Schenken tut man in der Schweiz nicht gern. Oft geht es schief und vergössert den Graben zwischen zwei Menschen. Geschenke annehmen tut man auch nicht gern. Es liegt eher in unserer Natur, uns durch Raub und Betrug anzureichern. Besonders Männer jammern oft, dass sie es insbesondere Frauen zur Geschenkesaison nie recht machen könnten. Gerade gestern standen zwei Männer mittleren Alters mit traurigen Gesichtern und einem Bügelbrett zwischen sich an der Haltestelle Helvetiaplatz. Sie schwiegen und schauten auf das Bügelbrett. Das Bügelbrett war erstaunlich gross und  machte einen enorm multifunktionalen Eindruck. Ein Bügelbrett, das mit allen Tücken versehen zu sein schien. Ein Star unter den Bügelbrettern. Nachdem sie lange geschwiegen und geschaut hatten, sagte der eine: «Und ich han immer dänkt, mit so öppisem chammer ä Frau glücklich mache.»

Eine Tragödie, denn der gute Mann hatte bestimmt ein Vermögen für dieses beste aller Bügelbretter ausgegeben!

Schenken und Abstimmen sind vielleicht die einzigen Tätigkeiten, zu denen sich in der Schweiz alle verpflichtet fühlen, aber damit heillos überfordert sind.

Wie bereits erwähnt, fällt es den Menschen in der Schweiz auch schwer, Geschenke anzunehmen. Gemäss der Landesweisheit «Vo Nüt chunnt Nüt», gehen sie immer davon aus, dass die Person, die ihnen etwas geschenkt hat, nun ebenfalls ein Geschenk von ihnen will. Und zwar eines, das mindestens genau so viel an Geld oder Zeit oder Kenntnis der verborgenen Wünsche der beschenkten Person gekostet hat. Das Einzige, was man in der Schweiz von ganzem Herzen und ohne schlechtes Gewissen annimmt, sind Lottogewinne und Erbschaften. Das ist so, weil dies gut mit unserem natürlichen Sozialdarwinismus vereinbar ist. Es kann doch nicht Zufall sein, dass im reichsten Land der Welt lauter so tolle Hechte geboren werden? Die Menschen in der Schweiz sehen es als Naturgesetz an, dass sie ohne zu arbeiten zu Geld kommen. Das mag erstaunlich klingen für ein Land, das jedes Jahr in Folge die Weltberufsmeisterschaften der Sanitärinstallateure UND der  Dentalhygieneassistentinnen gewinnt, aber es ist tatsächlich so. So, wie die Schweizer-Innen davon ausgehen, dass sie von Geburt aus fleissig sind, sind sie auch reich. Sie sind überzeugt, dass ihnen beides von Natur aus zusteht.

In der Schweiz eignen sich traditionell Gutscheine am besten als Geschenke, weil sie geldähnlich sind. Die Schweizerischsten aller Geschenke sind allerdings seit Generationen unangefochten der REKA-Check oder, zu besonderen Anlässen, das Goldvreneli.

Den Kindern klebt man goldene Schoggi-franken oder Goldbarren auf das überteuerte Elektrospielzeug, damit sie schon früh lernen, reiche Arschlöcher zu werden. Oder man setzt eher auf symbolische Geschenke, wie zum Beispiel mein Grossvater zu meinem achtzehnten Geburtstag: «Hesch gärn Fänchutee», fragte er mich. Ich verneinte, worauf er mir vier Beutel davon schenkte, sorgsam in  drei Blatt Toilettenpapier verpackt.

Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern, studierte Filmwissenschaften, Drehbuch und Literarisches Schreiben in Zürich, Ludwigsburg und Biel. Gründete 2013 zusammen mit dem Künstler Simon Krebs das Büro für Problem.

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