Anhand der Daten von 4391 im Jahre 2011 befragten Schweizer*innen identifizierten die beiden Politikwissenschaftler Matthias Fatke und Markus Freitag die sechs hier aufgeführten Nichtwähler-Typen.

Zufriedenen desinteressierte Nichtwählende (25%)

Die zufriedenen, aber eher desinteressierten Nichtwählenden bilden mit 25 Prozent die grösste Gruppe innerhalb der Nichtwählerschaft. Sie zeigen ein unterdurchschnittliches politisches Interesse, äussern aber politisches Vertrauen und allgemeine Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie. Zudem üben sie hin und wieder alternative Formen politischer Partizipation wie etwa Protestieren oder das Sammeln von Unterschriften aus. Im Gegensatz zur Motivation mangelt es dieser Gruppe nämlich nicht an Ressourcen oder Netzwerken. Vielmehr verfügen sie über ein relativ hohes Einkommen und Bildungsniveau und sind familiär und sozial recht gut eingebunden. In soziodemographischer Hinsicht fällt auf, dass die zufriedenen, aber wenig interessierten Nichtwählenden eher in grossen Haushalten leben, während ihr Alter und die Grösse ihres Wohnortes im Durchschnitt liegen.

Inkompetente Nichtwählende (20%)

Die Gruppe der inkompetenten Nichtwählenden kommt auf rund 20 Prozent. Sie hat ein im Vergleich geringes Einkommen und Bildungsniveau sowie eine kärgliche soziale Einbindung zu beklagen. Die Mitglieder dieser Gruppe sind unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie und haben kaum Vertrauen in Regierung und Parlament. Als Gründe der Nichtwahl geben sie an, sich nicht für Politik zu interessieren, diese als zu kompliziert zu empfinden, die Kandidierenden nicht zu kennen und sich überdies nicht entscheiden zu können. Es verwundert daher nicht, dass nur die wenigsten von ihnen an vorherigen Wahlen und Abstimmungen teilgenommen haben oder anderen Arten politischer Beteiligung nachgehen. Diese Nichtwählenden sind insbesondere in kleinen Haushalten und mittleren bis grösseren Gemeinden zu finden.

Sozial isolierte Nichtwählende (18%)

Die sozial isolierten Nichtwählenden machen etwa 18 Prozent aus. Ihnen fehlt es weniger an Ressourcen, sondern eher an Motivation und sozialer Einbettung. Das vergleichsweise hohe Bildungsniveau, der seltene Kirchgang und der ledige Familienstand lassen sich durch das im Vergleich jüngste Durchschnittsalter erklären. Besonders auffällig sind die fehlende Kandidatenkenntnis als Grund der Abstinenz, das geringe Vertrauen in die Politik sowie die Seltenheit politischer Diskussionen mit Familie, Freunden oder Kollegen. Isoliert von einem politisch motivierenden Umfeld, fällt es besonders schwer, staatsbürgerliche Rechte, Pflichten und Fähigkeiten zu erlernen und einzuüben.

Politisch verdrossene Nichtwählende (16%)

Die politisch verdrossenen Nichtwählenden sind mit 16 Prozent vertreten. Noch weitaus mehr als der vorherigen Kategorie fehlt es den Mitgliedern dieser Gruppe an der Motivation, sich an Wahlen zu beteiligen. Sie zeigen das geringste politische Interesse, den seltensten Nachrichtenkonsum und das wenigste Wissen über politische Sachverhalte aller Nichtwählergruppen. Zudem besteht ein Mangel an Ressourcen, was ihre Bildung und das Einkommen betrifft. Ferner suggerieren die vergleichsweise hohe Unzufriedenheit mit der Demokratie, das Misstrauen den politischen Institutionen gegenüber, die geringe Parteiidentifikation und der seltene Austausch über Politik, dass die Nichtwahl ein Ausdruck von tiefer sitzendem Verdruss ist. Diese Gruppe ist tendenziell eher in kleinen Gemeinden und dem politisch linken Lager zuhause.

Abstimmende Nichtwählende (13%)

Die abstimmenden Nichtwählenden machen 13 Prozent der Nichtwählerschaft aus. Sie spielen in mancherlei Hinsicht eine Sonderrolle. Eigentlich vereinen sie viele Voraussetzungen für eine Wahlteilnahme: Vertreter dieses Typs interessieren sich sehr für Politik, lesen häufig politische Nachrichten in der Zeitung und kennen sich in der Politik generell gut aus. Zudem sind ihnen sogar die Kandidierenden bekannt, und Politik erscheint ihnen nicht allzu kompliziert. Allerdings weisen die Mitglieder dieser Gruppe keine allzu grossen Bildungs- und Einkommensressourcen auf. Überdies halten diese Befragten Volksabstimmungen für wichtiger als Wahlen und konsultieren damit lieber die Abstimmungs- als die Wahlurne. Diese abstimmenden Nichtwählenden sind tendenziell jünger und wohnen eher in kleinen Haushalten in grossen Gemeinden.

Unkonventionell partizipierende Nichtwählende (9%)

Die unkonventionell Partizipierenden sind mit nur 9 Prozent die kleinste Gruppe unter der Nichtwählerschaft. Zwar weisen Mitglieder dieser Gruppe einen hohen Grad an politischem Interesse auf und sind sozial recht gut eingebunden. Allerdings fallen die finanzielle Ausstattung und das Humankapital eher gering aus. Auffällig ist in dieser Gruppe der ausgesprochen hohe Anteil ausgeübter unkonventioneller Partizipationsformen abseits der Wahl- und Stimmurne in Bürgerinitiativen, in Parteien oder auf der Strasse. Allerdings ist dies nicht als Protest gegen das politische System zu verstehen. Denn dieser Typus des Nichtwählenden zeichnet sich durch eine grosse Zufriedenheit mit der Demokratie, eine starke Identifikation mit Parteien und durch hohes Vertrauen in die Politik aus. Schliesslich liegt in dieser Gruppe das Durchschnittsalter am höchsten, und es wird am häufigsten im persönlichen Umfeld über politische Themen diskutiert.

aus: Fatke, Matthias und Freitag, Markus (2015): Wollen sie nicht, können sie nicht oder werden sie nicht gefragt? Nichtwählertypen in der Schweiz. In: Freitag, Markus und Vatter, Adrian (Hrsg.): Wahlen und Wählerschaft in der Schweiz. Zürich. Verlag Neue Zürcher Zeitung: 95–120.

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