macintosh uses an experimental pointing device called a «mouse». There is no evidence that people want to use these things.»

Trotz dieser anfänglichen Skepsis setzten sich die grafischen Oberflächen durch. Neben der offensichtlichen Veränderung weg vom Text-Interface hin zum grafischen Interface, gab es subtilere Änderungen, welche die Bedienung vereinfachten. Bei der Texteingabe startet man mit dem Kommando, gefolgt von dem zu manipulierenden Objekt. Beim grafischen Interface startet man mit dem Objekt und erst dann mit dem Befehl. Ein Vorgehen, das unserem gewohnten Alltagsdenken mehr entspricht, da wir zuerst etwas in die Hände nehmen und erst dann bearbeiten können. Dazu mussten viele neue Symbole her und die Metapher des virtuellen Schreibtisch verfeinert werden. Dateien hatten nicht nur einen Namen, sondern bekamen auch Icons. Ordner konnten in sich selber verschachtelt sein und eine Schreibtischoberfläche bat unendlich viel Platz für ein Gemisch von Dateien, Ordnern, Programmen, Disketten, Festplatten und einem Abfalleimer. Der virtuelle Schreibtisch war nie voll. Die Diskette jedoch schon und sie konnte über das Leeren des Abfalleimers «aufgeräumt» werden. Hinzu kam, dass man nicht nur Abfall, sondern auch Disketten in den Eimer warf. Diese wurden dadurch physisch ausgeworfen und glücklicherweise nicht gelöscht. Das Disketten-Icon hat zudem seine Zeit überlebt und existiert weiterhin als Symbol für Speichern. Jüngere Computernutzende haben wohl noch nie ein echtes Exemplar davon gesehen. Über allem thronte eine Menüleiste, welche fast überall gleich war, aber eben doch je nach Betriebssystem oder Programmversion unterschiedlich.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Computern und der Entwicklung von immer mehr Programmen für Büro- und Heimanwender durch viele Softwareunternehmen wurde die Benutzbarkeit von Programmen immer wichtiger. Apple veröffentlichte deshalb 1987 einen Human Interface Guide, bei dem es aber nicht nur um Konsistenz ging, sondern auch um das Verhältnis und die Art der Kommunikation zwischen Computer und Mensch. Feedback des Computers sollte verständlich in der Sprache des Anwenders und nicht des Programmierers sein. Ein Beispiel sind Fehlermeldungen. Wer kennt sie nicht, die kryptischen Codes oder Symbole, wie den Code «404 – Page not found» beim Surfen oder die kleinen Bomben beim Absturz der ersten Apple Macintosh oder Atari ST. Eine weitere Empfehlung bezog sich darauf, dass die Kontrolle beim Mensch und nicht beim Computer liegen soll. Ein noch heute aktuelles Thema, das heute auch ethische Fragen aufwirft. Damals ging es noch um banalere Fragen, ob beispielsweise der Computer absturzgefährdende Aktionen unterbinden soll oder nur auf die Gefahr hinweisen. Zudem sollten die Anwender immer wissen, was der aktuelle Stand ist. Das gelang mal besser und mal schlechter. Ein Beispiel dafür ist die drehende Sanduhr oder sich immer wieder verlängernde Zeitangaben. Sie zeigen uns, dass der Computer am Arbeiten ist und keine Zeit für weitere Befehle hat.

Die grosse Innovation der Human Interface Guidelines war, dass dank ihnen die vielen unterschiedlichen Anwendungen gut bedienbar waren und der Computer ein Werkzeug wurde für alle. Im Gegensatz zu beispielsweise MS DOS, bei dem jedes Programm unterschiedlich zu bedienen war, und bei dem es noch fast ein Jahrzehnt brauchte, bis endlich ein brauchbares graphisches Interface als Überbau zu MS DOS verfügbar war. Die Debatte über Sinn und Zweck von Graphical User Interfaces (GUIs) lief zum Teil emotional. Die Abkürzung WIMP (Windows Icon Menu Pointer) entstand auch dadurch, dass man Anwender eines grafischen Interfaces als Feiglinge abstempeln wollte. Die Kommandozeile wehrte sich!

Es ist 1992. Das Internet ist in Europa und der Schweiz angekommen. Aber nur Nerds nutzen es. Die Gründe dafür sind vielfältig. Teil davon sind die hohen Telefonkosten, die durch die Verbindung mittels Modem anfallen. Ein weiterer wichtiger Grund ist, dass zu diesem Zeitpunkt das Internet weitgehend text-orientiert und auf die Nutzung durch Experten ausgelegt ist: Die Adressen von Computern müssen bekannt sein, um Informationen dort abzuholen oder abzulegen. Die Experten nutzen Kommandozeilen-Programme, um E-Mails und Textdokumente auszutauschen.

Die Situation ändert sich mit der Verbreitung von Web-Browsern: Angefangen mit dem «Mosaic»-Browser (der zum Netscape Navigator wird) und insbesondere mit dem Microsoft «Internet Explorer», der auf günstigen Windows PCs als Teil des Betriebssystems mitgeliefert wird. Was früher nur Experten vorbehalten war, ist nun per blauen Hyperlink mit einem Klick erreichbar. Der Hyperlink bringt die drastische Vereinfachung der Internetnutzung. Die Verbindung von Text und Bildern im Browser macht das Medium attraktiv für die Allgemeinheit. Dies wiederum führt dazu, dass der Zugang zum Internet zunehmend billiger und einfacher wird. Der Durchbruch in der Schweiz kommt, als die Telecom PTT im September 1996 den ersten grossflächigen Internet-Service «The Blue Window» mit Einwahl zum Ortstarif startet – die jüngeren Leserinnen und Leser dieses Beitrags sollten nun «Ortstarif» googeln… Auch die Print-Medien helfen, das neue Phänomen der Bevölkerung näher zu bringen. 1997 erklärt die Süddeutsche Zeitung ihrer Leserschaft: «Hyperlink: Hervorgehobene Elemente, meist blau unterlegte Wörter einer HTML-Seite, die angeklickt zu weiteren Dokumenten führen. Ein Hyperlink verknüpft Textstellen mit zusätzlicher Information, die auf beliebigen Internet-Rechnern gespeichert ist.» Damit alles seine Richtigkeit hat, findet man den Eintrag «Link siehe Hyperlink» seit 1997 in den deutschen Wörterbüchern.

Für stressfreies Surfen war der «Zurück»-Knopf – der untrennbare Zwilling des Links – noch fast wichtiger als der Link selber. Der «Zurück»-Knopf erlaubt Mut beim Surfen: Wenn sich herausstellt, dass man beim Verfolgen von Links ins Abseits gesurft ist, ist man mit wenigen «Zurück» wieder dort, wo man falsch abgebogen war.

Günstige PCs mit graphischem Nutzerinterface, der WWW-Browser mit blauen Links, der «Zurück»-Knopf und die immer attraktiver werdenden Inhalte waren Voraussetzung und gleichzeitig Beschleuniger der Verbreitung des PCs. Der PC als «intelligente Schreibmaschine» hatte es bis 1990 nur in etwa jedem siebten Haushalt der Schweiz geschafft. Im Jahr 2000 hatte jeder zweite Haushalt einen PC mit Internet-Zugang. Nochmals zehn Jahre später war es nur noch eine Minderheit (jeder sechste Haushalt), die keinen Internet-Anschluss hatte!

Nach allgemeiner Meinung sind wir heute im «Post-PC»-Zeitalter angekommen. Schon seit 2011 nehmen die PC-Verkäufe ab. Smartphones und Tablets haben dem PC als Zugangsgeräte zum Internet den Rang abgelaufen. Seit 2013 verzeichnet Facebook mehr mobile Nutzer als PC-Nutzer. Ist das WIMP User-Interface demnach tot? Totgesagte leben länger: Denn auf manchen Smartphones und Tablets erscheinen heute ein Mauszeiger mit Hover-Informationen und Dokumente in Ordnern. Auch die Kommandozeile ist noch da, meist als Suchfeld getarnt.

Trotzdem hat sich seit dem mobilen Internetzugang vieles verändert. Wir sind 24/7 online, die Smartwatch sendet unsere Körperdaten in die Cloud, wo diese mit anderen Daten diverser «Smart Devices» und Sensoren zusammengeführt werden können. Immer mehr von unserer Umwelt wird durch Sensoren erfasst und erhält dadurch eine Repräsentation in der virtuellen Welt. Wir selber bewegen uns durch diese Welt als blauer animierter Punkt auf der Karte des Smartphones. Dieses kennt unsere Termine, die Verkehrsmittel in der Nähe sowie die Verkehrssituation und navigiert uns so sicher und termingerecht zum nächsten Treffpunkt. Zuhause lauschen Alexa und Echo auf unsere Wünsche und übertragen diese – ob richtig verstanden oder nicht – in die Cloud. Technologisch haben wir damit das Ziel des von Mark Weiser vorhergesagten «Ubiquitous Computing» erreicht. Einzig seine Vorhersage, dass dies zu einem «Calm Computing» führt, einen Umgang mit Computern, der weniger unserer Aufmerksamkeit beansprucht, hat sich bis jetzt nicht bewahrheitet…. Und Missverständnisse zwischen Computer und Menschen sind noch heute an der Tagesordnung.

Daniel Boos setzt sich für das Thema Human Centered Design in Unternehmen ein und exploriert mit dem Dock18 Medienkulturen. Beruflich führt er das User Experience Team der SBB. Markus Stolze ist Professor für Interaktive Technologien an der OST in Rapperswil, SG. Er leitet dort das Nachdiplomstudium «Human Computer Interaction Design». Daneben engagiert er sich bei UX Schweiz, dem Schweizer User Experience-Netzwerk.

Ein Kommentar auf “Eine on/off Beziehung über ein halbes Jahrhundert

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  1. […] Auswahl der Themen und passenden Autorinnen. Gemeinsam mit Markus Stolze und ich haben den Beitrag “Eine on/off Beziehung über ein halbes Jahrhundert” zur Geschichte der Mensch und Computer Interaktion geschrieben.Die Beiträge sind online und das […]

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