Sie sagen «Hier gehörst du nicht rein». Sie fragen «Bin ich auf der falschen Toilette?». Sie versichern sich «ah nein, ich bin auf der richtigen Toilette… Äxgüsi, sind Sie e Frau oder e junge Maah?». Sie bedrohen «Hesch du e Schwanz oder was machsch du do?». Sie spotten «Hets bide Fraue wiedermau zweni WCs?». Sie murmeln «Entschuldigung, excüsee, sorry». Sie sagen «Eigentlich ischs ja egaal, ich würd au ufne Unisex-WC goh». Sie sagen «Zum Glück haben wir Toilettentrennung! Wenigstens da noch einen privaten Raum!». Sie sagen und fragen und entschuldigen sich (nicht).

Sie stehen da, die Symbole, zum Beispiel in der Zürcher Szene-Gastro: Weiss auf roter Tür DAMEN oder HERREN im Kafi zum guten Glück. Oder weiss auf schwarzer Tür MÄNNER bzw. FRAUEN im Volkshaus. In der Rothausbar muss man nach ihr suchen, der symbolischen Ordnung: Im Wirrwarr unterschiedlichster und kunterbunter Tags ein kleines grünes Figürli am Rande, das einen Rock oder keinen trägt. Stilsicher designed findet man in der Sportbar ein weisses M oder F auf schwarzem Türrahmen, die Tür weist en plus noch einen schwarzen oder cremig-rosanen Streifen unterhalb der Türklinke auf. Schick! Die Vineria Centrale hat nur eine Toilette, ist also eigentlich fortschrittlich Unisex, «schreibt» die Türe aber mit einem Schild von den Figürli mit/ohne Rock an – verpasste Chance der avantgardistischen geschlechterlosen Gesellschaft, würd ich meinen.

Die Marsbar trennt chicos und chicas; das Café Miro ist vorbildlich: Es schreibt lediglich «WC» und bezieht sich somit auf die Funktion dieses Raumes ohne ihn zu vergeschlechtlichen. Das vietnamesische Restaurant «Coming Soon» schreibt vertikal «WE DON’T CARE» und zeichnet eine Kombination des Männlich- und Weiblichsymbols in der Pose des Marssymbols. Manche Leute verstünden das nicht und meinen, es habe nur eine Männertoilette, hat mir der Serviceangestellte gesagt. Ich denke mir: «nivellierter Androzentrismus» und antworte: «vielleicht, weil der Pfeil nach rechts oben zeigt statt, wie ich empfohlen hätte, nach links oben und dort in Kombi von Pfeil und Strich». Aha ja, das klinge noch plausibel, wird mir geantwortet.

Die Bar3000 trennt mit rosa M oder F auf weissen Türen, über beide laufen in alphabetischer Reihenfolge fröhlich geschlechtergemischt alle Künstlerinnen, die jemals im zugehörigen Club Zukunft aufgetreten sind. In der Toilette drin gibts bemalte Backsteine (sowohl im M- wie im F-Raum) in rosa, hellblau, weiss. Ich finde das ein bisschen lustig, weil so die Trans-Flagge abgebildet wird, aber ich glaube nicht, dass das den Macherinnen bewusst war.

Das Café du Bonheur listet maniriert in goldener ­«Avenir Book»:

la fille — le garçon
la limonade — le pastis
la tarte — le bisquit
la salade — le pate
la cerise — le raisin
la bière — le vin rouge
la baguette — le fromage
la soupe — le dessert
la tomate — le cornichon

Ich überlege lange, ob es einen tieferen Sinn dahinter gibt; eindeutig als weiblich assoziierte Objekte finde ich la bière oder la baguette nicht. Über das männliche cornichon muss ich lachen.

Aber: Ich ärgere mich!
Ich bin Sascha, 26 und non-binär.
Ich identifiziere mich nicht als «Frau» und nicht als «Mann», das meint «non-binär».
Ich identifiziere mich als trans Person.

Trans Menschen können sich – im Gegensatz zu cis Menschen – nicht mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Egal, ob sie sich dann als trans Mann (bei Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen mit männlicher Geschlechtsidentität), als trans Frau (bei Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen mit weiblicher Geschlechtsidentität) oder eben als non-binär identifizieren. Diese drei sind die drei grossen Haupt­kategorien, in denen dann die unterschiedlichsten ­Geschlechtsidentitäten sich finden.

Da ich körperlich nicht so transitionierte, dass mir z.B. ein Bart wuchs oder ich eine tiefe Stimme gekriegt habe, werde ich in der Regel als Frau gelesen. Ich fühle mich deswegen einigermassen gezwungen mich entlang dieser Lese­weise dem System anzupassen und entsprechend ­einer Frauentoilette zuzuordnen.

Aber es ärgert mich. Es ärgert mich sehr! Jedes – einzelne – Mal! Es ist frustrierend beim Toilettenbesuch eine Geschlechterordnung zu reproduzieren. Eine Geschlechterordnung, die binär denkt, die binär absteckt und Räume entlang dieser Grenzziehung aufrechterhält. Ich trete widerwillig in die Frauentoilette ein, knicke sozusagen ein, beuge mich der Deklarierung, der Zuweisung bei Geburt, der Reduktion aufgrund der Beschaffenheit meiner Genitalien.
Ich bin in diesen Momenten fasziniert und angeekelt ob der Deklarierung (in Olten gibt es sogar ein Restaurant namens «Schlosserei», das an den Toilettentüren entweder eine riesengrosse dicke Schraube oder eine Mutter hat – hier werden die Toiletten demnach in heterosexuellen Penetrationspositionen unterschieden).

Ich trinke ein Bier in der Bar «Si o No»; auf den Türen die geometrische Skizze einer Marienfigur oder ein aus Tribals gezeichneter Löwe. Ich besuche üblicherweise abwechslungsweise die Frauen- und Herrentoilette. Ein bisschen, um mir gerecht zu werden, um nicht ganz folgsam zu sein. Um diese Norm zu pervertieren. Es bleibt ein herziger, harmloser Versuch.

Anders gestaltet sich der Garderobenbesuch auf öffentlichen Anlagen, z.B. in der Badi: Ich bin der Gewalt der Geschlechtertrennung und wie Geschlecht gelesen wird hilflos ausgeliefert: In einer Badehose, ohne Brüste, werde ich auf Anhieb als junger Eindringling in die Frauengarderobe wahrgenommen. Als frecher Burscht, als Spanner. War wohl eine Mutprobe, was? Die Frauen bedecken beschämt ihre Brüste und ihre Vulven, sie wenden sich ab, wenn sie nackt sind oder auch nicht; sie fordern mich forsch auf, gefälligst die Garderobe zu wechseln. Manche machen das auch in freundlich. Manche machen es gar nicht. Manche beäugen mich argwöhnisch. Manche sehen mich an und denken «Brustkrebs!» oder «Intergeschlechtlich!», oder sie denken, ich sei irgendwie doch eine Frau, sobald ich mit meiner hohen Stimme zu sprechen beginne und verstehen gar nichts mehr.
Sie fragen «Oh Entschuldigung, sind Sie doch eine Frau?», sie sagen «Ahaaa! Sie gehören zu denen! Das tut mir Leid!» (Sie meinen: Interpersonen. Also Menschen, die auf einer biologischen Ebene nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können). Sie sagen «Oh, ich bewundere Ihren Mut! Wirklich toll, dass Sie sich so in die Badi trauen!». Und ich denke «Figgdi».

Absurd wirds dann, wenn ich aus der Garderobe, in der ich als Eindringling angerufen wurde, in eine gemischte Sauna hinaustrete, wo «alle» Geschlechter nackt miteinander rumsitzen und schwitzen. Und dann ziehen sie sich wieder zurück in getrennte Räumlichkeiten um, ausgeschwitzt geschlechtergetrennte Privatsphäre zu zelebrieren.

Ja, ich weiss: Es gibt Übergriffe. Ja, ich weiss: Die meisten Übergriffe geschehen an Frauen. Ja, ich weiss: Die meisten Täter*innen sind Männer. Aber ich weiss auch: Es gibt Situationen, wo Männer und Frauen auf die gleichen Toiletten gehen können – oder eben nackt in der Sauna nebeneinander sitzen – ohne, dass Übergriffe stattfinden.

Ich wünsche mir, dass eine solche Geschlechtertrennung nicht mehr nötig ist, weil sie mich einschränkt, weil sie uns alle einschränkt. Mit jeder Wiederholung von Geschlechtertrennung naturalisieren wir die Illusion, dass es eindeutige und ewige Geschlechterunterschiede gibt. Ein letztes angetroffenes Beispiel: Die (schwule) Cranberry Bar im Zürcher Niederdörflil. «Bla» steht in blau an der einen Türe und «Blablablalblablablabla» in rosa an der anderen. Geschlechtergetrennt und sexistisch. Bravo Gays!

Wir tun uns damit selber nichts Gutes und schränken ausserdem alle, die sich nicht einordnen können, wollen oder (noch) nicht eindeutig lesbar sind, ein. Das Spielzeug in rosa oder blau, «Frauensachen» und «Männersachen», Kochbücher, die nur Frauen adressieren, Toiletten die originell getrennt werden, rosa Rasierklingen, Nagellack, Schminke und pinkelnde Puppen nur für Mädchen und das Star-Wars-Bett speziell für Jungs: Das ist der designte Gendergaga! Nicht die Feminist*innen oder trans Menschen, die sich für mehr gelebte geschlechtliche Vielfalt einsetzen.

Sascha Rijkeboer mag Ordnung, lebt in Olten und studiert in Basel und Zürich, interessiert sich für Feminismus, schreibt leidenschaftlich Texte, repariert Smartphones und identifizierst sich nicht-binär.

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