Die Idee der Nachhaltigkeit für die digitale Gesellschaft ist die langfristig orientierte Herstellung und Weiterentwicklung von digitalen Wissensgütern, Geräten und Infrastrukturen. Es geht um den bewussten Umgang mit Ressourcen, und zwar so, dass deren Produktion und Nutzung die Bedürfnisse zukünftiger Generationen nicht beeinträchtigt.

Das Smartphone hat es uns ermöglicht, überall und jederzeit kommunizieren zu können. Fast alle tragen unterdessen ein Smartphone mit sich, laden es fleissig täglich auf und ersetzen es spätestens nach zwei Jahren. Beim Facebooken, Twittern, Youtuben, Skypen und Gamen verdrängen wir gerne etwaige Kollateralschäden für Mensch und Umwelt, die bei der Produktion entstehen. Alles sei in der Cloud – einer Wolke im Internet – gespeichert. Selten sind wir uns bewusst, dass es sich dabei um die grösste Industrie des 21. Jahrhunderts mit den schlimmsten Auswirkungen auf unsere nähere und entferntere Umwelt handelt.

Bei vielen Geräten scheint es fast, als ob eine bedingte Haltbarkeitsdauer vorprogrammiert worden wäre. Während Skeptiker dies als Verschwörungstheorie kritisieren, haben Firmen durchaus Strategien entwickelt, Geräte schneller obsolet zu machen, beispielsweise durch fest eingebaute Akkus, Einkleben (statt Schrauben) von Bauteilen, teure oder nicht vorhandene Ersatzteile sowie fehlende Updatemöglichkeiten. Diese künstliche Haltbarkeitsdauer braucht es mittlerweile wohl gar nicht mehr: Wir haben uns schon daran gewöhnt, unsere mobilen Geräte zweijährlich zu erneuern, vielleicht um uns selbst für die Treue zu unserem Provider zu belohnen.

Auswirkungen auf Menschen

Woran wir dabei nicht denken: Für die Aufrechterhaltung unserer digitalen Infrastruktur und des digitalen Konsumwahns, der sich längst an der Mode und kaum mehr am Nutzen orientiert, arbeiten viele Menschen unter unwürdigen Lebensbedingungen. Die aktuellen Tiefstlöhne ermöglichen den Herstellern, digitale Geräte für ein paar Dutzend Dollar Produktionskosten zu fabrizieren. Aber wer würde ernsthaft darunter leiden, wenn das Smartphone oder Laptop hundert Franken mehr kosten würde? Schon eine um ein halbes Jahr verlängerte Nutzungsdauer würde den finanziellen Unterschied ausgleichen. Dazu benötigt die Elektronikindustrie verschiedene seltene Metalle für die Produktion der elektronischen Komponenten. Ohne Indium gibt es keine Flachbildschirme, ohne Neodym keine starken Magneten für Festplatten. Beide Stoffe werden erst seit kurzem in grossem Umfang industriell genutzt; niemand weiss, wie gross die Reserven sind. Hauptproduzent für beide Stoffe ist zudem China. Wer sich über Chinas Umweltprobleme auf dem Laufenden hält, kann in etwa abschätzen, dass die Abbaustandards keinem europäischen Umweltschutzgesetz genügen würden. Neben China ist das südliche Afrika Hauptlieferant für wertvolle Mineralien. Im Kongo schuften Menschen unter erbärmlichsten Bedingungen in Goldminen, waschen das Gold mit Quecksilber in der Bratpfanne aus. Die Gewinne der afrikanischen Minen werden zum grössten Teil nach Genf und Zug transferiert, wo sie zu läppischen Steuersätzen versteuert werden. So wird ein ganzer Kontinent um seine Entwicklungs-Chancen gebracht. 2007 startete die Stiftung «Brot für alle» eine erste Kampagne («Faire Computer»), in der auf die unmenschlichen Produktionsbedingungen bei der Herstellung von Computern aufmerksam gemacht wurde. Bis heute kritisiert die Kampagne die Produktionsbedingungen von Foxconn, einer Firma, die im Auftrag von eigenen Herstellern Smartphones produziert. Die Arbeiter haben unter anderem keine Redefreiheit, müssen sich mit Niedriglöhnen zufrieden geben und massive unbezahlte Überstunden leisten.

Auswirkungen von Produktion
und Internet auf die Umwelt

Die Produktion eines Laptops erzeugt rund 200 kg CO2 und verbraucht rund 2500 Megajoule nicht erneuerbarer Energie. Das entspricht etwa dem Stromverbrauch eines Einpersonen-Haushalts in drei Monaten. Unzuverlässige Schätzungen gehen davon aus, dass die Elektronikindustrie etwa zwei Prozent des CO2-Ausstosses weltweit erzeugt. Die Elektronikproduktion erzeugt jedoch grosse Mengen chemischer Abfälle aus den Beschichtungsprozessen. Je nach Produktionsstandort sind die Standards für die Entsorgung dieser Abfälle sehr unterschiedlich. Bis heute sind keine zuverlässigen Ökobilanzen für diesen Aspekt der Elektronik-Produktion öffentlich verfügbar. Auch jede Internet-Suche und jedes Statusupdate benötigt Energie. Google geht von einem Kilojoule aus und ca. 0.2g CO2 . Ein durchschnittliche Facebook-Nutzer wiederum generiert jährlich 269g CO2. 2012 bestand die verwendete Energie von Facebook grösstenteils aus Kohle (27%), gefolgt von erneuerbaren Energien (23%), Gas (17%) und Atomstrom (13%). 20% wurden nicht kategorisiert. Wer zuhause nur Solarstrom von EW Zürich bezieht, verschmutzt also durch seine Facebook-Nutzung trotzdem die Umwelt.

Faire Produkte kaufen, Reparieren statt Wegwerfen
Der Weg zu einer nachhaltigen Produktion von Elektronik ist zweifellos lang, eine konfliktfreie und gesunde Gewinnung von Rohstoffen kaum absehbar. Apps, die uns auf den Ressourcenverbrauch aufmerksam machen oder uns zum Sparen animieren, haben Konjunktur – Facebookseiten fordern unseren Klick als Unterstützer. Klarzumachen, welche Ressourcen man verschwendet, ist sicherlich ein guter erster Schritt, aber Wissen allein führt nicht unbedingt zu Verhaltensänderungen. Klicks retten die Welt nicht. Wie können wir also unseren persönlichen digitalen und elektronischen Fussabdruck verbessern? Über 7000 Fairphones wurden in den letzten Wochen per Crowdfunding verkauft. Ziel der Initianten des Fairphones ist die Herstellung eines Smartphones unter fairen Bedingungen. Eingesetzt werden sollen Materialien, insbesondere Mineralien und Metalle, aus konfliktfreien Ressourcen. Dabei soll die gesamte Lebensspanne eines Smartphones berücksichtigt werden. Samsung versucht mit seinem neuen Galaxy S4 Ähnliches und hat dafür von der schwedischen Organisation TCO ein Label für umweltfreundliches Design und sozial verantwortungsvolle Produktion erhalten. Die grössten Einsparungen aus ökologischer Sicht bringt jedoch das Produkt, das nicht gekauft wird. Die Geräte länger nutzen, defekte Teile ersetzen oder reparieren, sind gute Methoden, um Ressourcen zu schonen. Reparieren ist zudem eine arbeitsintensive Tätigkeit und schafft damit Arbeit. Heute verhält sich die Situation jedoch so, dass die Produktion stetig optimiert wird, die Arbeiter zu kläglichen Löhnen und unter Gefährdung ihrer Gesundheit malochen und eine Reparatur deshalb nicht mit dem Preis eines Neugeräts konkurrenzieren kann. Eine Lösung wären faire Arbeitsbedingungen für Arbeiter weltweit, womit erstens die Kosten der Neugeräte steigen und zweitens weltweit eine Nachfrage für Konsumgüter geschaffen würde. Beides zusammen könnte den Hyperkonsum im Westen dämpfen und den heute noch von der digitalen Welt Ausgeschlossenen den Zugang eröffnen.
Energietechnisch bedeutet Nachhaltigkeit auch den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Technologien, sowie die Optimierung von Solarzellen und deren Herstellung vor Ort. Freies Wissen über die Technologien schafft zudem Unabhängigkeit. Bis all diese sozialen und technischen Entwicklungen umgesetzt sind, geben wir euch hier einige Tipps – Wer weiss, wie lange die Zukunft auf sich warten lässt:

Praktische Empfehlungen zur Reduktion von Elektromüll im täglichen Gebrauch
●    1. Kaffeemaschinen sind oft nur verkalkt, wenn sie nicht mehr funktionieren. In Zürich gibt es einige Spezialisten, die fast jede alte Kaffeemaschine wieder herrichten können. Die Webseite des Panda-Reparaturservice hilft weiter bei der Suche.
●    2. Getestete Hifi-Geräte aus den 80er und 90ern haben oft einen fetten Sound zu bieten. Das Arche-Brocki  in Altstetten hat eine gut sortierte Ecke mit getesteten Occasionsgeräten.
●    3. Der Verein Revamp-it nimmt gebrauchte Computer in Empfang und stattet sie mit freier Software aus. Fertige Geräte sind günstig erhältlich.
●    4. Der Handydoktor flickt manche kaputte Smartphone-Scheibe.
●    5. Im Fablab Zürich können kaputte oder defekte Ersatzteile selber ausgedruckt werden.

Die Medienkulturgespräche sind eine Reihe des Dock18 Institut für Medienkulturen der Welt. Daniel Boos und Mario Purkathofer recherchieren monatlich aktuelle Themen der neuen Medien und sprechen mit betroffenen Menschen auf verschiedenen Kanälen.
Links: Fairphone (Fairphone.com), Sklavenfootprint (Slaveryfootprint.org), Verein für digitale Nachhaltigkeit (Digitale-nachhaltigkeit.ch), Kampagne für fair hergestellte Computer (Fair-computer.ch), Footprintnetwork (Footprintnetwork.org), Panda Reparaturservice (Wwfzh.ch), Freie Computer (Freiecomputer.ch), Fablab Zürich (zurich.fablab.ch), Revamp-it (revamp-it.ch), Schweizer Gesellschaft für mechatronische Kunst (Mechatronicart.ch), Vulkaro (Vulkaro.ch), Steam Punk (Thechocolatist.com)

Ein Kommentar auf “Fussabdrücke der Information

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