Meine Freundin Ä ist Ärztin und seit das Coronavirus in der Schweiz ist, ist sie nicht mehr viel anderes, deshalb nenne ich sie hier Ä. Ä arbeitet in einem der grössten Krankenhäuser der Schweiz als Infektiologin. Ihre grösste Angst, sagte Ä kurz nachdem in der Schweiz die ersten Fälle positiv getestet worden waren, sei, «dass irgendwo irgendwelche Hornochsen, die in Norditalien waren, krank mit dem Virus in Trams und Zügen herumhusten. Weil dann haben wir den Salat.» Der Salat ist mittlerweile da, und er sieht einiges verschissener aus als ein leeres Gemüseregal. Der Salat sieht so scheisse aus, das kann man sich gar nicht vorstellen.

Zu einem Teil verdanken wir das sicher unserer Arbeitsmoral, dieser Calvinismus mit subtil suizidalem Beigeschmack, auf den wir so stolz sind. In der Schweiz geht man IMMER arbeiten und ganz besonders, wenn man krank ist. Mitarbeiter des Monats wird jeweils die Person, die selbst tot noch im Büro erscheint. Das ist wohl auch der Grund, warum die Stimmung an solchen Orten oft so eisig ist. Nun verlangte der Bund von genau uns eisigen Schweizerinnen und Schweizern, auf körperliche Nähe zu verzichten. Da dies bereits unserer Mentalität entspricht, wäre das kein grosser Aufwand. Die Menschen taten es trotzdem nicht.

Stattdessen kauften sie ganz viele Sachen ein, die sie nicht brauchen, denn so hält man wenigstens die Wirtschaft am Laufen. Es scheint, als würden die Schweizerinnen und Schweizer lieber sterben als nicht mehr superreich zu sein. 

Denn genau darum geht es. Um unnötiges Sterben. Meine Freundin Ä sagt, wenn wir die Anweisungen des Bundes nicht sofort befolgen, sind die Zustände hier in zwei Wochen wie in Italien. 

Nun gehörst du vielleicht zu diesen (jungen) Menschen, die denken: «Naja, dann sterben halt die alten und bereits kranken Menschen. Nicht so schlimm.» Das sind Gedanken, die in Richtung dieser Leute in den Dreissigern des letzten Jahrhunderts gehen, die mit dem speziellen Gruss und dem originellen Kreuz, weisch weli? Nein? Dann ist das ein Beweis, warum eine Gesellschaft ältere Menschen braucht. 

Und abgesehen davon: Wenn du so weitermachst und dich dann in zwei Wochen cool auf dein Velo/Elektroroller/Superquad/Wasauchimmer schwingst, um dann jung und schön, wie du bist, durch die Gegend zu fahren und du hast einen Unfall, der zwar nicht so schlimm ist eigentlich, dann stirbst du halt trotzdem. Weil das Gesundheitssystem halt zusammengebrochen ist, halt unter anderem deswegen, weil du deine coolen Hände nicht waschen wolltest.

Meine Freundin Ä fordert deshalb: «Diese dumme Begrüssungs-Rumknutscherei muss sofort aufhören, ich will keine Kamikaze-Grosis mehr auf den Spielplätzen oder sonstwo Draussen sehen und alle halten sich jetzt an die Vorgaben des Bundes. Ausserdem soll sofort damit aufgehört werden Farmer Croc mit Apfel-Zimt zu hamstern, weil das brauche ich, um durch den Tag zu kommen. Das brauche ich, um eure Ärsche zu retten.» (Stand 18. März, Tag 2 des Schweizer Shutdowns)

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern, studierte Filmwissenschaften, Drehbuch und Literarisches Schreiben in Zürich, Ludwigsburg und Biel. Gründete 2013 zusammen mit dem Künstler Simon Krebs das Büro für Problem.

Comment is free

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert