Beim Spaziergang am Seeuferweg, beim Baden rund ums GZ Wollishofen, beim Heimweg von der Roten Fabrik. Am Kiesweg unter dem Kran in Wollishofen kommt man nicht vorbei. Dabei entstehen auch bleibende Erinnerungen an diesen Unort, der so viel Freiraum ermöglicht.

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Die Rap Veranstaltung «Freestyle am Wasser», die Sven, ein befreundeter MC und ich seit 1999 organisierten, wurde 2004 von der Metallwerkstatt im Dynamo Zürich in die Rote Fabrik verlegt. Das Soundsystem wurde neben dem Kran aufgebaut: Industrie-Züri-Underground-Feeling. Ich, inzwischen 24, hielt meine kleine, erst ein paar Monate alte Tochter im Arm. Die Beats pumpten. Die Sonne schien, es wurde gequatscht, gefreestylt, und an einer kleinen improvisierten Bar gab es kühle Getränke zu günstigen Preisen. Wer Lust hatte, sprang ins Wasser. Badehosen und Freestyle Rap – wir liebten den Vibe, der sich wie ein unendlicher Urlaub anfühlte. Meine Tochter sah mir in die Augen. Würde auch sie eines Tages in der Roten Fabrik, neben dem im Wasser spiegelnden Kran, mit Freund*innen Musik hören und bis zum Morgengrauen abhängen? Unter dem Kran über die Welt philosophieren? Unter dem Kran die Wände besprühen? Unter dem Kran an einer illegalen Party tanzen? Vom Kran ins Wasser springen? Würde auch sie ihre Jugend an diesem Unort verbringen wollen? In meiner Erinnerung ist es ein unvergesslicher Unort, der mich beim Erwachsenwerden begleitete und dies immer noch gelegentlich tut.

Eric

Ich habe mich früher dort rumgetrieben. Der Kran war einen Sommer lang ein begehrter Sprungturm für unsere Clique. Obwohl es natürlich nicht erlaubt war, haben wir uns auf den blauen Kibag-Balken begeben. Sehr beliebt war es, ein Tau zwischen den Trägern zu spannen, an dem man sich ins Wasser schwingen konnte. Später verlagerten wir unser Spot auf die andere Seeseite ins Tiefenbrunnen, da wir freundlich gebeten wurden, an einem anderen Ort zu baden. Dieser Ort verkörpert für mich eine Teenager-Sommerzeit.

John Player

Wir hatten uns in den Nullerjahren mehrmals während der Streetparade beim Kibag-Kran für eine handgestrickte Technoparty eingerichtet. Der Anlass hatte sich zu einem festen Wert bei den zwischen City und Rote Fabrik pilgernden Partybesucher*innen entwickelt. In einem Jahr – die Party hiess damals bezeichnenderweise «The Lost Heimweg» – hatten wir uns dafür eine riesige Anlage ausgeliehen. Einige fingen da bereits am Donnerstag an zu feiern, was schon zu früh ersten Repressionen führte. Als ich dann in der Nacht auf Freitag zusammen mit Plastique de Rêve am auflegen war, merkten wir, dass hinter der Kibag-Mauer Cops daran waren, die ihre Möglichkeiten für einen Zugriff zu überprüfen. Plötzlich – hellfire! – seilten sich die Cops vom Kran herunter und begannen, die Party zu raiden. Dafür setzten sie Tränengas ein und begannen sofort damit, Teile unseres Equipments abzuräumen und zu beschlagnahmen. Da sie zuerst mit dem Equipment für die Video-Projektionen begonnen hatten, hatten wir glücklicherweise Zeit, die Turntables zu verstecken. Kurz nachdem sie wieder weg waren, wussten wir, dass wir keine Zeit verlieren durften. Wir holten einen Turntable hervor, einen Mixer und spielten sofort einen Track, um die Leute wieder dabei zu haben. Für das beschlagnahmte Material gab es später mehrere Soliparties. Und in den Nachrichten liess sich am Tag darauf als Rechtfertigung für die grossformatige Aktion eine Stadträdtin mit der Aussage zitieren, dass «wer an der Streetparade noch eine illegale Party veranstalten muss, der hat also denn Sinn der Parade überhaupt nicht verstanden»… Grossartig!

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