Solange die Arschlöcher aus dem Boden schiessen wie Meinungen, kanns um die Welt noch nicht so schlecht stehen. Natürlich – es liegt in der Natur der darwinistischen Evolution, dass es die guten Menschen zuerst erwischt. Dies gilt im Krieg noch mehr als sonst – und wer überlebt, der hat verdammt viel Glück gehabt, oder sonst einen guten Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben.

Zusammenfassung gefällig? Je nachdem, wem man zuhören mag, sind syrische Flüchtlinge plötzlich Klapperschlangen, tollwütige Hunde oder Infiltratoren der Alien-Rasse Skrull – auch nur ein alternativer Name für die Echsenmenschen im Auftrag der New World Order. Und der einzige US-Republikaner, der noch keine neuen Konzentrationslager gefordert hat, ist ausgerechnet Jeb Bush. Die vereinten Mitglieder der Jung-SVP fordern die Generalmobilmachung der Armee, ein Wort das sie weder aussprechen noch in seiner Bedeutung erfassen können – seien wir ehrlich: es ist beruhigend, dass nur wenige Mitglieder dieses Haufens an Schwächlingen und geistig Verwirrten jemals zur Rekrutenschule zugelassen wurde.

Der Koran ist neuerdings ein rauchender Colt – genauso wie eine zum Krieg der Religionen aufrufende Ausgabe des NZZ-Folio oder Xavier Naidoo. Und das Vice Magazine ersetzt seinen 2014 Guide to Paris mit dem originalen Zwischentitel «WIE RASSISTISCH SIND DIE LEUTE HIER?» mit einem Erlebnisbericht über den Städtetrip der Eagles of Death Metal. Demnächst. Bitte klickt uns tausendmal an, bevor ihr wieder zu den Katzenvideos und den Reportagen aus den Swingerclubs übergeht.

Die Welt ist offensichtlich verrückt geworden. Kein Wunder also posaunen wir unsere Betroffenheit in die Welt in Form von Profilbildern und recycleten Memes. Keine Angst, Facebook hilft uns schon, wenn wir selber nicht mehr weiter wissen. Hier ist ein Knopf, der dir Landesflaggen unterlegt. Hier die Funktion, welche an Anschlägen verstorbene Personen aus deiner Timeline ausblendet, bis du die Trauerphase überwunden hast. Und sollten sich die Bombenleger dereinst an ihre eigenen Jahrestage halten, teilt der Algorhythmus dein Mitgefühl als Erinnerung pünktlich zum Jubiläumsanschlag, während es dir nebenbei mitteilt, welche deiner Freunde als sicher gemeldet sind. Das ist doch nicht echt, oder? Willkommen im Zeitalter der Unsicherheit. Willkommen an dem Punkt der Weltgeschichte, an dem wir verlernt haben, was Krieg ist und was Wahrheit und wir nicht genügend Zeit haben, beides nachzuholen.

Wir sind verwirrt und verstört. Antirassistisch, wie wir sind, stehen wir herum, zucken mit den Schultern, schütteln den Kopf und fragen uns, ob wir jemals wieder Witze machen dürfen, und wenn ja, worüber. Ob Humor noch schwarz sein darf. Ob wir laut sagen dürfen: Wenn es irgendwer verdient, dann die verfickten Froschschenkelfresser, dieses antisemtitische Dreckspack, das einer Nazipartei 25 Prozent aller Stimmen nachwirft und ja, wenn es danach geht, ob wir verdienterweise die nächsten sind.

Fuck the World. Das ist ein 2Pac Zitat. Im Unterschied zu Xavier Naidoo und Adolf Hitler war er kein Christ. Kein Wunder starb er früh. Oder um es mit Brecht zu sagen? In mir streiten sich das Mitgefühl für die Überlebenden und das Entsetzen über die Reden des Anstreichers. Aber nur das zweite drängt mich an den Schreibtisch.

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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