In welchem Rahmen sollen mit öffentlichen Geldern finanzierte Werke letztlich auch der Öffentlichkeit zukommen? Während «Open Access» in der Wissenschaft bereits stärker verankert ist, befindet sich die Diskussion hierzu in der Kultur noch in den Anfängen. Ein Vorschlag, der bereits in Linz umgesetzt wurde, könnte auch in der Schweiz Anwendung finden.

Die meisten Schweizer Filme werden mit öffentlichen Geldern oder über Stiftungen gefördert und finanziert. Im Jahr 2013 gab der Bund rund 20 Mio Franken für Produktionen aus – im Vergleich: Terminator 3 kostete 180 Mio Franken. In der Wissenschaft setzte sich der Grundsatz durch, dass von öffentlichen Institutionen geförderte Wissenschaft auch öffentlich zugänglich sein sollte. Die Frage, ob dieser «Open Access» nicht ebenso für öffentlich geförderte Kultur gelten soll, drängt sich auf.

Förderung, die Offenheit fördert

Eine Musikerin, die ihren Song unter einer Creative-Commons-Lizenz (CC) online zugänglich macht, schafft damit ein digitales Gemeingut. Ohne nachfragen zu müssen können Dritte ihr Werk weitergeben und, je nach Lizenz, auch verändern und in eigene Werke einbauen. Für Fotografen, Autorinnen und Videokünstler gilt dasselbe: Eine Veröffentlichung ihrer Kreationen unter offenen Lizenzen schafft einen Mehrwert für die Allgemeinheit. Offen lizenzierte Werke können in kollaborativen Projekten wie Wikipedia eingebunden, problemlos in der Schule und an Universitäten eingesetzt, sowie ohne Angst vor Abmahnungen in Blogs verwendet werden. Angesichts dieser öffentlichen Interessen an einem möglichst grossen Pool an frei lizenzierten Werken, ist es umso erstaunlicher, dass Lizenzierungsfragen im Bereich öffentlicher Kulturförderung und -produktion bislang kaum ein Thema sind. Auch in den längsten Listen voller Kritierien für eine Förderwürdigkeit von Kulturproduktionen und -einrichtungen finden sich in den meisten Fällen keine Anforderungen hinsichtlich der Lizenzierung von geförderten Inhalten. Auch im Bereich des öffentlichen Rundfunks ist obengenanntes CC de facto unbekannt. Einzig im Bereich von Wissenschaft und Lehre scheint sich langsam die Einsicht durchzusetzen, dass öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse und Lehrinhalte möglichst auch unter freien Lizenzen öffentlich zugänglich sein sollten. Allerdings gilt auch dort, dass der Weg von der Einsicht zur Umsetzung ein weiter ist: Die meisten etablierten wissenschaftlichen Zeitschriften, die für wissenschaftliches Fortkommen entscheidend sind, verschliessen sich bislang einer Verwendung freier Lizenzen.
Dass es auch im Bereich von Kulturförderung und öffentlichem Rundfunk möglich ist, offene Lizenzen institutionell zu fördern, zeigen bislang nur einzelne Beispiele. So änderte die österreichische Stadt Linz zum Auftakt des Jahrs als Europäische Kulturhauptstadt 2009 ihre Kulturförderrichtlinien dahingehend, dass geförderte KünstlerInnen, die ihre Werke unter einer freien Lizenz veröffentlichen, einen Förderbonus in Höhe von zehn Prozent erhalten. Wichtiger noch als diese Vergütung und die damit verbundene Anerkennung des gesellschaftlichen Mehrwerts offener Lizenzierung ist aber der Aufklärungseffekt: Antragssteller-Innen ebenso wie die Kulturverwaltung setzen sich dadurch oft zum ersten Mal mit offenen Lizenzen wie CC auseinander.
Im öffentlichen Rundfunk gibt es in Deutschland mit dem elektrischer Reporter auf ZDFneo und dem Satiremagazin «Zapp» des NDR zumindest zwei Fernsehsendungen, die unter einer CC-Lizenz veröffentlicht werden. Auf diese Weise umschiffen sie auch die ohnehin absurde Depublizierungspflicht und die Sendungen bleiben dauerhaft online zugänglich.
Sowohl bei der Kulturförderung als auch beim öffentlichen Rundfunk stehen aber vor allem zwei Hürden einer stärkeren Nutzung von CC im Wege. Erstens sind an Film- und Tonwerken meist viele UrheberInnen beteiligt, die alle einer freien Lizenz zustimmen müssen. In Standardverträgen ist CC aber weder vorgesehen, noch wird sie entsprechend vergütet. Die grössere Hürde sind allerdings nicht Verträge und Vergütung, sondern die ablehnende Haltung von Verwertungsgesellschaften. Während diese in anderen Ländern wie den Niederlanden oder Frankreich ihren Mitgliedern erlauben, einzelne Werke unter einer CC-Lizenz zu veröffentlichen, verbieten das Gema, AKM und Suisa ebendies im deutschsprachigen Raum. Aus diesen Gesellschaften auszutreten ist für die grosse Mehrheit der professionell Kunstschaffenden aber keine Option.
Zusammengefasst tragen die fehlende Berücksichtigung in Kulturförderrichtlinien und das Verbot von Verwertungsgesellschaften dazu bei, dass CC im Musik- und Filmbereich bislang ein Nischendasein fristet. Instrumente wie Förderboni für offene Lizenzen wären hier eine Chance, Bewegung in die Debatte zu bringen: Niemand würde gezwungen, offen zu lizenzieren, es entstünden aber Anreize für alle Beteiligten, sich diesbezüglich im doppelten Sinne zu öffnen.

Von Leonhard Dobusch
Leonhard Dobusch schreibt für den Blog Netzpolitik (www.netzpolitik.org) und forscht als Juniorprofessor an der Freien Universtität Berlin u.a. zu transnationaler Urheberrechtsregulierung. www.dobusch.net
Das Dock 18 hat Organisationen und öffentliche Institutionen für eine Replik zu obenstehendem Text angefragt. Eine Auswahl wird hier wiedergegeben, weitere Antworten inklusive Diskussionsmöglichkeit finden sich auf www.dock18.ch/medienkultur.

Freie Wahl für Künstlerinnen und Künstler
Von Hans Läubli
Geschäftsleiter Suisseculture

Das Kulturförderungsmodell von Linz wurde in unseren Kreisen noch nie diskutiert. Ich kann also hierzu höchstens eine ganz persönliche Meinung abgeben: Meines Erachtens sollten Projektes bei der öffentlichen Kunst- und Kulturförderung von einem Fachgremium in erster Linie aufgrund des künstlerischen Gehaltes und Wertes beurteilt werden. Die kommerzielle (Weiter-) Verwertung sollte kein oder höchstens ein zweitrangiges Kriterium darstellen. Allenfalls eignen sich einzelne künstlerische Werke für offene Lizenzen, andere überhaupt nicht. Ob Künstlerinnen oder Künstler ihre Werke freigeben wollen, soll ganz allein ihnen überlassen sein. Ein Bonus für Künstlerinnen und Künstler, die ihre Werke  mit freien Lizenzen veröffentlichen, hat allenfalls etwas mit der Unterstützung eines Modetrends, mit Mehrwert für die Allgemeinheit oder gar Kunst- und Kulturförderung aber überhaupt nichts zu tun.

Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Inhalten
Von Matthias Stürmer
Geschäftsleiter Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit

Seit Beginn ihrer Gründung im Jahr 2009 setzt sich die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit für einen freien Zugang zu Wissensgütern ein. Im Bereich der Kulturgüter ist in der Zielsetzung der Parlamentarier-Gruppe explizit festgehalten: «Offene, partizipative Modelle kultureller Produktion wie Wikipedia und Creative Commons (CC) begründen gesellschaftlichen Mehrwert und sind zu fördern, indem mit öffentlichen Geldern finanzierte Inhalte frei zugänglich gemacht werden.»
Damit ist klar, dass der von Leonhard Dobusch beschriebene Förderbonus für offene Lizenzen eine konsequente Umsetzung der oben genannten Ausrichtung darstellt. Kultur wird seit jeher durch öffentliche Gelder gefördert. Wenn nun Kulturschaffende mittels Förderbonus einen zusätzlichen Anreiz erhalten, ihre Werke unter CC-Lizenzen freizugeben, dann wird den Steuerzahlenden neben dem Kulturgut auch die Freiheit dessen Nutzung und möglichst auch dessen Weiterentwicklung gegeben. Die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit ist demzufolge bereit, politische Aktivitäten in diese Richtung zu unterstützen.

 

Kulturschaffende einbeziehen
Von Dominik Landwehr
Direktion Kultur und Soziales, Migros-Genossenschafts-Bund

Das Kulturprozent ist mehrheitlich in der Vermittlung aktiv. Beispiele dafür sind das Tanzfestival Steps, das Clubfestival m4music oder die Migros-Kulturprozent-Classics. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Talentförderung, dazu gehören die verschiedenen Wettbewerbe im Bereich Kammermusik, Schauspiel oder Tanz. Im Bereich der Produktion respektive Produktionsförderung ist das Migros-Kulturprozent nur am Rand engagiert. Das Thema der Lizenzierung von Werken via Creative Commons ist deshalb in der Vergangenheit auch nicht auf unserem Radar aufgetaucht. Das Migros-Kulturprozent ist seit rund 15 Jahren im Bereich der Digitalen Kultur und Medienkunst engagiert, Fragen des Urheberrechts werden in verschiedenem Kontext, so etwa an der Conference des Clubfestivals m4music thematisiert, dort wurden auch die Anliegen von Creative Commons schon diskutiert. Wir gehen davon aus, dass uns das Thema auch weiterhin beschäftigen wird. Wir begrüssen die Initiative zum Thema Digital Commons und wünschen uns eine breite Diskussion. Dabei sollten aber namentlich auch die Kulturschaffenden selber zu Wort kommen und Vor- und Nachteile dieses Modells diskutieren.

Die Medienkulturgespräche sind eine Reihe des Dock18 Institut für Medienkulturen der Welt. Daniel Boos und Mario Purkathofer recherchieren monatlich aktuelle Themen der neuen Medien und sprechen mit betroffenen Menschen auf verschiedenen Kanälen.

Comment is free

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert