«Wie sollten wir uns während dieser Apokalypse verhalten? Wir sollten ungewöhnlich nett zueinander sein, gewiss, aber wir sollten auch damit aufhören
so ernsthaft zu sein. Witze sind sehr hilfreich.
Und schaffen sie sich einen Hund an, wenn sie noch keinen haben. – Kurt Vonnegut

die fensterpflanzen der botschaft in brüssel
haben blattläuse. ich bin underdressed und under­whelmed und träume von einem haus am meer,
der vorhang weht. im park gegenüber warten ein schwarzer labrador und sein schwarz angezogener mensch. der hund sitzt krumm wie eine wurst, der mensch geht mit überkreuzten armen im kreis. sie üben sich in kontemplation. zwischen ihnen und mir der abendverkehr.

im traum habe ich eine riesige graue dogge. sie ist ein bisschen vernachlässigt, aber sehr lieb. sie springt zu mir aufs sofa und kratzt mich vor freude. ich rufe: ai deine nägel! 

heute habe ich den hund beleidigt. sie hat meine schuhe zernagt und die knöpfe der neuen jacke. und sie schleckt meine hände, obwohl ich ihr klar gesagt habe, dass ich das hasse.

im traum hatte ich auch einen sehr grossen hund,
der kiloschwere haufen machte.

schau wie sie lächelt,

sagt meine tante über den hund.

die ist noch der einzig vernünftige mensch in
diesem haushalt,

sagt mein vater über den hund.

mir fällt ein alter traum ein.

wir hatten ein kleines haus, es war unaufgeräumt, aber gemütlich. zwei hunde waren da, einer war weiss-schwarz und nicht sehr interessant. aber der pudel sah sehr hochmütig aus, ich lockte ihn heran und er kaute auf meinem arm herum.

ein grosser mann mit langem mantel und grossem hellbraunen hund überquert die strasse, sieht nicht ins schaufenster des kostümladens und verschwindet im innenhof. 

abends fahren wir aufs land zu larissa. sie hat ein grosses haus, alle fenster sind offen. sie behauptet, sie hätte butter angebrannt, aber ich glaube, es gefällt ihr, wie alle gäste schlottern. sie hat diese art zu reden, gehaucht, als wäre alles extrem wichtig. ich trinke jever fun und rede mit niemandem, ausser diesem kleinen schwarzen hund, der neben mir liegen darf, wegen dem bisschen wärme, das er abgibt.

ich bleibe mit dem hund und esse die resten

ich schaue greys anatomy

ich schaue wie die fontäne aus blut

dickem pudding kunst blut

sprudelt und es geht mir gut

ich freue mich 

es ist eine neue folge

ich freue mich

katjas katze ist tot

und ich bin allergisch

auf hunde nicht

der hund schläft 

die freunde sind aus

neben mir dieser hund eingerollt wie eine wurst

neben mir das telefon

als würde jemand anrufen vielleicht

katjas katze ist tot und meine auch

der hund ist wach

der regen tönt wie schritte matschige schritte

die heizung tickt

der hund legt seine nase an mein bein 

der hund riecht nach nassem hund er schmatzt

ich seufze zeitgleich mit dem hund

sie sagt: i miss my cat. 

einmal hatte sie ein huhn. 

ich war gerade gezügelt und so einsam, sagt sie. 

ein freund sei stundenlang mit dem bus zu ihr gefahren, in den händen eine schuhschachtel,
er sagte: ich habe das perfekte geschenk für dich. 

es war das huhn. es lebte bei ihr in der wohnung, sie führte es spazieren. sie war the chicken lady.
dann ist das huhn erstickt, weil es zu viel gefressen hat.
sie hatte auch einen alten hund aus der tierrettungsstation, wo sie arbeitet. einmal hat sie 21 hundebabys im abfall gefunden, in einem plastiksack. manche waren schon ohnmächtig. 

ich sehe eine blaumeise in einem gelben frisbee
auf der gartenmauer baden. 

ich sehe einen mann auf der strasse tanzen, leuchtend weisse sneakers im regen. 

ich sehe einen kleinen weissen hund aus einem kleinen weissen abfallsack fressen. 

ich sehe palmen und höre grüne papageien.

eine frau mit tomaten in einer tüte kommt auf uns zu.

ragazze, sagt sie, ich werde verfolgt. 

sie zeigt auf den hund hinter sich und sagt:
ich bin ein feigling, ich komme mit euch. 

gut, sage ich und bleibe stehen. 

der hund trottet an uns vorbei. 

im fell neben seinen ohren ist je ein pinkes mäschlein hineingeknotet.

wie blöd, sagt die frau, ich dachte, das sei ein wilder hund, aber diese mäschlein hat er sich wohl nicht selber gemacht. 

ciao, sagt sie, ich gehe jetzt. 

sie legt einen gang zu und verschwindet. 

auf der strasse geht ein alter hund, unser hund, denke ich, in dem moment kommt ein grosses auto und fährt ihn um, er bleibt lieb und still, schaut nur überrascht und traurig, da fährt ihm der pneu auch noch über den kopf, beleidigt hinkt er davon.

auf der strasse ein hundekampf,
ich stürze zum fenster. 

die nachbarin schreit ihren riesigen hund an,
der
einem anderen nachbellt: schäm di! schäm di!
schäm di! 

schämdi bleibt am boden liegen und will nicht mehr aufstehen. 

kelly ruft an. was machst du. ich komme vorbei.

kelly kommt im cabrio, neben ihr der hund. Seine augen tränen vom fahrtwind. kelly trägt eine sonnenbrille über ihrer brille.

sieht das doof aus, sag, sieht das sehr blöd aus?

wir fahren zu ihr, sitzen im garten und trinken bier. der hund verschwindet im busch, nur sein hintern guckt heraus. wir schauen ihm zu und rauchen, haben uns nichts zu sagen. 

dann gehe ich eine wohnung anschauen. sie ist an der hohlstrasse und ganz nett. wir sind nur etwa 70 leute. die frau von der stiftung sagt: sie ist gut für familien, für paare, für wgs, für alles. einfach keine chaoten. da ist das chaos vorprogrammiert.

dann gehe ich die langstrasse lang, gehe ins lang, setze mich draussen, da sehe ich ivona am anderen tisch, mit einem schwarzen mops auf dem schoss. ich setze mich zu ihnen, ivona streichelt den hund und sagt: du hast die feinsten ohren auf der ganzen welt. 

ich sage: fühl mal meine. 

was ist falsch mit mir? in konkurrenz mit den ohren eines mops.

im zimmer lege ich mich ein wenig ins bett. ich träume von einem haus am meer, das wir hatten und einem hund, der einen freundhund mitbrachte, der wild war und mir auf dem arm rumbiss. vor schmerz bohrte ich meine nägel in die zunge meines lieben hundes, was ihm wütende augen bescherte, und ich entschuldigte mich tausendmal, bis er mir einigermassen verzieh. der andere aber kaute immer noch auf meinem arm rum. ich wache auf und weiss, dass ich diesen traum habe, wenn ich nicht schlafen sollte. 

dann bin ich raus, ich bin in den park, aber habe fast nichts gesehen, oder zumindest auf den fotos jedenfalls nicht. ich bin dann im park gewandert, vom schatten in die sonne und dann immer wieder in den schatten, es war sehr warm. es war ein grosser brauner haariger hund im park mit einem menschen, der war mir sympathisch, der hund. er hat steine herumgetragen, die vom himmel gefallen sind, ab und zu. es hat jetzt auch eine bar im park aufgemacht, das sah nett aus, doch ich fühlte mich gar nicht wie menschen, wie dort hinsitzen und leutselig sein, ich fühlte mich wie ein stein, oder ein fallendes hartes olivenblatt.

eine amsel sitzt auf dem rasen und rollt im
schnabel einen wurm. 

die tante kommt nachhause, sieht mich auf der
bank sitzen. 

ums eck sagt sie zum hund: ist ja gar niemand da, überhaupt gar niemand.

dann kommt die sonne, ich gehe raus, vor dem café ist es kalt, meine augen schmerzen, auf meinem fuss sitzt warm ein kleiner weisser hund. drei polizisten auf braunen riesenrössern klackern vorbei. der hund ist interessiert. nun liegt er neben mir, als gehörten wir zusammen. ein auto bleibt vor uns stehen, darin ein schöner mann mit seiner mutter sie sind reichschön und die mutter legt ihr gesicht an die flanke des seidigen hundes, der dieselbe farbe hat wie ihr sorgfältig gewelltes haar.

gestern den ganzen central park abgelaufen. dort an einem kleinen see, auf dem optimisten segeln, fuhr ein hund skateboard, so ein wursthund, hin und her, die promenade lang. lustiger hund.

amerika

das land in dem grosse breite männer

ihren kleinen wuschligen hunden sagen

c‘mon man.

bäume und strassen, die aussehen als führten sie zum meer. überall blüten und verliebte und menschen mit hunden. ein ganz neuer gedanke: omg ich will ein dackel! wie lustig ist so ein dackel! 

ich klettere auf einen baum, schaue durch einen zaun, ich schaukle. im busch raschelt eine amsel. eine frau ruft ihren hund. er will nicht nachhause.
er sitzt im laub und schaut den vögeln nach.

wüstensand liegt über der stadt.

am markt ist es fast ruhig. 

ein kleiner hund rutscht auf dem gemüsenassen boden aus.
es gibt bergamottensaft.

ein mann zieht an der leine, der hund bleibt sitzen. 

der mann schreit den hund an: hallo ich rede mit dir!


hier leben auch bissige hunde. 

zum beispiel eine portugiesische kuhdogge,
die leute in den hintern schnappt.
normal, sagt unsere gastgeberin, ein mann.

was in italien im radio kommt: ein interview mit berlusconis hund

laurin legt sich mit paula an, er füttert ihr
blutwurst mit reis.
als es nichts mehr gibt, bellt sie ihn an, alarmiert die anderen hunde, ihr ganzer körper wird zur falschen anschuldigung: du grässlicher mensch! du hast mich unsittlich angefasst!
der mond versilbert die austernzucht.

ich finde alte fotos, ach, marokko, wie ich dem hund die tatze salbe. ich sah anders aus damals, vor drei jahren, ganz anders.

ein mann mit liebem botoxgesicht und zwei weissen hunden (bruno! komm!) weist mir den total unscheinbaren weg zum kleistpark. 

die buchhändlerinnen machen alzheimerwitze
und lachen, dass ihnen die goldkronen aus
dem mund blitzen.
ich lächle höflich mit.
fiona schläft unter dem tisch.
eine buchhändlerin erzählt von ihrer lieblingstante, die schreinerin war und alzheimer bekam. und deren mann konnte nicht mehr laufen. einmal hat sie im wohnzimmer auf ihn gezeigt, im rollstuhl,
und gesagt: der muss weg.
da hat er geweint.
mit den fussspitzen wecke ich fiona, sie soll
meine frikadelle aufessen. 

und immer wieder kommen hunde und beissen sich in meiner hand fest. 

es tut nicht eigentlich weh, sage ich. 

der hund schüttelt den kopf hin und her, in seinem maul meine hand. 

wenn ich meine hand wegziehe, sage ich, tut es mehr weh, als wenn ich dir die hand einfach hinstrecke. 

ich gehe in die knie und schlinge dem hund den freien arm um den hals, er schleckt mich ab und wir winden uns in einer innigen umarmung.
beim weggehen überlege ich, ob ich den hund adoptieren soll. aber ich will keinen hund. 

es sind noch einige leute unterwegs. die schatten folgen ihnen wie hündchen.

Von Michelle Steinbeck

Michelle Steinbeck ist Autorin und ehemalige
Redakteurin der Fabrikzeitung.

Michelle Steinbeck ist Autorin und Redaktorin der Fabrikzeitung.

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