Katie Crutchfield verwandelt schmerzhaft akkurate Gefühlsprotokolle in wunderschöne Rock- und Folksongs. Bald ist sie mit ihrem Projekt Waxahatchee in der Roten Fabrik zu Gast.

 
Take my word for it, I’m not worth it
I ignored you all night and you don’t deserve it
Morning, bathtub, my skin soft and hot
I was sure you were right but you’re not

«Bathtub» (vom Album «American Weekend», 2012)

Achtung. Dies ist keine normale Konzertvorschau. Dies ist kein distanzierter Text, der sich in schlauen Sätzen der Frage widmet, warum man die Musik der Band Waxahatchee aus Birmingham, Alabama wohlwollend oder weniger wohlwollend bewerten sollte. Der Versuch einen dieser in erster Linie selbstgefälligen feuilletonistischen Bleisätze zu fertigen, der einen am Schluss selber ratlos darüber zurücklässt, ob man gerade einen Verriss oder eine Würdigung geschrieben hat, musste zum Glück abgebrochen werden. Dies ist auch kein Kompendium zu Katie Crutchfield, deren Soloprojekt Waxahatchee darstellt und die seit 2012 vier Alben unter diesem ungewöhnlichen Namen veröffentlicht hat. (oops, jetzt wäre der Schreibende fast in alte Fahrwasser geraten…).
Nein. Das hier ist ein Bekenntnis: Ich will ein T-Shirt, auf dem Waxahatchee draufsteht. Gross wie der Champion-Schriftzug. Oder Tommy Hilfiger. Oder Nike. Oder Comme des Irgendwas. Es dürfte auch «Out In The Storm», der Name des aktuellen Albums, oder Katie Crutchfield draufstehen. Hauptsache irgendein Bekenntnis zu dieser Musik, die in so kurzer Zeit Abdrücke wie ein tausend Grad heisses Brandeisen hinterlassen hat. Ich identifiziere mich mit dem, was Katie Crutchfield tut, und würde das gerne öffentlich kundtun.

Endlich. Bei dieser Musik kann man all das ausklammern, von dem man oft nicht weiss, ob es die Beurteilung der Musik nicht zu stark mitbeeinflusst: Crutchfield hat weder eine besonders tolle Stimme, noch spielt sie besonders gut Gitarre. Es geht hier nicht im Geringsten um Aussehen, Haare, Kleider oder Tanzschritte. Es sind die Inhalte und ihre Übermittlung, die hier begeistern.
Ja. Die Musik der Amerikanerin hat das Ich direkt im Sinneszentrum berührt. Sie hat gleich auf zwei Ebenen kommuniziert: sprachlich und musikalisch. Es sind nämlich Stücke, die so klar, so direkt, so schonungslos von Zuständen und Gefühlswelten sprechen, die wir alle nur zu gut kennen. Da liegt kein Farbfilter, keine Camouflage-Blache und keine Metaphorik dazwischen. Katie Crutchfield lässt Bitterkeit Bitterkeit, Konfrontatives Konfrontatives und Abgestorbenheit Abgestorbenheit sein.

Bei ihr ist Liebe meist ein Zustand der Unsicherheit, der Schuldigkeit, der ungleichen Verteilung, der Erduldung von Beleidigungen und Fehleinschätzungen. Sie beschreibt vor allem jene Momente, in denen der Kitt zwischen zwei Menschen sich in etwas wandelt, das sich gar nicht mehr wie ein freies, befreiendes, schönes, grosses Gefühl anfühlt oder das längst brüchig geworden ist.

 

For a moment I was not lost

I was waiting for permission to take off

 

«Recite Remorse» (vom Album «Out In The Storm», 2017)

Wie sie das macht? Wie sie die richtigen Worte, den richtigen Ton findet? Energie und Magie aufbaut? Das lässt sich nicht ergründen, auch wenn man sie stundenlang mit Fragen quälen würde. Auf Youtube gibt es Dutzende von Interviews mit ihr. In jedem davon wirkt sie nett und auskunftsfreudig. Nie lässt sie einen Journalisten auflaufen. Aber viel über die Musik und ihre Entstehung, das Songwriting selbst, erfährt man nicht. Diese Art von Storytelling, diese Art von Dringlichkeit kann man gar nicht erlernen.

Verbündete hat das dem Schaffen von Crutchfield ergriffene Ich in Düdingen bei Freiburg gefunden. Dort wo, die Südstaatlerin mit ihrer dreiköpfigen Band (ist Zwillingschwester Allison, ebenfalls Solokünstlerin und Kopf der Band Swearin, wohl diesmal auch mit von der Partie?) am Abend vor dem Zürcher Konzert auftritt. «Ein namhaftes Musikheft habe sie die «Alanis Morissette von heute» genannt», heisst es im Programmheft des Bad Bonn. «Heute schon eine Verleumdungsklage und einen Gitarrenhals in den Hals gerammt bekommen? Wir halten uns dann mal lieber an die Breeders.»

Gitarre zu lernen habe ihr grosse Mühe bereitet, erzählte Crutchfield, heute Ende Zwanzig, einst in einem Interview. Niemand aus ihrer Familie sei musikalisch gewesen und sie habe auch niemanden in ihrem näheren Umfeld gehabt, der Gitarre gespielt habe. Es bliebt nichts übrig als mühselige Autodidaktik. Irgendwann setzte sich dann ihre Zwillingsschwester Allison hinters Schlagzeug und ab dann wurde im Keller des Elternhauses in Alabama Abend für Abend gejammt.

Seither scheinen die Songs einfach aus ihr herauszuströmen. So, als wären es Hymnen. So als hätte das Ganze auch noch etwas Romantisches. Wenn sie in «Recite Remorse» begleitet von zwei sich abwechselnden Orgelakkorden und einem dumpfen, vorwärtsschreitenden Puls davon singt, dass sie auf gutem Weg gewesen sei, ihren Verstand zu verlieren, klingt das nicht verloren, sondern irgendwie auch verträumt, trotzig und souverän. Die indianisch klingenden Lettern Waxahatchee – übrigens der Name eines Gewässers, unweit von Crutchfields Elternhaus – haben allen Grund auf meiner Brust zu prangen. Grösse XL, bitte!

 

Waxahatchee spielen am 14. September um 20 Uhr im Clubraum.

Adrian Schräder ist freier Journalist und arbeitet regelmässig für die NZZ, Das Magazin oder das Bieler Tagblatt.

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