So jetzt aber mal im Ernst: Haben wir eigentlich alle den Verstand verloren? Als ob es weiss Gott (und wir wissen alle, sie ist immer schuld) nicht schon genug Krieg gäbe auf der Welt, stehen wir scheinbar kurz davor, bei uns den nächsten Bürgerkrieg anzuzetteln. Von der «Endschlacht um die Menschenrechte» schwadronieren da die einen, während die anderen fantasieren, es sei der Moment gekommen, «wir müssen unsere jahrhundertealte Demokratie gegen die EU-Apparatschiks verteidigen» (Zitat CB Altbundesrat auf FB) – und irgendwie weiss man nicht so recht, wer von beiden Seiten mehr einen an der Waffel hat.

Bei so viel Hysterie wünschte man sich beinahe, die würden das wirklich mit den Methoden von 1847 regeln – «Sonderbundskrieg, kennsch?» wie der Jugendliche am Telefon neben mir gerade ins Handy fragt. Alle auf Feld, Wald, Wiese oder ähnliches und dann Bumm. Und seien wir doch ehrlich: Im Vergleich dazu, was wir bei all dem Geschrei tatsächlich aufs Spiel setzen, Zusammenhalt, Gewaltenteilung, Konkordanz (Prost!) usw., könnten wir mit einer Wiederholung des «Bürgerkrieglis» (Zitat Gallus Jakob Baumgartner, Binder des St.Galler Faschobündels) doch nun wirklich leben, nicht? Wer würde heute noch viel Aufhebens machen wegen sechsundzwanzig toter Katholiken. Denen sterben pro Jahr ja schon mehr Bundesratskandidaten (männliche Form beabsichtigt) aus Ehebruch und anderen natürlichen Ursachen weg. Kennt ihr noch das alte Ministrantenspielchen? Wenn du dir deinen Joint an einer Altarkerze anzündest, stirbt irgendwo ein Katholik. Mit ein bisschen Glück ist es Geri Pfister oder Vitus Huonder.

Anders gefragt: Im Zeitalter, in dem die meisten von uns ihre Mahlzeit nur geniessen können, wenn das entsprechende Bild davon mehr als hundert likes generiert, in einer Zeit, in der der buddhistische Extremist Andreas Thiel mit Kampfbundführer Roger Köppel über Meinungsfreiheit diskutiert, einer Zeit, in der wir auf der Suche nach Frauen für den Bundesrat bei Karin Keller-Sutter landen, was soll denn das schon heissen: Selbstbestimmung? Wir wissen ja kaum mehr, wer wir selbst sind, wie oder was sollen wir da schon bestimmen können?

Apropos Köppel: Lieber Dani Ryser, wärt ihr nur zusammen auf der Autobahn gestorben. Ich hätte dich vermisst, alter Freund, und einen Joint an der Kerze angezündet, aber wie sagtest du schon immer? «Sometimes, baby, you gotta take one for the team.»

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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