Seit über einem Jahr tragen alle Masken, was unserer individualistischen Zeit nicht wirklich entspricht. Nur Neonazis, Sportfans und Teenager kleiden sich gern uniform, alle anderen empfinden ihr Charisma sofort als unvorteilhaft eingezwängt. Das hat dazu geführt, dass einige Menschen damit begonnen haben, «lustige» Masken zu tragen. Der Nachteil an «lustigen» Masken ist, dass sie selten bis nie lustig sind. Meistens ist ihr Anblick schlicht verstörend.

Morgens um acht im Bus verkraftet man noch keine Menschen mit aufgerissenen Haifischmäulern. Dasselbe gilt für gefürchige Clown-Münder, Katzenschnauzen, Babymünder mit Nuggis: Eher, als dass eine mitreisende Person bewundernd darüber lacht, nach Selfie und Telefonnummer fragt und nebenbei diskret eine Hunderternote zusteckt, fällt sie vor Schreck in Ohnmacht. Und das belastet dann unser Gesundheitssystem wieder zusätzlich.
Dasselbe gilt für Masken mit lustigen Sprüchen darauf. Sie machen oft eher traurig. Etwa der Anblick eines älteren Alkoholikers, wie er auf einer Bank seinen vormittäglichen Rausch ausschlief und dabei eine Maske mit der Aufschrift «Held der Arbeit» trug.
Besser also, wenn wir alle diesen Winter noch diese langweiligen medizinischen Masken tragen. So langweilig sind die übrigens gar nicht; ich stelle mir zum Beispiel jeweils vor, dass ich eine reiche Zahnchirurgin mit Wohnort Küsnacht sei. Dort bewohne ich allein eine 5-Zimmer-Eigentumswohnung mit Bodenheizung, grosser Terrasse mit Blick auf den See und eigener Waschmaschine und Tumbler. Und einem Teich mit Kois drin, um die ich mich aber nicht kümmern muss, denn das macht der Koipfleger Silvio. Der war früher Mediensprecher für die Credit Suisse, jetzt hat er seinen Rücken mit Kois volltätowiert und trinkt jeden Mittwoch Nachmittag mit mir ein Cüpli auf meiner Terrasse und ich berate ihn wegen seinem nächsten Zahnbleaching. So bin ich immer überglücklich, wenn ich die Maske wieder ausziehen kann und merke, dass ich nicht bald Amok laufen und Silvio, die Kois und mich mit einem Zahnbohrer umbringen muss.

Und wenn mir danach ist, mich als Nicht-Goldküsten-Zahnchirurgin zu outen, dann setze ich einfach einen exzentrischen Hut auf. Es gibt wirklich fast nichts, das besser ist als exzentrische Hüte. Sie verleihen Individualität, Originalität, Modebewusstsein und je nach Höhe auch Sendungsbewusstsein. Überhaupt: Menschen mit Profil tragen heutzutage Hut! Alain Berset, die Queen, der Papst, im Übrigen auch alle anderen Päpste und Heinis von irgendwelchen Kirchen und Religionen – eigentlich tragen alle gern exzentrische Hüte! Und nun, da das Fest der christlichen Nächstenliebe naht, sind sie natürlich das perfekte Geschenk! Und am schönsten sind Geschenke, wenn sie selbstgebastelt sind. Scheuen Sie keine Mühe und versuchen Sie, möglichst viele trendige Basteltechniken in einem Hut zu vereinen. Shabby Chic, Serviettentechnik, Glasfusing, Makramee, Salzteig… lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Für den esoterischen Onkel einen Hut mit Dream-Catcher-Schleier und für die katholische Tante eine Kappe mit Kreuz! Achten Sie einfach darauf, dass das Kreuz nicht zu hoch ist, sonst könnten Sie für eine 5G-Antenne gehalten werden.

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern, studierte Filmwissenschaften, Drehbuch und Literarisches Schreiben in Zürich, Ludwigsburg und Biel. Gründete 2013 zusammen mit dem Künstler Simon Krebs das Büro für Problem.

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