heute habe ich es nicht weiter als
bis zum kompost geschafft
es war sehr warm und schön

*

es wird einem nie langweilig mit
einem menschen
der lesen kann sagt mein vater
und fährt mich
auf seiner velostange durch die stadt
in meinem kopf

*

zähne frisörin (nach w.c.w.)

von zähnen
die frisörin
die frisörin
sprach

du hast ja mega lange haare
sprach
und schnitt mein leben
mit schon fliegendem blick

weine nicht
die wachsen nach
sprach
ich zu meiner puppe herbert

du hast glück
sprach die frisörin
ich höre auf
bald bin ich weit
sprach
weg im französischen
dorf meiner kindheit
in der bar mit jugendfreunden
auf dem töff eines geilen typen
ich krieg immer einen drink

sprach
meine eltern
in rage
sprach
und dünnte mein leben
wahllos aus
sprach
reden nicht mehr mit mir

dabei hat mein vater
seit den 70ern
sprach
ein gebiss
sprach
weil ihm in rom
im gefängnis
lsd
alle zähne ausgeschlagen
sprach
und ich
will auch nicht mehr brav sein

*

drei möwen stehen am faschobrunnen und tunken
eine nach der anderen
die köpfchen ins wasser und trinken
eine setzt sich hinein und schwimmt
zufrieden wie ein schiffchen
fern vielleicht im möwenhirn
eine erinnerung ans meer

die vögel fliegen aus meinem kopf
schreiend
in die pinien vor meinem fenster

Michelle Steinbeck ist Autorin und Redaktorin der Fabrikzeitung.
Die Gedichte stammen aus dem neuen Buch 2018 «Eingesperrte Vögel singen mehr» (Voland & Quist)

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