Der Bus holpert über antikes Pflaster und neuzeitliche Schlaglöcher; die römische Nachmittagssonne scheint golden auf Ruinen und Wahlplakate: «Prima gli italiani!» – «Italiener zuerst!» Verdächtig blonde Italofamilien lächeln da von oben herab. Tatsächlich hat sich gerade herausgestellt, dass es Gettyimages von Tschechinnen sind, die hier nun ungefragt arisch-nationalistische Italianità propagieren.

Die absurden Auswüchse des rechten Populismus! Sie passieren auch im klappernden, von unsichtbarem Zauberkleber zusammengehaltenen Bus, in den gerade eine alte Frau einsteigt. Sie versucht sich an der Billetstempelmaschine – funktioniert wie meistens nicht. «Kaufen Sie sich stattdessen eine Mozzarella», ruft der Busfahrer hinterm Steuer hervor. Die Alte und er kommen ins Gespräch. Er sei aus Amatrice. «Wie schön», sagt die Alte, «dort gibt es gutes Essen.» – «Gab!», korrigiert der Fahrer, «jetzt gibt’s nichts mehr. Alles weggefressen. Von den Flüchtlingen!» Er beginnt, irre zu krakeelen. «Genug ist genug! Hab ich nicht recht!» Er haut gegen die Reden-Sie-nicht-mit-dem-Fahrer-Scheibe, hinter der das Gesicht der Alten verschreckt. «Sehr recht», sagt die nur noch, und dass sie darum 5Stelle wählen wird.

Alles weggefressen. Von den Flüchtlingen!

Bei der Piazza Venezia gibt dann der Bus auf. Fährt einfach nicht mehr an. Der Fahrer bleibt wortlos sitzen, alle Türen öffnen sich. Die Passagiere steigen ungerührt aus. Das ist hier kein Ereignis: Fast die Hälfte aller römischen Busse bleiben täglich kaputt im Depot. Der hat es am Morgen immerhin noch raus geschafft!

Ich laufe also zum Flohmarkt. Auch dort tummelt der Wahlkampf: Am Eingang steht die 5 Sterne Clownpartei der Alten aus dem Bus: «Wir sind eine Bewegung, die Veränderung bringen will», meint ein Flyerverteiler halbherzig. Er scheint selbst wenig überzeugt. Die Bewegung hat in Rom an Schwung verloren, seit die Bürgermeisterin aus ihren Reihen letztes Jahr für einen veritablen Weihnachtsskandal gesorgt hat. Auf die Piazza Venezia stellte sie das teuerste Exemplar in der Geschichte der römischen Tannenbäume. Leider sah es so kümmerlich aus, dass es sofort schadenfreudig «Klobürste» gehänselt wurde.
Eifrig wuseln dagegen zwischen den Ständen die Vertreter der kleinen Links-Parteien, die nicht in Renzis Jammer-Bündnis wollten, und damit viele LinkswählerInnen in ein Dilemma stürzten; fröhlich winken die Alltime-Alleinkämpfer der Kommunisten.
Einzig die Freunde des grossen rechten Bündnisses bleiben dem Flohmi fern – solche Volksnahheit haben die wohl gar nicht mehr nötig: Befürchtungen und Umfragen zufolge werden sie am 4. März gewinnen. Damit auch Volksheld Bungabunga, der prominent auf den Plakaten prangt, aber aufgrund seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs gar nicht gewählt werden kann. Dessen Forza Italia gibt sich zwischen all den Faschos und Identitären im Bündnis Mühe, bis zu den Wahlen eine moderate Mitte-rechts Position zu mimen.

Zumindest die RömerInnen werden die Parlamentswahlen (inklusive mutmasslicher Neuwahlen) wohl so oder so annehmen wie den kaputten Bus: Schulterzuckend aussteigen, draussen fluchend auf den nächsten warten. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass innert der nächsten fünf Jahre wieder einmal einer kommen wird.

Michelle Steinbeck ist Autorin und Redaktorin der Fabrikzeitung.

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