Es war ein verwirrender Sonntag, da sind wir uns alle einig. War das jetzt ein Linksrutsch oder doch nur ein Grünlutsch, wie es dann irgendwann Urs Leuthard herauslutschte, Verzeihung – rutschte. Und wer lutschte hier wen? Und wenn hier irgendwas gelutscht wurde, warum sahen dann alle so verdammt unzufrieden aus?

Sogar Regula Rytz brauchte drei Nachfragen, bevor sie endlich den Satz herausbrachte, dass vielleicht tatsächlich, also bald einmal, also in absehbarer Zukunft eine grüne Vertretung angemessen wäre im Bundesrat. Also noch nicht gleich morgen, aber mindestens, bevor der Klimawandel das ganze Land unbewohnbar macht. Aber wirklich nur, wenn die CVP nichts dagegen hat.

Kein Wunder, starrten die Roten in die Röhre. Mit diesen Grünen lässt sich ja kaum der Kapitalismus überwinden! Und der rasende Roger immer noch der meistgewählte Nationalrat des Landes, auch wenn es ihm dann im Ständerat nirgends hin gereicht hatte. Dafür Jositsch. Ausgerechnet Jositsch, der Chantal Galladé zur Rattenfängerpartei getrieben hatte – so zumindest stand es in den People News. Und hey, wäre wenigstens noch ein Sitz nach ganz Links gegangen, zu Laura Huonker, der einzigen professionellen Kulturschaffenden auf all diesen Listen, oder Manuela Schiller, der letzten aufrechten Anwältin Zürichs? Aber hey, seien wir ehrlich: Warum sollte irgendwer, der sich in Zürich eine Wohnung leisten kann, ein Interesse daran haben, dass die Dinge sich ändern?

«Es hätte schlimmer kommen können», sagte irgendwann ein Sozi aus der Ostschweiz, und vielleicht hatte er ja Recht. Warum nicht auf die einfachen Dinge fokussieren, wie zum Beispiel Schadenfreude? Wer da so alles von der Wählerschaft abgestraft wurde, ist doch ein ziemliches Gruselkabinett: Der Spendengrüselwüstling Sebastian Frehner in Basel. Die professionelle Schnarchnase (Achtung: Sägerwitz) Jean-François Rime. Der durchgeknallte Ex-Cop Roger Golay mit seiner Polterpartei in Genf. Der Heissluftballon Felix Müri in Luzern. Hans-Ulrich Lügenbigler und Claudio «Twitterkanone» Zanetti. Und natürlich der wandelnde Nazivergleich und Sozialhilfeverweigerer Thomas Müller aus Rorschach. Auf soviel abgewählte Inkompetenz darf dieses «Volk», das da gewählt hat, durchaus stolz sein.

Bei all der Freude über die gewählten Grünen (gratuliere, Franziska Ryser!) muss man sich auch die Frage stellen, was mit der anderen Gewinner-Partei ist, der Nebelgranate in Grün. Der Partei, deren Name schon klar macht, dass ihr Programm ein einziger Widerspruch ist: eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft zu wollen, ohne der Wirtschaft zu schaden. Einer Partei, deren Basis so dünn ist, dass man sich nicht wundern darf, wenn die Madante zwischendurch mit Irren besetzt werden – wie einst dem Opfiker Parlamentspräsidenten, der rassistische 1. August-Reden hielt und seine eigene Kellertür «aus Plausch» mit einem Hammer einschlug. Einer Partei, die aus lauter Verpeiltheit die Pilotprojekte zur Cannabisabgabe verhindert hatte, weil sie zum Zeitpunkt der Abstimmung eine Sitzung abhalten musste.

Ob mit dieser Partei irgendetwas besser wird, darf bezweifelt werden. Denn wie es einst schon der später von Grossgrundbesitzern ermordete Ökoaktivist Chico Mendes sagte: «Ökologie ohne soziale Fragen ist einfach nur Gärtnerei.»

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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