Das hat unser Leben verändert.
Dieser seltsame
letzte Erlass des Präsidenten.
Es schien, er war einigermassen gewöhnlich,
und doch enthielt er
etwas Ungewöhnliches, dort,
hinter der Trennwand der Wörter,
buchstäblich einen
«Unterwasser-Satz».
Er veränderte alles.

Machiavelli und Hobbes hätten sich
das nicht ausmalen können.

Der Präsident wusste seither nicht einmal, wer er ist.
Vielleicht war er gar nicht der Urheber
dieses Erlasses:

Weder sein Hirn, noch seine Hand, noch sein Mund.

Das ist irgendein neues Wissen. Alle rasteten aus.

Dann funktionierte das Fernsehen nicht mehr.
Das Internet wurde abgestellt. Die Technik
entzündete sich in den Händen der Nutzer.
Alle Tiere waren irgendwohin verschwunden.

Gehorsam? Aber –
wer und gegenüber wem?
Davon konnte schlicht keine Rede sein.

Die Satelliten kamen ausser Betrieb.
Alle hörten nach und nach auf,
übliche Speisen zu essen, und wechselten
zu alternativen Nahrungsquellen.
Ich ging von Zuhause fort, mit einem Papierheft und einem Bleistift,
und begann mit meinen Versuchen,
all das festzuhalten.

Jetzt hats keinen Sinn mehr nach Hause zurückzukehren.
Bin in einem Versteck.
Gebe anderen weiter, was aufgezeichnet wurde,
fertige Abschriften an
in der Finsternis.

Das vorliegende Gedicht wurde bereits 2020 publiziert.

Schwarzes Rezeptar

Wer trug in die landkarte seiner zustände
deine kindliche verachtung ein,
die spiegelglatten handflächen des flussgrundes?

die umwelt bebt, sobald wir
darin erscheinen.

hallo, ich bin ein tier,
ich bin ein tier ohne laut,
die leeren netze der natur, sehen sie mich,
tropfen herab.

auf dieser erde
kümmert es kein einziges ding,
was wir einander sagten.

erfinde mir einen apparat – schwarzes rezeptar –
in der tiefe des schlafs, in der finsternis bitterer pharmazie,
wo mondsuchtgeräusche, wo klapperkörper sich finden

der apparat brennt in der wüste.

aber du hast keinen blick. du kannst es nicht sehen.

erfinde mir einen körper, eng, wie eine sehne des bogens,
anstelle der fetten berge, auf denen schwer wandern ist,
und der mürben klümpchen gefühl,
erfinde mir einen körper,
beschämend, wie der blick eines objektivs.

hallo, glückloses tier, schmerztier,
tier der melancholie, tier psychose,
mein anverwandtes, du trägst das ende der zeit
auf der spitze des schweifs, deine augen
brennen rot
in der finsternis bitterer pharmazie,
deine spiegelglatten handflächen, wie die räume des flussgrunds, sie tragen
die körnchen der metamorphose.

Galina Rymbu, am 20.7.1990 in Omsk geboren, ist Lyrikerin, Übersetzerin und feministische Aktivistin. Sie lebt in Lwiw, wo sie derzeit immer wieder vor dem Bombenhagel der russischen Streitkräfte in Deckung gehen muss.
Übersetzungen von Alexander Estis

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