Alternative Kulturorte wie die Rote Fabrik hegen nicht selten den
Anspruch, einen diskriminierungsarmen Ort zu schaffen. Aber wie kann
das gelingen? Auf.Brechen, eine Arbeitsgruppe und Veranstaltungsreihe
der IG Rote Fabrik, macht es vor.

Die Rote Fabrik versteht sich als Ort mit einer anti-
diskriminierenden Haltung, wendet sich also explizit gegen beispielsweise sexistische, rassistische oder queerfeindliche Inhalte und Strukturen. Dieses Selbstverständnis gilt sowohl intern als auch extern, also für Veranstaltende, Künstler:innen sowie das Publikum. 

Soweit, so gut. Was aber schon länger erkannt und im
Licht der Black Lives Matter Bewegungen im Sommer
2020 unübersehbar wurde: Eine inklusive und nicht-
diskriminierende Gesellschaft zu leben, setzt einen Prozess der Selbstreflexion voraus. So ist Antidiskriminierung noch nicht gegeben, nur weil schriftlich verankert wurde, dass die Rote Fabrik keine Diskriminierung dulde. Sie ist auch noch nicht gegeben, wenn wir in unserem Selbstverständnis als linke Kulturarbeitende meinen, antidiskriminierend zu denken, handeln oder das Programm zu gestalten.

Strukturen aufbrechen

Um dem Selbstanspruch eines möglichst diskriminierungs-
armen, diversen und inklusiven Kulturraums näherzukommen, hat sich Auf.Brechen im Jahr 2020 gegründet. Auf.Brechen ist sowohl eine Arbeitsgruppe als auch eine Veranstaltungsreihe der IG Rote Fabrik, die dem Konzept-
büro angegliedert ist und sich alle zwei Wochen zwecks Planung trifft. Ihr Auftrag ist mit interkultureller Kommu-
nikation die Transkultur (die gegenseitige Aneignung von kultureigenen Merkmalen) anzustossen. 

Anhand monatlich stattfindender Veranstaltungen beleuchtet Auf.Brechen kritisch und mit Hilfe von Filmscreenings und Diskussionsrunden diskriminierende
Gesellschaftsstrukturen, -praxen und -normen. Dazu gehören Auseinandersetzungen  mit sowohl gesellschaftlich aktuellen Ereignissen, als auch mit verdrängten Themen, die sich unter den Begriff «Kultur» gliedern lassen. Auf.Brechen nimmt so auch Kontakt mit unterschiedlichen Akteur*innen auf und versucht, interkulturelle Dialoge zu fördern. 

Das Team von Auf.Brechen besteht aus Janice Ackermann, Paula Charles und Mark Damon Harvey in der Kuration und diversen Menschen aus der Roten Fabrik. Mit geladenen Panellteilnehmer*innen beackert das Team in anschliessenden Publikumsgesprächen den Nährboden für neue Denkansätze, die möglichst befreit von übernommenen persönlichen und hegemonialen Denkmustern sind. 

Das Ziel von Auf.Brechen ist eine Veränderung in Bezug auf veraltete Veranstaltungs-, Gesellschafts-, Bildungs-, Kommunikations- oder Organisationsstrukturen voran-zutreiben. Dafür widmen wir uns tradierten Strukturen, diskriminierenden Praxen und Normen und zeigen gesellschaftliche Tabus auf. Auf.Brechen sieht sie sich somit
in der Pflicht, sich selbst aber auch die Gesellschaft und die Welt, in der wir leben, kritisch zu hinterfragen – sei es als IG Rote Fabrik oder als Individuen. Dabei ist es Auf.Brechen bewusst, dass dieser Prozess allem voran bei sich selbst beginnen muss. Mensch muss sich stetig weiterbilden und sich vertieft mit antidiskriminierenden Diskursen und der eigenen (Macht-)Position in ebendiesen auseinandersetzen.

Linker Kulturkonsum

Unser aktueller Event, der Anfang April im Clubraum
der Roten Fabrik stattfand, widmete sich dem Thema linker Kulturkonsum und Neokolonialismus. Der Abend war eine augenöffnende und aufschlussreiche Begegnung mit Musiker*innen aus Zürich und ihrer Sicht auf Musik –
vor allem Rap und Hiphop. Denn die Anfänge des Hip-
hop gingen Hand in Hand mit der Black Consciousness Bewegung.

Die Veranstaltung widmete sich der Suche nach der politischen Dimension und konkreten Elementen im Hiphop-Genre und beleuchtete die damit verbundenen gesellschaftspolitischen Verstrickungen.

Während der Diskussion waren die Teilnehmer*innen zunächst etwas gehemmt, weil sie annahmen, dass sie Erklärungen für die eigenen Sünden der Vergangenheit oder Entschuldigungen für ihre Privilegien liefern müssten. Dies war jedoch nicht die Absicht der Moderation. Viel mehr ging es darum, die Komplexität des Themas aufzuzeigen, der einen ebenso komplexen Dialog einfordert. Zudem gab es einige Diskussionen über kulturelle Aneignung und die polemische Denkweise darüber, die von bürgerlichen Medien gefördert wird. Statt sich differenziert mit dem Thema der kulturellen Aneignung und globalen sowie historischen Machtstrukturen zu beschäftigen, werden meist nur vermeintliche Verbote thematisiert. Wir waren uns alle einig, dass diese medial geführten Diskussionen nicht produktiv, sondern eher spaltend und vereinfachend sind. 

Gemeinsam diskutierten wir diverse Fragen, wie etwa: Inwieweit sollten Musiker:innen ihre Inspirationsquellen anerkennen? Wie politisch sollte die Musik sein dürfen? Wann ist es für Musiker:innen in Ordnung, sich selbst und andere Produkte zu vermarkten?

Am Ende des Abends wurde eine interessante Schluss-
folgerung von der Moderation aufgegriffen. Nämlich, dass die Kommerzialisierung kultureller Artefakte der Kern unserer Kritik an kultureller Aneignung ist – und nicht die Aneignung selbst. Kann es sein, dass sich die kulturelle Aneignung bei näherer Betrachtung nur als ein Über-
setzungsprozess (Homi Bhaba) ohne Anfang und Ende entpuppt? Und dass sich im Kapitalismus die meisten dieser Kontroversen letztlich darum drehen, wer profitiert und wer nicht? 

Diese Analyse sendet eine starke Botschaft: Sie bedeutet, dass diejenigen, die unter der systemischen Hegemonie des rassifizierten Kapitalismus leiden, gleichzeitig durch ihre Teilhabe an ihm bestehen, wenn auch entlang «kultureller» Linien. Dies ist ein echtes Paradoxon, das es schwer macht, mit dem Finger auf die Profiteure zu zeigen und die Integrität zu wahren. Und schliesslich ist es vielleicht die Pipeline vom Ghetto zum Laden oder die Art und Weise, wie obskure kulturelle Produktion aus der Armut in die reichen Gegenden wandert, die uns dazu veranlassen könnte, puristisch darüber nachzudenken, was ein unbeflecktes kulturelles Artefakt ist und was vom Profit besudelt wird.

Weiter machen!

Als alternativer Kulturort, der sich zum Ziel gesetzt hat, gesellschaftskritisch zu arbeiten, wollen wir uns auf zwei Weisen den Themen Diskriminierung und Anti-Diskriminierung annehmen. Zum einen müssen wir uns auf der internen Ebene – als Individuen und Mitarbeiter*innen der IGRF – mit Machthierarchien und Privilegien, sowie unseren Arbeitsstrukturen auseinandersetzen und diese immer wieder untersuchen und weiterentwickeln. Zum anderen wollen wir unsere Haltung auch nach aussen tragen, um weitere Menschen zu erreichen und gesellschaftliche Veränderungsprozesse aktiv zu unterstützen. 

Es gab bereits zahlreiche Veranstaltungen in der Roten Fabrik, die einen antidiskriminierende Ansatz verfolgten und gesellschaftspolitische Thematiken aufgriffen. Wichtig ist nun, dieses Ziel in Zukunft nicht nur nicht aus den Augen zu verlieren, sondern sich proaktiv und explizit dafür stark zu machen und dabei sich selbst und die damit zusammenhängenden Privilegien – sei es nun als Institution, Teammitglied oder Individuum – stets zu reflektieren. 

Von Auf.Brechen

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