Wenn das Wetter sich von herbstlich schön zu winterlich grusig verwandelt und die sogenannten Übergangsjacken Wollmänteln oder gefütterten Parkas weichen, beginnt bei mir nicht nur die Salbeibonbon-Saison (im Idealfall findet sich in jeder Jackentasche eine Packung), sondern es überfällt mich auch eine grosse Kinolust. Letzteres teilt vermutlich die Mehrheit meiner Stadtmitbewohner. Bietet sich ja auch an: Mit dem sexy Houdini ist die Programmkino-Dichte in Zürich noch mehr gestiegen (das Gentrifizierungsfass mach ich jetzt einfach mal nicht auf) und auch wer statt Arthousefilmen lieber Blockbuster auf Grossleinwänden schaut, ist in Zürich bestens bedient. Bis Ende Jahr gibt’s Einiges zu sehen: Sequels vom «Hobbit» bis zu den «Hunger Games», Romantic Comedys mit und ohne Diane Keaton, Actionfilme mit und ohne Schildkröten, da sollte für jeden etwas dabei sein. Doch, Obacht, Vorsicht ist geboten! Und zwar völlig unabhängig von Geschmacksfragen. Denn bei den Hollywoodproduktionen, die in Grossraumkinos wie etwa dem Abaton laufen, kann man sich nicht mehr auf das ungeschriebene Schweizer Gesetz der Originalfassung mit Untertitel (OmU) verlassen! Will man sich dort beispielsweise ansehen, wie Matthew McConaughey in Christopher Nolans «Interstellar» mittels Wurmlöcher durch die Zeit reist, empfiehlt sich, vorher das Kleingedruckte zu lesen, um nicht zur Kino-Primetime der unterirdischen Qualität deutscher Synchronstudios ausgeliefert zu sein. Denn OmU läuft der Film nur am frühen Nachmittag, die Synchronversion dafür gleich zweimal, nachmittags und abends. Die schwertkämpfenden Riesenschildkröten in Michael Bays Reebot der «Teenage Mutant Ninja Turtles»  gibt es ausschliesslich auf Deutsch, ebenso die Seniorenlovestory zwischen Diane Keaton und Michael Douglas «So it goes», deren deutscher Titel «Das grenzt an Liebe» bereits Böses in Hinblick auf die Übersetzung der Dialoge ahnen lässt.
Handelt es sich bei dem Synchronfassungstrend um eine Geste an die zugewanderten Deutschen, die es nicht besser wissen, weil sie es nicht anders kennen? (Originalfassungskino ist nämlich ein Luxus, dessen man sich als SchweizerIn meist erst bewusst wird, wenn man in deutschen Kleinstädten vergeblich nach einem Arthouse Miniplex sucht.)
Oder ist er vielmehr als Entgegenkommen dem vermeintlichen Leseunmut der Jugend zu verstehen? (Der Multitasking-Aspekt des zeitgleichen Untertitellesens und bewegte Bilder-Schauens wird schliesslich nicht das Problem sein: Für eine Generation, die parallel zu allem, was sie tut, Facebook-Account, und oder WhatsApp im Blick hat, sollte das etwa so schwierig sein, wie gleichzeitiges Gehen und Kaugummikauen.)
Ebenso bleibt mir ein Rätsel, wer die teilweise grottenschlechte Sprecherarbeit durchwinkt und die Stimmen so kolossal daneben besetzt? Vor Jahren hatte ich zum Beispiel ein traumatisches Erlebnis mit Tom Tykwers «Heaven»: Cate Blanchets tiefe, gefasste Stimme wurde in der deutschen Fassung, die ich kurze Zeit nach dem Original sah, durch ein derart unmotiviert hysterisches Gefiepse ersetzt, dass Blanchets Filmcharakter kaum wiederzuerkennen war!

Seither steht für mich fest: OmU only! Nur in absoluten Ausnahmefällen breche ich diese Regel und bereue es jedes Mal bitter.

Die Dramatikerin Esther Becker schreibt Prosa, Essays und journalistische Texte zu kulturellen Themen. Für die Fabrikzeitung untersucht sie regelmässig den Zustand des kulturellen Nährbodens.

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