«Ein Haus, das in sich selbst geteilt ist, kann nicht stehen.» So ganz grob übersetzt, was Abraham Lincoln im Bezug auf den Amerikanischen Bürgerkrieg gesagt hat. Der Krieg ist mittlerweile vorbei und dem Haus geht es gut. Nun ist aber ein anderes Haus aus ähnlichen Gründen in Gefahr geraten. Mein Haus. Was der USA ihr Unionist, ist mein Feminist; und ihr Konföderatist ist mein überspitzter, Libido-geplagter innerer Schweinehund, der gerne Pornos schaut. Lange findet dieser Konflikt in mir schon statt und genauso lange findet sich keine Lösung.
Hier finden Sie eine kleine Exploration einer möglichen Lösung und die Erklärung, warum sie nicht funktioniert. Bevor dieser Text aber zu einer Wiedergabe der Leiden des jungen Masturbators wird, zuerst eine kurze, stark vereinfachte Historie der Porno-Problematik: Pornos gibt es viele, es gibt sie überall und es gibt sie immer. Und eins wurde mir schon früh eingebläut, von Mama, dem Aufklärungsunterricht und den unglücklichen Teilnehmerinnen meiner sexuellen Premieren: Sex funktioniert nicht so wie in den Filmchen. Ebenso wurde mir klar gemacht, dass man sich jetzt Sorgen mache, weil die Generation Porno zu viele Pornos schaut und in ihrem Sexualverhalten davon beeinflusst wird. Meine Diagnose war schnell übernommen: Nicht gut. Die Pornografie stellt ein unrealistisches und dazu unwürdiges Bild der Frau dar, und je mehr die jungen Jungs davon konsumieren, desto eher erwarten sie diese Art Frau im Bett. Noch schlimmer ist es für die jungen Mädchen, die solche Filme schauen, denn sie denken dann, dass man als Frau im Bett das volle Porno-Programm über sich ergehen lassen muss. Anders gesagt: Die Porno-Lawine nimmt der Frau ihre sexuelle Selbstbestimmung weg. Doch dann macht die Heldin der Geschichte den Auftritt: Feministische Pornografie. Jetzt kann man(n) endlich alles haben und alles sein! Erleuchteter Feminist und gleichzeitig Porno-Geniesser. Soweit das Versprechen – die Realität sieht leider anders aus. Aber was ist überhaupt feministische Pornografie?
Natürlich lässt sich darüber streiten. Wenn die Filmchen, die man konsumiert, einen «PornYes» Stempel haben, dann ist man sicher schon auf dem richtigen Weg. Und wenn die Ästhetik der Filme so aussieht, als ob sie eigentlich auf Arte laufen sollten, dann sind es ganz sicher als feministisch deklarierte Pornofilme.
Wenn man aber den Feminismus als Ideologie und nicht als Institution anschaut, dann sind feministische Pornos einfach diejenigen, die gezielt solche Faktoren der Mainstream-Pornografie umgehen, die problematisch für ihre Ideologie sein könnten. Es ist also wichtig, diese Faktoren erst einmal zu untersuchen, um zu verstehen, was sich überhaupt als frauenfreundliche Pornografie beschreiben könnte. Man kann nun über zwei verschiedene Wege das Böse in der Pornografie suchen. Der erste Weg setzt voraus, dass gewisse Akte, die in den meisten Mainstream-Videos prominent aufgeführt werden, intrinsisch nicht feministisch sind. Der zweite Weg geht davon aus, dass nicht unbedingt der Inhalt der Filme das Problem ist, sondern die Infrastruktur, in welcher diese Industrie funktioniert. Da die überwiegende Mehrheit der Pornofilme in einer Industrie gedreht wird, die fast ausschließlich von Männern bespielt wird – von den DarstellerInnen mal abgesehen – und da ihre Produkte auch überwiegend von Männern konsumiert werden, kann man sagen, dass diese Filme von Männern für Männer gemacht sind. Und falls vermehrter Schundfilmchenkonsum tatsächlich eine erzieherische Wirkung haben kann, dann heisst das, dass ich so als Mann von anderen Männern erzählt bekomme, wie sich eine Frau im Bett verhalten oder zumindest wie der ideale Sex aussehen soll. Diese Erklärung verneint nicht, dass es vielleicht tatsächlich Frauen gibt, die gerne alles mit sich machen lassen, was so ein Filmchen vorschreibt. Das Problem ist, dass es in dieser Weltanschauung nicht wirklich Platz gibt für Frauen, die nicht wollen, dass sie sich nach jedem Beischlaf das Gesicht waschen müssen.
Obwohl und selbst wenn man sich als Pornofilmkonsument dem Unterschied zwischen Porno-Sex und realem Sex bewusst ist, wird die Porno-Sexualität im vernünftigsten Fall als Utopie gespeichert. Dem Körper wurde beigebracht, dass solche Szenen einen ganz schön grossen Endorphinaus­stoss auslösen können. Bewusst oder unbewusst wird man mit der Zeit gewisse Aspekte des Porno-Sex in sein Privatleben einbauen wollen.
Es geht also nicht darum zu urteilen, ob diese Akte an sich selbst legitim sind oder nicht, sondern vielmehr darum, dass solche Akte aufs Bett gezwungen werden, nachdem sie der kumulativen Phantasie der Männerwelt und nicht dem Dialog zwischen Sexualpartnern entstammt sind. Und das ist eben genau der Verlust der Selbstbestimmung der Frau, der uns Sorgen machen muss. Natürlich können Frauen im Bett für sich selber sprechen und die obige Kritik an die Pornoindustrie kann als gut gemeinter Paternalismus empfunden werden. Die Tatsache besteht jedoch, dass eine erschreckende Mehrheit der jungen Männer ins Sexualleben hineinmarschiert, voller Ideen, die den Köpfen besonders motivierter Masturbatoren entsprungen sind.
Wenn das Problem der Mainstream-Pornografie also ist, dass sie von Männern für Männer produziert wird, könnte es dann sein, dass ich einfach von Frauen produzierte Pornografie schauen muss, um mein Dilemma zu lösen? Leider nein. Es mag sein, dass feministische Pornografie möglich ist, und dass sie einem weiblichen Publikum – speziell einem jüngeren, noch formbareren – helfen kann, ein realistischeres und würdigeres sexuelles Selbstbild zu erschaffen. Vielleicht auch nicht. Es liegt diesem Text fern zu behaupten, welche Pornografie die richtige für eine oder alle Frauen ist. Nun kommen wir aber zum Problem: Die Natur des pornografischen Films ist nämlich eine kommodifizierte, das heisst, er ist verkäuflich. Und sobald etwas zum Verkauf steht, richtet sich das Produkt nach den Kunden. Ich kann als Konsument entscheiden, welche Produkte ich kaufe, und somit meinen Teil dazu beitragen, dass das Angebot sich der Nachfrage anpasst. So funktioniert es mit Autos, Sandwiches und allem anderen, was man kaufen kann – auch mit Pornos.
Wenn man sich darauf einigen kann, dass keine sexuellen Vorlieben kategorisch abzuweisen sind – weil Erwachsene im Bett das machen dürfen, was sie wollen – dann ist der hauptsächliche Schaden der Pornografie der Diebstahl der weiblichen sexuellen Selbstbestimmung. Die Gefahr, dass mehr und mehr Frauen ein Bild von Sex bekommen, welches einer Industrie entstammt, die in der Produktion und Logistik hauptsächlich von Männern beherrscht wird, und die Filme kreiert, die auf das männliche Vergnügen fokussiert sind, ist sicherlich ernst zu nehmen. Die Natur eines kommodifizierten Produktes bringt es aber mit sich, dass es so etwas wie feministische Pornografie – für mich als Mann – gar nicht geben kann. Denn: Sobald ich Kunde bin, bin ich Mitbestimmer. Da die Gesamtheit aller Mitbestimmenden zusammen die Selbstbestimmung der Frau einschränkt – weil sich die Produktion der Filme nach dem Klientel richtet und dieses grösstenteils aus Männern besteht – nehme ich, sobald ich mitbestimme, ein bisschen die Selbstbestimmung anderer weg. Grob gesagt: Auch feministische Pornos wollen geschaut werden und es gibt sie in allen Schattierungen. Wenn ich also eine Seite besuche, die eine Vielzahl an verschiedenen feministischen Videos anbietet und ich diejenigen auswähle, die ich schauen will, dann bestimme ich zusammen mit allen anderen (meist männlichen) Kunden die Inhalte der Videos der nächsten Generation, da diese sich, wie jedes andere verkaufbare Produkt, nach dem Klientel richten. Sobald ich anfange feministische Pornografie zu konsumieren, wird ihr Klientel ein klein wenig männlicher. Weil die Industrie sich aber nach den Wünschen des Klientel richten muss, hat diese Pornografie nunmehr auf die Wünsche eines mehrheitlich männlichen Klientel einzugehen. Entweder das, oder sie muss aufhören ein kommodifiziertes Produkt zu sein.
Wenn frauenfreundliche, feministische und erleuchtete Pornografie nicht die Antwort ist, was dann?
Vielleicht würde es helfen, wenn mehr Frauen solche Filme konsumieren würden und beide Geschlechter den Konsumentenpool unter sich aufteilen könnten. Dann wären solche Filme immer noch nach dem Publikum gerichtet, die Frauen hätten aber einen gerechteren Anteil an der Mitsprache.
Die einfachere Lösung wäre, einfach festzustellen, dass der Pornografie-Konsum – so unterhaltsam er sein mag – schlussendlich vielleicht doch zu einer ungesunden Einstellung gegenüber der Sexualität führt. Die Devise wäre dann klar: Abstinenz. Die überschüssige Energie kann man dann in produktivere Aktivitäten stecken. Ich könnte vielleicht endlich anfangen zu joggen, oder lernen, wie man richtig schön kocht. Falls ich in den nächsten Monaten also 20 Kilo zulege oder abnehme, dann wissen Sie weshalb.

Amos Wasserbach studierte Politikwissenschaften in Israel. Dort wurde er israelischer Debattiermeister und erreichte das Halbfinale der Weltmeisterschaft. Er hat in verschiedenen Friedensprojekten Argumentations- und Debattier-Seminare geleitet.

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