Es ist zu befürchten, dass sich in der diesjährigen Vorweihnachtszeit viele Menschen sagen werden: «Ich bin zwar handwerklich nicht geschickt und ich hasse es von ganzem Herzen zu basteln, aber dieses Jahr will ich meinen Verwandten ein ganz persönliches Geschenk gestalten. Mit meinen eigenen Händen und mit meinem eigenen Schweiss. Nur so kann ich all die verpassten Treffen und Händeschütteleien und Umarmungen wieder gut machen. Ja, nur mit einer originellen Bastelei kann ich meinem Blute beweisen, dass ich sie liebe!» Und vielleicht schluchzen diese Menschen dann kurz auf und verwerfen ihre zwei linken Hände in der Luft.

Leider ist diese Do it yourself-Welle, die uns mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit bevorsteht, gesundheitlich nicht ungefährlich. Und damit sind noch nicht mal die unmittelbaren Gefahren gemeint, die gerade für ungeübte BastlerInnen gefährlich werden können: Heisser Wachs, Bügeleisen, Leimpistolen und Lötkolben, um nur einige Beispiele zu nennen. Nein, es besteht die grosse Gefahr, dass viele Menschen selbstgebastelte Schutzmasken verschenken werden. Und weil die unbestrittenen Basteltrends noch immer Shabby Chic und Serviettentechnik heissen, wird das eine heikle Sache. Zwar wird bei der Serviettentechnik lediglich das Sujet einer Serviette auf einen anderen Gegenstand übertragen, aber die Chemikalien, die dafür verwendet werden, würden eine Maske für den täglichen Gebrauch ganz sicher untauglich machen. Genauso viele Gefahren gehen von der Shabby-Chic-Technik aus: Wenn die Maske mit Schleifpapier behandelt wird, senkt das den Schutzeffekt erheblich. Auch das Ausweichen auf klassische Praktiken wie das Bemalen von Steinen ist nicht zu empfehlen: Die Steinobjekte beschweren die Schutzmaske unvorteilhaft. Zusammen mit der Erdanziehungskraft stellt das auf unserem Planeten ein Problem dar. Auf anderen Planeten könnte das anders sein, das muss jede Person selbst abwägen.

Möglich, dass die nun enttäuschten Bastler-Innen ihre linken Hände wieder in der Luft verwerfen. Auch möglich, dass sie nun denken: «Dann bastle ich eben etwas anderes. Etwas, das den ganzen Körperkontakt, den ich dieses Jahr nicht geben konnte, wirklich ersetzen kann. Zum Glück habe ich gerade den Pfnüsel. Denn mir ist aufgefallen, wenn ich aus einem besonders klaren Popel eine Kugel forme und diese trocknen lasse, dann sieht das aus wie eine Perle. Und was gibt es Persönlicheres als die eigenen Körpersäfte! Und was gibt es Schöneres als eine Perle! Ich werde all meinen Verwandten sofort tolle Freundschaftsarmbänder mit integrierten Körpersaft-Perlen knüpfen!» Das kann man natürlich machen. Es sollte allerdings beachtet werden, dass die getrockneten Perlen lange genug an der frischen Luft waren und man selbst seit mindestens 48 Stunden symptomfrei ist, bevor man den Knäuel aus Garn, Schweiss und Rotz desinfiziert und verschickt.

Oder man bastelt aus all den missglückten Masken und Freundschaftsbändern zwei kleine, herzige Männlein mit markantem Überbiss, grauem Haar und schelmischen Grinsen. Eines der Püppchen nennt man «Kei Gäld» und eines «Kei Luscht». Dann zieht man Schuhe mit einer brutalen Sohle an und stampft auf den beiden herum. Danach wirft man sie in den Abfall. Allen ein wunderbares 2021!

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern, studierte Filmwissenschaften, Drehbuch und Literarisches Schreiben in Zürich, Ludwigsburg und Biel. Gründete 2013 zusammen mit dem Künstler Simon Krebs das Büro für Problem.

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