Es war ein bescheidener Plan, den ich für die Sommerpause gemacht hatte, die vorlesungsfreie Zeit, die Sommerferien: Da ich zwar nicht wirklich freihaben, mir aber die Arbeitszeiten grösstenteils frei einteilen können würde, kaufte ich mir zum ersten Mal im Leben ein Saisonabo für die Badi. Ich würde früh aufstehen, zum Max Frisch Freibad radeln, die Tasche mit den Schwimmsachen im Velokorb – ja, ich hatte mir sogar ein Vorhängeschloss für den Spind gekauft, um im Wasser nicht alle paar Meter zum Beckenrand schielen zu müssen, ob ich nicht vielleicht bestohlen wurde.

Ich würde also perfekt getimt (nach den früh aufstehenden Rentnern und vor den ausschlafenden Jugendlichen) brav meine 20 Bahnen brustschwimmen (Kraulen kann ich leider nicht), erfrischt aus dem Wasser steigen, um danach frisch geduscht, das nasse Haar im Fahrtwind trocknend, nach Hause zu strampeln und mich an den Computer zu setzen. Abwechslungsweise auf meinem Balkon oder am Schreibtisch meines untergemieteten Atelierplatzes. Idealerweise mit einem eisgekühlten Getränk in Reichweite. Ich würde fleissig arbeiten und gut genug vorankommen, um abends noch etwas zu unternehmen: Grillen, ins Open Air Kino, oder einfach mal ein Feierabendbier trinken gehen. Draussen, versteht sich.

Tja…

Ich war dann genau drei Mal im Schwimmbad. Zweimal im Letzibad, wo ich tatsächlich geschwommen bin; in der Frauenbadi habe ich es nur bis zu den Oberschenkeln ins Wasser geschafft. Es war derart kühl und windig, dass ich noch nicht einmal zum Rumliegen oder Lesen blieb, sondern sofort frustriert mit dem Fahrrad nach Hause fuhr. Mein Fahrradkorb wurde übrigens bei der Streetparade geklaut. Und das, obwohl er a) mit Kabelbinder befestigt und b) ein umfunktionierter, knatschblauer Lidl Einkaufskorb, also nicht gerade schön war. Karma Police? Dabei war ich extra vor der Streetparade ins Appenzell geflohen und ahnte nichts Böses, als ich fernab von bedrogten Jugendlichen (und nicht mehr ganz so Jugendlichen) durch die Brockis von Ausserrhoden stöberte. Zurück am HB fand ich dann mein umgeworfenes, verbogenes, korbloses Velo vor.

Im Open Air Kino war ich gar nicht. Auch habe ich es nicht geschafft, in netter Gesellschaft einen Maiskolben über glühender Grillkohle zu wenden.

Das lag aber nicht nur am Wetter, sondern auch daran, dass ich mir die Sommergrippe eingefangen habe, die mich (natürlich immer dann, wenn ausnahmsweise die Sonne schien) ans Bett fesselte. Insgesamt war ich zwei Mal am Theaterspektakel und eineinhalb Mal draussen Fussball WM schauen.

Das «halbe Mal» war die Verlängerung des Achtelfinalspiels Argentinien – Schweiz, die ich allerdings in Berlin schaute. Ich war mit zweieinhalb argentinischen Freunden (zwei Erwachsenen und einem Baby) zum Abendessen verabredet gewesen, beim Punkitaliener in Kreuzberg. Da die argentinische Mannschaft gewann und es mit meinem Pseudo-Patriotismus weit her ist, war die Stimmung grossartig! Zurück in Zürich sah ich in einem kleinen Fernseher vor einer Garage bei den Gleisen der Hardbrücke das bizarre Halbfinal Deutschland – Brasilien. Damit hatte ich genug WM.

Schöne Sommerbilanz!

In diesem Sinne freue ich mich auf den Herbst…

Die Dramatikerin Esther Becker schreibt Prosa, Essays und journalistische Texte zu kulturellen Themen. Für die Fabrikzeitung untersucht sie regelmässig den Zustand des kulturellen Nährbodens.

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