Auf dem Hof geht eine Frau mit einem Hut. In einer Hand trägt sie einen Eimer, in der anderen einen Mopp. Laurent steht am Fenster und sieht ihr nach, wie sie den Hof überquert, vor den Briefkästen stehen bleibt, den Kessel abstellt und sich einmal nach links und rechts umschaut. Dann öffnet sie einen Briefkasten und zieht unter gestapelten Zeitungen einen Schlüssel hervor. Sie schliesst die Haustür auf und verschwindet.

Laurent seufzt auf und bleibt am Fenster stehen. Er wartet, bis die Frau im Fenster der Wohnung gegenüber auftaucht, in der Küche den Hut abnimmt, den Mantel an den Haken hängt und sich eine Schürze umbindet. Die Frau, das macht sie immer, setzt sich erst einmal an den Küchentisch und zündet sich eine Zigarette an. Nach ein paar Zügen öffnet sie das Fenster, spickt die Kippe hinaus und Laurent stellt sich hinter den dicken Vorhang und drückt seine Nase hinein. Die Frau riecht an ihren Fingern, dann rollt sie die Ärmel zurück und füllt den Eimer mit Seifenwasser.

Laurent beobachtet jede ihrer Bewegungen genau. Wie sie den Mopp in den Eimer mit dem heissen Seifenwasser tunkt, wie sie ihn triefend nass auf den Boden absetzt und ruhig hin und her und Kreise wischt.

Wenn ihm das Stehen am Fenster zu mühsam wird, setzt er sich auf den Boden, sodass sein Kopf noch übers Fensterbrett ragt; das geht, Laurent ist sehr lang. Dann fährt er mit den Händen über den alten Dielenboden, kratzt mit den Nägeln in den Zwischenräumen der Holzplanken und verreibt das Hervorgepulte in kleinen Wirbelbewegungen über dem Boden. Er tastet nach den wattigen Büscheln, die wie Geistermäuschen übers Parkett schweben und drückt sie sanft zwischen den Fingern. Er streckt die Finger in die Zwischenräume des Heizradiatoren und zieht mit einem Schaudern eine Haarspinne hervor; ein Geknäuel aus zusammengeribbelten Haaren, um deren Zentrum sich wie bei der Verpuppung eines Insekts Fäden und Flusen gesponnen haben, in deren weichen Netz sich vertrocknete Fliegen und winzige Blütchen verfangen haben. Laurent setzt sich den Fund auf den Kopf und fixiert mit zusammengedrückten Augen die Frau im Haus gegenüber, wie sie mit einem langen Staubwedel die Ecken der Decken abstaubt.

Laurent war ein weichliches Kind. Er sah nicht appetitlich aus, mit seinem grünlichen Teint, der breiten Nase mit den unanständig grossen Löchern und den fleischigen, überhaupt nicht kinderhaften Ohren. Im Winter wie im Sommer sass er am Ofen und blies hinein, sodass die Glut aufleuchtete, die Asche stob und ihm ums Gesicht wirbelte. Wenn die Mutter ihn dabei erwischte, haute sie ihm mit dem Ofenbesen eins über und zog ihn an den Ohren in den Garten, schloss die Tür hinter ihm ab. Dort hockte er dann auf der Matte fror.

Laurents Vater war im Krieg geblieben, im Kopf. Der kleine Laurent sah ihn ab und zu durch die offene Küchentür, wenn er beim Frühstücksbrei sass und der Vater im Schlafanzug die Treppe runterschlurfte. An der Tür zwängte er sich mit einigem Verheddern in seinen Mantel, setzte sich umständlich den Hut auf und liess die Tür hinter sich zufallen. So sollte er die Landstrasse entlang wanken, bis zur Goldenen Sonne, wo die starken dicken Arme der Wirtschaftsfrau und golden aufgereihte kleine Birnenschnäpse warteten.

Eines Tages kam Laurents Vater nicht wieder. Im Suff stolperte er über eine Wurzel und brach sich das Bein. Er holte sich eine Infektion und kam ins Spital, wo er dreimal starb. Die Ärzte waren begeistert. Er erzählte von der Hölle, und dass der Teufel ihn nicht gewollt hatte, dann vom Himmel; Petrus hatte ihn nicht reinlassen wollen, hatte gesagt, es sei noch nicht so weit. Es kam sogar in der Zeitung; der Artikel hing seither gerahmt in der Küche, darauf ein Bild vom sterbenden Vater im Spitalbett.

Nach dem Tod des Vaters war Laurents Mutter noch unausstehlicher geworden. Sie fegte wie eine Furie durchs Haus und machte sauber. Sie jagte Laurent mit dem Besen hinterher und wieselte ihn zwischen seinen Füssen hindurch; sie moppte ihm mit den nassen stinkenden Fäden in die Ohren und weckte ihn mit einem Schwall kalten Spülwassers – sie war eine verrückte Alte, seine Mutter, und Laurent fürchtete sie sehr.

Was er aber liebte, war, wenn die Mutter den grossen Teppich ausschlug. Das funkte und stiebte und glitzerte durch die Luft! Laurent tanzte durch die schillernden Staubgalaxien: farbige Bahnen und Riesenräder, drei Sonnen und grandiose Explosionen, in denen seine Mutter aufging… Auch dafür würde sie ihm bald hinterherrennen und ihn mit dem Teppichklopfer ausklopfen, aber das gefiel ihm, weil es weiterstiebte und funkelte, weil er selber voller Schimmer war, der ausflog in die Lüfte und taumelte und wirbelte; es war herrlich und wunderschön. Das Ausklopfen der Fussabtretermatte fand Laurent hingegen ausserordentlich interessant: das war ein dunklerer, braunerer Staub, der da zum Vorschein kam, der von langen Wegen und Strassen und Reisen zeugte – wer da schon alles seine Schuhe abgewischt hat und wo die alle hergekommen sind! Moskau!

Laurents Mutter musste nämlich des Geldes wegen auf fremde Kinder aufpassen, die den ganzen Tag in der Küche sassen und Kekse frassen. Diese Kinder hatten reiche Eltern, die ständig zu wichtigen Geschäften in alle möglichen Städte fuhren. Laurent ist das Gefühl nie losgeworden, dass seine Mutter die fremden Kinder lieber gemocht hat als ihn. Sie hat daraus auch kein Geheimnis gemacht; auf ihrem Sterbebett hat sie bittere Tränen geweint, weil der Thomas von nebenan nicht gekommen war, weil der nun in New York lebte.

Der kleine Laurent durfte mit den zurechtgehübschten Kindern nicht in einem Raum sein, seit er einem vorlauten kleinen Mädchen erklärt hatte, dass ihre gezeichneten Kreise und Striche keine richtigen Buchstaben seien, und sie ihm daraufhin den Bleistift, Mine voran, in den Arm gesteckt hatte. Das Mädchen fing an zu weinen und lief zu Laurents Mutter, um sich trösten zu lassen. Seither fand die Mutter, Laurent sollte die fremden Kinder in Ruhe lassen, wenn sie bei ihnen im Haus seien. Die Eltern der Kinder begrüssten das sehr; sie hatten schon immer befürchtet, dass diese ungesunde Visage ihren Kindern Angst machen, wenn nicht sogar bleibende Schäden hinterlassen könnte.

Laurent war das zu blöd, er wollte nicht durch die Ofenklappe zuschauen, wie die fremden Kinder seine Kekse zerkrümelten, die frühmorgens er zusammenteigen musste. So rannte er, sobald es an der Tür klingelte, und die Gellen der reichen Nachbarsfrauen mit ihren Häubchen erklangen, die Treppe hinauf zum Dachboden. Eine Tür trennte den Dachstock vom Rest des Hauses, daran hingen an einem Nagel übers Kreuz ein Teppichklopfer und ein Staubwedel. Laurent riss die Tür auf, und eine andere Welt schlug ihm entgegen. Die Wände waren mit dunklem Holz verkleidet, es war plötzlich ganz still. Ein Geruch nach Staub stand in der Luft, im Winter zusätzlich nach Äpfeln, die auf der Dachstocktreppe in kleinen Kisten gelagert wurden. Dieser Geruch hat ihn immer aufgeregt: Er bedeutete Geheimnis, Abenteuer, Vergangenheit. Er steckte sich einen Apfel in die Hosentasche und ging bedächtig und tief atmend die schmale Treppe hoch. Oben stellte er die Leiter an und kletterte vorsichtig, die Leiter war nämlich sehr alt und wurmstichig, auf den Boden. Dort war sein Paradies.

Die Sonne schien durch das zerborstene Fenster und die Scherben auf dem Boden glitzerten; erleuchtete Staubbalken zogen durchs Zimmer, die Teilchen darin bewegten sich durcheinander wie ein Schwarm winziger Fischchen, wie Plankton im Mondlicht.

Piratenplanken, raunte Laurent voller Ehrfurcht mit Blick auf die ergrauten Holzdielen. Er krümmte seinen Zeigefinger zu einem Haken und machte sich auf, zwischen Kisten und Koffern, dreibeinigen Stühlen, Korbsesseln, Lampen und eingerollten Teppichen neue Schätze zu erobern. Das Tafelsilber, die glänzende Geige, die Stapel von Bettwäsche hatte er schon lange entdeckt; er kroch und suchte nach den Kisten, die die dickste Staubschicht bedeckte; diese waren die verbotensten, geheimnisvollsten, vergessensten. Er drückte sein Gesicht in eine Kiste voller Nerze seiner Grossmutter und atmete ihren Geruch tief ein: Todestalg der Nerze, gemischt mit dem der Alten, die sie getragen hatte, mit ihren Schuppen, ihren toten weissen, violett gefärbten Haaren, ihrem Puder, ihren
trockenen Lippenfetzen, ihrem seifigen Parfüm; gemischt mit dem Staub, der sich in all den Jahren in ihren Schränken selbst herangezüchtet hatte, der zusammengehalten wurde von schweissigen Fasern synthetischer 70er Jahre Kleidern, wie dem, das sie im Sommer getragen hatte, als die erste Tochter vom Apfelbaum fiel…

Laurent liebte die ferne Vergangenheit; er kannte sie nicht, er kannte nur die Gegenwart und die kam ihm schrecklich vor. Einmal fand er eine Kiste voller Punk-Musik-Schallplatten. Er wusste, dass die seiner Tante gehört haben musste, die an dem Heroin gestorben war. Mit klopfendem Herzen sah er die Platten durch und stellte sich vor, wie seine Tante sich aufregen würde, wenn sie wüsste, wie er mit klebrigen Apfelfingern… Laurent untersuchte den Platten-Staub genau: Was bleibt hängen von der «Drogenhöhle», wie seine Mutter gerne sagte. Am Boden der gelben Kiste klebte und klumpte er in kleinen schwarzen Punkten. Er sammelte sich auch in den Klebstreifen, mit denen die einst gerissenen Kartoncovers geklebt worden waren; die standen grau ab und klebten nicht mehr. Das sind die Jahre, sinnierte Laurent, das und die Hautschuppen von Fingerkuppen von drei Ehemännern und einigen mehr Liebhabern, das ist Rauch und Nikotin, das an den Fingern kleben blieb. Und er roch an seinen Fingern und stellte sich vor, wie sie geraucht hatten, die Punks, und wie das Blut vom Fixen über die Platte gelaufen war, die da jetzt einen dunklen Fleck hatte; und es schauderte den kleinen Laurent vor verbotener Romantik.

Bald wusste Laurent, was in allen Kisten und Koffern steckte und welche Geschichten darin schlummerten. Nun konnte er sich voll und ganz dem Staub widmen. Er blies hinein, das Aufwirbeln erfüllte ihn mit grösster Erregung, bis er niesen musste – eine Art frühe Selbstbefriedigung. Er fuhr mit den Fingern hinein, malte geheime Zauberzeichen; er patschte mit der ganzen Hand darauf und puderte sich das Gesicht.

Laurent richtete sich ein kleines Labor ein, das aus einer Matratze bestand, auf der er bequem sitzen konnte, sowie einer Nachttischlampe, unter der er die gesammelten Proben genau betrachten konnte. Er führte ein Journal, in dem er seine Beobachtungen fein säuberlich eintrug. «Fundort: Altes grünes Küchenmöbel. Art: Feiner weisser Staub, darin ein körniger, wie Sand. Ansonsten: 3 tote durchsichtige Motten.»

Er stoppte die Zeit von fallenden Flusen und notierte mit hochgezogenen Augenbrauen die «so frappanten» Unterschiede; er zog Staubbällchen auseinander und sortierte: «Blüten, Blättchen, Ästchen, Marderdreck!», oder: «ganz feine Steinchen», oder: «Blütenstaub mit Samen», oder: «Fusseln, Spinnweben, Fliegenflügel».

Nach getaner Arbeit legte sich Laurent der Länge nach hin, und dachte sich Geschichten aus von dem Marder und den Spatzen und den Krähen und ihrem Dreck; er stellte sich ein Leben als Blütenpolle vor, und eines als verwirrte Biene, die den Ausgang aus dem Dachstock nicht mehr findet und elendiglich stirbt. Dabei bewegte er sich nicht, in der Hoffnung, der Staub würde sich auf ihn setzen und auch ihn ganz bedecken, konservieren und ihn interessant machen, für bessere Zeiten.

Laurent war verzweifelt, wenn seine Mutter ihn nach draussen sperrte. Er wusste dort überhaupt nichts zu tun, ausser an seinen Armen zu reiben und die abgestorbenen Hautschuppen fliegen zu sehen, doch so viele waren das nicht. Einmal sah er der Nachbarskatze zu, wie sie aus der Küche gerannt kam und einen Staubball jagte. Sie fasste ihn und frass ihn auf, da stand Laurent schon hinter ihr und hob sie auf, schleppte sie in die Sonne und klopfte. Was das eins stiebte! Laurent war selig; wo ist denn die gewesen und wie alt ist die denn, dass die so viel staubt, da sind sie nun, die sieben Leben!

Ich möchte eine Frau mit möglichst ganz langen Haaren, sagte Laurent danach in einem frohen Moment zu seiner Mutter, damit sich der Staub darin verfängt und wächst.
Du ekliger Typ, schnauzte die Mutter und strich dem Nicolaj von Gegenüber über die geschniegelten, mit Gel festgepatschten Haare, in die sich nie ein Staubkörnchen verfangen würde, weil es so ekelhaft glänzte. Oder vielleicht, dachte Laurent, setzt es sich gerade deswegen drauf und lacht: ha-ha.

Und Laurent lachte leise ha-ha, wie das Staubkorn, und er stolzierte aus der Küche und auf den Dachboden hinauf, stieg die Leiter hoch und legte sich auf den Boden, lag da und schnaufte und hörte dem Marder beim Rumoren zu. Er legte die Hände auf den ausgerollten Flusenteppich und kraulte ihn mit den Fingernägeln, schabte bis an seinen flauschigen Grund, wo er hart wurde und kratzte von dort den Dreck hinauf, klippte ihn unter den Fingernägeln hervor und blies ihn an die Decke hoch, wo er zerstäubte.

In seiner Pubertät ist Laurent schlagartig in die Höhe geschossen. Er liess seine Haare und einen Bart wachsen und fing an, sich seltsam zu kleiden; mit langen Rauhaarmänteln, die bis zum Boden hingen und die er in der Taille mit zwei aneinander geknoteten toten Nerzen mit Füssen und Gesichtern dran zusammenband. So stand er am Grab seiner Mutter und liess fein zerriebene Erde auf den Sarg niederrieseln. Es schneite. Auf dem Heimweg blies er ein Schneehütchen von der Latte eines Gartenzauns; der Schnee wirbelte und funkelte, und Laurent fühlte sich seltsam leicht.

Einige Jahre darauf sah er am Flohmarkt eine Frau, sie rüttelte an einem hölzernen Flipperkasten. Ihr goldener meterlanger Zopf tanzte über dem Rücken wie eine nervöse Schlange, ihr mehrlagiger Samtrock schwang hin und her, und über den Ohren trug sie ein Nerzstirnband. Laurent beobachtete sie eine Weile und schlich sich dann von hinten an. Schliesslich stand er so nahe, dass sie seinen Atem im Nacken spürte und mit einem kleinen Schrei aufschreckte. Laurent war begeistert: Sie war noch grösser als er.

Guten Tag, sagte er.

Was fällt Ihnen ein!, rief sie.

Ich suche schon lange eine Frau mit so schönem,
langem Haar.

Na suchen Sie weiter!

Und die Frau stelzte davon.
Aber über die Köpfe der andern hinweg warfen sie sich Blicke zu. Sie trafen sich beim Kaffeestand und es ergab sich folgende Unterhaltung:

Mögen Sie alte Sachen?

Ich mag alte Sachen sehr; ich trage nur historische
Kleidung.

Ich hätte einige alte Sachen bei mir zuhause, vielleicht wollen Sie einmal kommen und sie anschauen?

Das möchte ich sehr gern!

Und so kam es, dass Laurent die langhaarige Frau nachhause nahm, sie hiess Ethel Margot. Vor seiner Tür fragte er noch: Sie haben doch keine Allergien?
Keine Angst und keine Allergien, sagte sie ernst.
Also machte Laurent sie mit seiner Wohnung bekannt.

Schon merkwürdig, sagte Ethel Margot später, als sie in einem Nest aus Wollfäden und Katzenhaaren und flauschigstem Wuschelstaub lagen, ich hätte nie gedacht, dass ich dich einmal anziehend finden würde. Sie fuhr mit dem Finger leicht über die schwarze Stelle an Laurents Arm, wo noch die Bleistiftmine drinsteckte. Laurent wusste nicht, was sagen und rieb sich die Augen.
Erzähl mir etwas von Staub, sagte sie und er griff hinters Bett und zog einen Staubklumpen heraus, zerrieb ihn zwischen den Fingern über ihrem Gesicht. Es rieselte auf ihre Nase, über ihre weisse Haut, sie schüttelte sich.
Das sind Haare, rief Laurent übertrieben aus, das ist Vogeldreck und Körner, das sind Tannennadeln und Erdklümpchen, hast du jetzt genug?

Die Nachmittagssonne scheint durchs Fenster und hinterlässt eine staubige Spur im Raum. Sie geht über den Tisch und bricht ab, um am Boden weiter zu laufen. Laurent beobachtet ein Haarknäuel unter der Heizung, das sich durch die Hitze leicht bewegt, wie Seegras. Er kratzt sich, es juckt ihn am Bauch und das Atmen fällt ihm immer schwerer. Er stellt sich wieder ans Fenster und hustet.

Die Frau im Haus gegenüber setzt sich gerade den Hut auf und trampelt die Stufen im Treppenhaus herunter. Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss, sie stellt den Eimer auf den Boden und hebt ihn sofort wieder hoch; sie kehrt ihn um, schüttelt ihn und sieht genau hinein. Dann schaut sie nach rechts und links, legt den Schlüssel in den Briefkasten unter die Zeitungen. Sie nimmt den Eimer und geht, den Mopp wie eine Lanze vor sich her führend, über den Hof.

Abends steht Laurent auf dem Dach. Dunst liegt über der Stadt. Rauch steigt aus den Kaminen, zerstäubt im Wind und im goldenen Licht der untergehenden Sonne. Asche spickt und zerfällt im Schnee. Die Zigarette landet mit einem Plink und raucht aus der Rinne herauf. Möwen segeln vor den Wohnhochhäusern, lassen sich auftreiben durch die abstrahlende Wärme. Das ist Freiheit, denkt Laurent, St. Petersburg, und er ballt die Hand zu einer Faust; die Handhaut, von der Kälte getrocknet, zerreisst über den Knöcheln. Der Dampf der Hauswärme aus der ganzen Stadt wirbelt auf ihn zu, luftige weisse Geister jagen einander, vergehen wie Müc­kenschwärme. Der Himmel zittert.

Michelle Steinbeck ist Autorin und Redaktorin der Fabrikzeitung.

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