im zimmer

alles beginnt
am weissen flaum der
über die erde zieht
das granulat ist eingebacken
die einfassung
schon längst zu eng
längst
ist ein hoher stamm geworden
hier drinnen
viel zu lang
um sich selbst zu halten
beugt sich zum schrank hin
kratzt an der decke
und die blätter sie
saugen alle luft
aus diesem raum
mit ihrer lederhaut
viel grüner als möglich
hinter verschlossener tür unten
wo die erde beginnt
hat eine wurzel sich
über den topfrand gewagt
biegt sich
auf den baren boden
und forscht
in das unbekannte
von hier aus
wird es weiterstreben
nach oben und unten
wird der raum zerfallen
es wird
licht kommen regen
und schweres erz
und die gespräche

mit den würmern den käfern
die raupenkokons

der tanz mit dem wind
und endlich wird
ein baum sein
in einem wald
und dann wird auch
der topf zerspringen


hier

hier ist nichts hier
sind nur träume
zu denen ich verpflichtet bin
für jede nacht
(welche? wann? und
schlafe ich schon?)
ich weiss nichts nur
von dem kind das
immer wieder verloren ging
weil es die menschen alle
bei ihren händen griff

als ich dem altbekannten folgte
auf gelbem sand
vermisste ich das kind
und sah es um alle ecken
verschwinden dann aber
hatte es laufen gelernt
und kehrte heim

wir wollten nicht mehr bleiben
sollten aufbrechen
von der roten erde des südens
die rieselte unter den füssen
brach weg und lag jederzeit
in der goldenen stunde

wir liefen immer weiter fort
in das land
wo nur sie war
ihr rot ihr weich rieselndes
ich fragte nach mehr
aber das kind wollte nichts
nur weitergehen

hier schien es hier
waren wir

in der mitte des südens
der war ein kreis
und darüber
dieser himmel diese wolken
überall dieses licht und

es waren unsere zehen
die als erstes
den wuchs der halme spürten
sie stachen ein wenig
in das zehenfleisch
lehnten sich
an unsere knöchel tranken
den schweiss von ihnen
assen sein salz
wuchsen
je weiter desto höher
ihr biegsames verholzte
aus ihren dornen wurden blätter
tellergross
(wir hatten hunger)
das kind aber
schälte ein stück rinde ab
milch tropfte vom stamm
die rieb es ins gesicht
ich schrie
es ritzte meinen arm
und hielt ihn
unter das tropfen
es wurde mir schwarz

dann wusste ich:
wachsen
und fühlte:
licht
die erde
war ewig ich

reichte tief in sie hinein
dort hielten mich die wurzeln

hier ist nichts hier
ist nur hier

Maria Marggraf, arbeitet beim Literatur­vermittlungsprojekt Literaturspur und ist Mitglied des hochroth Verlags. Sie schreibt Gedichte und lyrische Prosa. Zuletzt wurde das Gedicht «Chronik der Bäume» in der Ausstellung «Plan B. Bäume als Partner für eine klimafreundliche urbane Zukunft» in Basel präsentiert.

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