sie, deren gesicht wir nie gesehen haben sie, deren körper ein tor ist zur welt
sie, deren schwarze schenkel glänzen von öl
von fett & öl

sie, deren einatmen das ende der zeit heisst
sie, deren gelächter die erde beben lässt

wer kann sie mit seinen armen ganz umfassen? wer kann vordringen bis in die tiefe ihrer begier?

sterne sind die samenperlen, die sie auf ihr fleisch setzt
sie sind die milch ihrer brüste & der nektar ihrer liebe
ihr orgasmus erschüttert die dunklen welten bis in den grund

der herr der toten regt sich bang auf seinem thron er ist einer der zähne in ihrem maul

ihre töchter strömen aus den pforten der hölle mit flammendem haar sie sind die göttinnen, die wir benennen können, wir nennen sie Nut wir nennen sie Kali & Olokun, Omphale & Mara

aus ihren händen empfangen die götter der menschen macht.

Von Diane di Prima, deutsche Übersetzung von Judith Pouget

Diane di Prima war eine US-amerikanische Dichterin (*1934 in Brooklyn, New York City, †2020 in San Francisco, CA) sowie eine der inspirierendsten Stimmen der Beat Generation.
N U T : In der altägyptischen Mythologie die Göttin des Himmels, wurde als Mutter der Gestirne angesehen. K A L I : Im Hinduismus eine bedeutende Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung. O L O K U N : Gottheit der Tiefen des Ozeans, des Wohlstands und der Fruchtbarkeit in der Region der Yoruba (Nigeria, Benin). O M P H A L E : Gestalt aus der griechischen Mythologie, die Herakles als Sklaven kaufte, hielt, später heiratete und ihm Söhne gebar. M A R A : Erste weibliche Gottheit der slawischen Mythologie, die Frühling und Fruchtbarkeit bringt, aber auch mit Winter, Nacht und Tod assoziiert wird; zweithöchste Göttin der lettischen Mythologie und des vorchristlichen Theismus im Baltikum, Personifizierung der Natur, vereint in sich die «göttlichen» Aspekte der Geburt, des Lebens und des Todes.