Das kanadische Duo Japandroids spielt nervös aufgeladene Rockmusik auf Punkrock-Basis. Nach fast vier Jahren Bühnenabstinenz, stützen sie sich neuerdings musikalisch breiter ab

Learn to let it go, baby
(Whoa oh oh, oh oh oh)
Shake, rattle, and roll, baby
(Whoa oh oh, oh oh oh)

Sie klingen wie eine ganze Horde. Wie aufgebrachte Hengste. Wie ein emotional aufgepeitschter Pulk, der auf den Hörer zugaloppiert. Selbstbewusst, aufgekratzt, hochnervös und eben: high von ganz viel Gefühl. Dabei sind da nur zwei Männer am Werk: Gitarrist und Sänger Brian King und Schlagzeuger David Prowse erzeugen Sound von der Power einer Hundertschaft.

Unter dem Namen Japandroids – eine Kompromisslösung zwischen den beiden Namen Japanese Scream und Pleasure Droids – machen sie seit mehr als zehn Jahren gemeinsam Musik. Eigentlich, so sagte King 2010 in einem Interview, sei die Idee ursprünglich gewesen, irgendwann noch einen Frontmann hinzuzuholen. Einen, der ihnen all das abnimmt, was ein Frontmann halt so leistet: Die Überbrückung des Grabens zwischen Bühne und Publikum, das In-die-erwartungsvollen-Augenpaare-schauen, neunzig Prozent der Aufmerksamkeit auf sich ziehen, coole Ansagen zwischen den Songs machen, das Stardasein, das Lenken und Leiten, die Rockstar-Posen. «Wir wollten uns schnell in den Hintergrund zurückziehen und uns auf unsere Instrumente konzentrieren», erzählte ein abseits der Bühne erstaunlich schüchterner Brian King in dem Interview weiter. Aber leider hätten sie niemanden gefunden. Und so blieben Japandroids halt das, was sie von Anfang an waren: ein Duo, bestehend aus zwei Kommilitonen an Schlagzeug und Gitarre, die Trommeln vorne rechts am Bühnenrand platziert, daneben die Verstärker und das Mikrofon von Brian, so dass man sich immer sieht, stets im Einklang ist, gemeinsam den Frontmann, die Band, die ganze Horde bilden kann. Ihre Liveshows der letzten Jahre und ihr Album «Celebration Rock» waren eindrückliche Zeugnisse davon.

Es gibt nur wenige Bands, die nur aus der auf zwei Personen aufgeteilten Schlagzeug-Gitarre-Stimme-Kombo bestehen und es damit zu ordentlich Power, Diversität, Anerkennung und Weltruhm geschafft haben: The White Stripes gehören dazu, The Black Keys auch. Und eben Japandroids. Gefüge, denen es an nichts fehlt. Die gradlinigen, schweisstreibenden Rock verkörpern und trotzdem Varianz im Songwriting haben, deren Songs nicht alle gleich klingen.

Die Musik von King und Prowse enthält irgendwie beides: Den Punk, das Unzähmbare, das Wilde, und die Melodie, die Formschönheit, die Finesse. Sie sind keine Berserker. Keine Musiker, die sich nicht darum scheren, wie ihre Songs daherkommen. Sie wollen sie gut spielen. Und sie wollen damit Geschichten erzählen, nicht bloss Frust abbauen.

Bei ihnen verschmelzen Einflüsse wie Bruce Springsteen, Tom Waits, Nick Cave, Tom Petty und vielleicht auch Conor Oberst mit The Replacements und Hüsker Dü. Bei ihnen kriegen Erzählsongs richtig Speed mit. Es sind Lieder über Sehnsucht, Seelenverwandtschaften, Vorurteile und Besserwisser, Liebschaften und die zugleich heilende und schmerzende Wirkung von Rock’n’Roll und all seinen Begleiterscheinungen.

An die 500 Konzerte gaben sie zwischen 2009 und 2013, tourten mit ihren EPs «All Lies» (2007) und «Lullaby Death Jams» (2008), später zusammengefasst auf der Compilation «No Singles», und den ersten beiden Alben «Post-Nothing» (2009) und «Celebration Rock» (2012) quer durch Nord- und Südamerika, Europa, Asien und Ozeanien. So lange, bis sie jeden Akkordwechsel und jedes Drumbreak, jede Strophe, jedes «Aaaah» und «Oooh» im Hintergrund auch im Schlaf perfekt hätten performen können. Ihre Rock-Zelebration im Zweierformat war zur perfekt geölten Maschine geworden, zu der die Kids in Tokio, Toronto und Triest gleichermassen nickten.

Als sie im Herbst 2013 nach Hause an die Westküste Kanadas zurückkehrten, waren sie müde und ausgepumpt. Vielleicht auch ein bisschen angeödet von dieser Art, Musik zu machen. Ihr Ende Januar erschienenes drittes Studioalbum «Near To The Wild Heart Of Life» stellt deshalb einen Bruch mit der Bandtradition dar. Es ist über den langen Zeitraum von zwei Jahren entstanden und musikalisch breiter abgestützt. Erstmals wurde mit Overdubs gearbeitet, erstmals kamen weitere Instrumente wie Bass und Synthesizer hinzu.

Die Hengste haben sich ein Stück weit selbst gezähmt, könnte man sagen. «Turn some restless nights into restless years», sangen sie auf «Celebration Rock» in einem Ton, der trotzig ewige Gültigkeit versprach. Manchmal vermisst man diese Urgenz auf ihrer neuen Platte.

Adrian Schräder ist freier Journalist und arbeitet regelmässig für die NZZ, Das Magazin oder das Bieler Tagblatt.

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