Staten Island ist der südlichste der fünf Stadtbezirke von New York City. Berüchtigt ist er vor allem als Heimat der Mafiosi und der (ehemals) grössten Müllhalde der Welt. TouristInnen besteigen die Staten Island Ferry nur  für den Panorama-Blick auf Lower Manhattan, allerhöchstens für einen kurzen Abstecher ins Shoppingcenter am Hafen.

«The fifth borough» ist durch eine Brücke mit dem Rest der Stadt verbunden – die 1964 vom Schweizer Othmar Ammann erbaute Verazzano Narrows Bridge. Allerdings wirkt diese eher wie eine Grenze: Die Einweg-Maut kostet stattliche 17 Dollar. Auch demografisch unterscheidet sich Staten Island frappant vom Rest der Stadt: Die 500’000 Insel-Bewohnenden sind mehrheitlich weisse Autofahrende, die in Eigenheimen wohnen – und Republikaner wählen. Auch das Ausmass der Opioidkrise – viele nennen die Insel «Heroin Island» – ähnelt mehr dem typischen amerikanischen Vorort als dem Rest von New York City. Plakate der Gesundheitsbehörde warnen: «Mehr Einwohner von Staten Island sterben durch Überdosen als durch Autounfälle».

Seit dreissig Jahren gibt es Bemühungen, sich von New York City abzuspalten. Der damalige Bürgermeister von NYC schaffte es in den 1990er Jahren die Staten Islanders in ihren beiden grössten Sorgen zu besänftigen: Mit der Schliessung der Fresh-Kills-Deponie und der Abschaffung der Mautgebühr für die Fähre (jedoch nicht der Brücke) zwischen Staten Island und Manhattan. Vor dem Hintergrund der landesweit wachsenden politischen Spaltung und ermutigt durch den Erfolg der Brexit-Abstimmung werden heute jedoch neue Rufe nach einer Abspaltung laut. 

Die Unterschiede zwischen Staten Island und dem Rest von New York City sind beispielhaft für die wachsende kulturelle, ökonomische und soziale Kluft zwischen städtischen und vorstädtischen Gebieten in den USA. Wir widmen deshalb im Jahr der US-Präsidentschaftswahlen die April-Ausgabe der Fabrikzeitung einem Portrait des «vergessenen Stadtteils» Staten Island.

Michelle Steinbeck ist Autorin und Redaktorin der Fabrikzeitung.

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